20. August 2016 2 Likes

Traumschiff Horror-Surprise

Pulpiges Thriller-Drama mit Sci-Fi-Einschlag

Lesezeit: 3 min.

Bevor diezukunft in der Gegenwart mit altertümlichen Flüchen überhäuft wird, eine Warnung zu Anfang: Folgende Kritik wird einen Spoiler enthalten, der nicht ohne ist, da aber das im Prinzip größte Mysterium dieser Pseudo-Mini-Serie schon nach zwei Folgen gelüftet wird und der Rest gerade darauf aufbaut, ist es unmöglich, so drum herum zu schreiben, dass noch ein halbwegs sinnvoller Text dabei rauskommt. Also, wer’s nicht wissen will, hört genau JETZT auf zu lesen.

Noch da?

Los geht’s: Aus Furcht vor dem kalten Krieg wurde im Jahr 1963 unter Präsident John F. Kennedy ein gigantisches Generationenschiff mit dem Namen USS Ascension und 600 Menschen an Bord in den Weltraum geschickt, um nach 100-jähriger Reise einen geeigneten Planeten im Proxima-Centauri-System zu besiedeln.

Seit 51 Jahren befindet sich die Besatzung nun auf dem Weg zu den Sternen, das Leben ist an Bord ist straff organisiert und alles geht seinen Gang. Doch plötzlich geschieht ein Mord: Lorelei Wright, eine junge, schöne Frau wurde tot am künstlichen Raumschiffstrand gefunden. Kapitän William Derringer beauftragt seinen Offizier Aaron Gault mit der Ermittlung, was gar nicht so einfach ist, da es während der ganzen Reise noch nie einen Mord gegeben hat und keiner weiß, was in so einem Fall überhaupt zu tun ist, weswegen Gault sich in einer putzigen Szene erstmal in der hauseigenen Bücherei schlau macht. Aber das Whodunit ist nur ein Thema: Parallel sorgen diverse Liebe- und Eifersüchteleien und weitere nur allzu menschliche Dramen für – je nach Gusto des Zuschauers – Entzücken oder Grausen und ab dem Ende der zweiten Folge werden die Karten noch einmal ganz neu gemischt, denn es stellt sich heraus, dass das Raumschiff die Erde nie verlassen hat und die komplette Truppe Teil des Experiments einer dubiosen Organisation ist, „Lost“ gestählte Zuschauer fühlen sich gleich zu Hause. Außerdem befindet sich noch ein Kind mit speziellen Kräften an Bord, das die Gemeuchelte als optisch interessant präsentierten Untote durch die Gänge spazieren sieht – spätestens ab hier überrascht es nicht weiter, dass im Abspann auch Jason „Paranormal Activity“ Blum als Geldgeber gelistet wird, der gute Name verpflichtet eben.

Das alles ist tatsächlich genauso unaufgeräumt, wie es klingt und über Sinn und Unsinn (Warum gibt es keine alten Menschen an Bord? Warum sehen alle Darsteller wie direkt vom Laufsteg gezerrt aus? etc.) sollte man sich erst recht bitte absolut keine Gedanken machen, sonst wird der Abend mehr als lang.  „Ascension“ ist trotz seriösem Anstrich (die Autoren haben sich vom „Orion-Projekt inspirieren lassen) deutlich unter Pulp zu verbuchen, aber einer der durchaus Laune macht, da man hübsch unbekümmert zwischen Soap-Opera, Krimi und Mysterygedöns (Science-Fiction ist letztendlich nur ein Aufhänger, das Covermotiv verspricht eine Produktion, die sich ganz gewiss nicht auf der Scheibe befindet) hin- und herstolpert und mit einer gediegenen Machart überrascht, unter den Regisseuren befindet sich übrigens „Cube“-Schöpfer Vincenzo Natali! Die flache Ästhetik kann die TV-Herkunft zwar nicht leugnen, aber man vermittelt mit ausgefuchsten Kamerafahrten durch das Raumschiff ein tolles Gefühl für Größe und macht so den schon bereits nicht unbedingt plausiblen Kern der Story – 600 Menschen werden über 50 Jahre lang vor der Öffentlichkeit versteckt gehalten…? – zumindestens etwas greifbarer. Zusätzlich zur Etablierung dieser abgeriegelten Welt trägt auch das gelungene, aber verhältnismäßig zurückhaltende 60’s-Flair der Ausstattung bei, Frisuren, Mode, Mobiliar und andere Details: Man atmet schnell den stehen gebliebenen Zeitgeist ein, erstickt aber nicht dran. 

Trotzdem: Auch wenn es sich hierbei um einen kurzweiligen viereinhalb- Stunden-Spaß handelt, sollte sich der geneigte Konsument dreimal überlegen, ob man teuer Geld für eine Homevideo-Edition bezahlt oder doch lieber auf eine günstige Variante (Verleih, Netflix) zugreift, denn die Serie wurde bedauerlicherweise nach einer Staffel abgesetzt, weswegen inhaltlich am Ende das ein oder andere in der Luft rumhängt, sprich „Ascension“ ist nur bedingt regaltauglich, man kauft ja auch kein halbes Buch.  

„Ascension“ ist seit dem 18.08.2016 auf DVD und Blu-ray erhältlich.

Ascension (USA/Kanada 2014) • Regie: diverse • Darsteller: Brian Van Holt, Gil Bellows, Tricia Helfer, Andrea Roth, Brandon P Bell, Jacqueline Byers, Tiffany Lonsdale

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