21. September 2016 2 Likes

Held oder Verräter?

Oliver Stone erklärt in „Snowden“ noch einmal, wer der Whistleblower ist.

Lesezeit: 3 min.

Ausgerechnet in einem Zauberwürfel versteckt Edward Snowden den winzig kleinen USB-Stick, mit dem er riesige Datenmengen aus dem bunkerartigen Computerzentrum der NSA transportiert. So zumindest erzählt es Oliver Stone in seinem ausufernden Spielfilm „Snowden“, der oft einem Doku-Drama gleicht. Jeder, der in den letzten Jahren halbwegs regelmäßig die Nachrichten verfolgt hat, dürfte die relevanten Fakten des Falls Snowden kennen: Patriotischer Computerexperte, der im Lauf seines Dienstes für CIA und NSA zunehmend Zweifel an den Methoden der Datenkraken bekam. In einem Hotelzimmer in Hongkong übergab er die Daten an die Journalisten Glenn Greenwald und Laura Poitras, die diese Momente in ihrem Film „Citizenfour“ dokumentierte, schließlich die Flucht nach Russland, wo ihm seitdem ausgerechnet das Putin-Regime Asyl gewährt, während amerikanische Politiker von Obama über Clinton bis Trump seine Auslieferung und die Anklage als Verräter fordern.

Dass Edward Snowden in den Augen Oliver Stones nicht in erster Linie ein Verräter, sondern ein  Held ist, der mit der Enthüllung streng geheimer Informationen seine patriotische Pflicht erfüllte, überrascht nicht. Zeit seiner illustren Karriere hat Stone immer wieder die offizielle Geschichtsschreibung hinterfragt, sich mehrmals am Vietnamkrieg abgearbeitet, sich in „JFK“ auf stilistisch brillante, inhaltlich oft fragwürdige Weise mit der Ermordung John F. Kennedys beschäftigt und in den letzten Jahren vor allem in Dokumentation ein zutiefst kritisches Bild seiner Heimat abgeliefert.

Selbst die quasi offizielle Geschichtsschreibung Amerikas steht den Überwachungsexzessen der Geheimdienste zwar nicht uneingeschränkt positiv gegenüber, wirkliche Kritik wird aber nicht laut. Zu wenig überzeugend scheint die Lesart, dass zum Schutz vor mannigfaltiger Bedrohung durch staatlichen und individuellen Terrorismus jedes Mittel Recht ist, um die Heimat zu schützen. So wie es Stone in „Snowden“ erzählt, war auch Edward Snowden als junger Mann von dieser Idelogie geprägt. Voller Enthusiasmus und Patriotismus strebt Snowden eine Karriere beim Militär an, die durch eine schwere Verletzung verhindert wird. Doch sein Talent am Computer eröffnet ihm einen anderen Weg zu dienen. Bald ist Snowden tief in den Strukturen der CIA verhaftet, wird protegiert und auf immer wichtigere Posten befördert. Skepsis an seiner Arbeit entstehen nur langsam, in erster Linie durch seine Freundin, die langsam Zweifel sät.

In groben Zügen folgt dieser Erzählbogen dem klassischen Muster zahlreicher Hollywood-Filme, in denen moralisch einwandfreie Helden in Institutionen tätig sind, deren Rechtschaffenheit sie bald infrage stellen und von Innen heraus bekämpfen. Die persönlichen Opfer, die sie dabei bringen, lassen sie wie moderne Märtyrer erscheinen, die sich für die richtige Sache aufopfern. In Snowdens Fall ist das zwar nicht der Märtyrertod, aber doch ein Exil in einem fremden Land. Dort führt Snowden allem Anschein nach ein recht beschauliches Leben und wird gern als Experte zu allen möglichen Themen herangezogen. Man mag sich zwar fragen, warum ein Computerexperte auf einmal besondere Expertise in außenpolitischen Fragen etwa zum Thema Sicherheitspolitik afrikanischer Nationen besitzen sollte, aber seine Rolle als Whistleblower hat ihn offenbar zum universell einsetzbaren Fachmann werden lassen.

Mit enormen Aufwand inszeniert Oliver Stone diese Geschichte, hat mit Joseph Gordon-Levitt, Shailene Woodley, Scott Eastwood, Nicolas Cage, Rhys Ifans, Zachary Quinto, Melissa Leo und Tom Wilkinson eine erstaunliche Schauspielerriege zur Verfügung, doch so Recht mag der Funke nicht überspringen. Zu konventionell ist diesmal Stones Regie, zu bieder und zahm. Was natürlich auch daran liegt, dass Stone dem Fall Snowden kaum noch etwas Neues hinzuzufügen hat. Ein biographischer Film also, der zumindest in Deutschland eher bestehende Meinungen bestätigen wird, als sie zu verändern.

„Snowdon“ startet am 22. September im Kino. Abb.  © Open Road Films

Snowdon • USA/ Deutschland/ Frankreich 2016 • Regie: Oliver Stone • Darsteller: Joseph Gordon-Levitt, Shailene Woodley, Scott Eastwood, Nicolas Cage, Rhys Ifans, Zachary Quinto, Melissa Leo und Tom Wilkinson

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