3. Oktober 2016

Mehr Zusammenarbeit bitte!

Was wir vom Ozonloch, seinem Auftauchen und seinem Wiederverschwinden lernen können

Lesezeit: 4 min.

Erinnern Sie sich noch an das gute alte Ozonloch? In den 1980er Jahren haben Wissenschaftler erstmals festgestellt, dass die Ozonschicht über der Antarktis im südlichen Frühjahr jedes Jahr bedrohlich dünn wird, um sich dann wieder zu erholen. Forscher konnten diese dramatische Entwicklung schnell auf den Ausstoß bestimmter chemischer Verbindungen, den sogenannten Fluor-Chlor-Kohlenwasserstoffen, kurz FCKWs, zurückführen, und in einem bis dahin ungekannten weltweiten politischen Aufwand wurden diese Stoffe 1987 im Montreal-Protokoll verboten. Danach wurde es lange still um das Ozonloch, aber womöglich haben Sie vor einigen Monaten die Schlagzeilen gelesen: dem kränklichen Ozonloch geht es besser. Grund genug, sich die ganze Geschichte noch einmal genauer anzusehen.

Die Antarktis ist ein besonderer Ort, nicht nur (aber auch) weil es dort so verflixt kalt ist. Der Grund für die außergewöhnliche Kälte, die dort herrscht, ist natürlich die geographische Lage um den Südpol, was bedeutet, dass der Winter dort ein halbes Jahr dauert und es noch dazu die ganze Zeit stockfinster ist. Im Polarwinter liegen die Temperaturen am Südpol im Mittel bei -65 Grad Celsius. Allerdings trifft das gleiche ja auch auf den Nordpol zu, der aber im Mittel mit um -40 Grad Celsius deutlich wärmer ist; tatsächlich betrug hier die tiefste je gemessene Temperatur „nur“ -68 Grad Celsius. Woher kommt dieser Unterschied?

Zunächst einmal sind Arktis und Antarktis geographisch grundverschieden – die Arktis ist größtenteils ein mehr oder weniger ganzjährig gefrorener Ozean mit einigen verstreuten Inseln darin, während sich unter dem zwei Kilometer dicken Eispanzer der Antarktis ein ganzer Kontinent versteckt. Das bedeutet, dass der Nordpol vom „warmen“ Wasser der Weltmeere profitiert, während sich am Südpol die eisigen Temperaturen über den ganzen Kontinent ausbreiten können. Wasser hat eine höhere Wärmekapazität als Festland, das heißt, dass warmes Wasser länger warm bleibt als warmes Land. Die Auswirkungen sieht man bei uns in Europa gut: Regionen nah am Meer wie Großbritannien und Spanien bleiben im Winter deutlich wärmer als zum Beispiel Russland oder die Ukraine.

Des Weiteren ist die Umgebung der beiden Pole von Bedeutung. Das Nordmeer ist von Landmassen umgeben, während die Antarktis im Grunde eine gigantische Insel mitten im Ozean ist. Nun muss ich etwas ausholen: In meiner letzten Kolumne habe ich ja schon einmal über den JetstreamJetstream gesprochen, jenes Band aus westlichen Winden, das auf beiden Erdhalbkugeln in mittleren Breiten unser Wetter und Klima bestimmt. Der nördliche und der südliche Jetstream schließen also die Polarregionen ein. Nun trifft aber der Jetstream auf der Nordhalbkugel ständig irgendwo auf Land und wird dadurch abgelenkt, abgeschwächt und wirft Wellen. Auf der Südhalbkugel hingegen bewegt er sich fast ausschließlich über dem offenen Meer und kann so einen sehr gleichmäßigen, geschlossenen Ring bilden, der eine deutliche Grenze zwischen den warmen äquatorialen Luftmassen und der kalten Polarluft bildet. Diese Grenze – der Polarwirbel – verhindert, dass wärmere Luftmassen in die Polregionen vordringen. Dadurch kann sich die Luft über der Antarktis in Ruhe abkühlen.

Soviel also zu den Temperaturen der Antarktis – aber was hat das nun mit dem Ozonloch zu tun?

Die Ozonschicht ist keine wohldefinierte Schicht aus Ozon, sondern vielmehr ein Maximum der Ozon-Konzentration in unserer Atmosphäre, das sich in etwa 20 bis 25 Kilometern Höhe befindet. Für uns ist dieses Maximum von lebenswichtiger Bedeutung, denn Ozon filtert schädliche UV-Strahlung aus dem Sonnenlicht. Ein „Loch“ in dieser Schicht hat damit unmittelbaren Einfluss auf unser Leben – wer sich jemals in Australien oder Neuseeland einen Sonnenbrand geholt hat, weiß, wovon ich spreche. FCKWs pfuschen dem Ozon allerdings ins Handwerk, da sie sich mit dem Ozon so verbinden, dass es die UV-filternde Eigenschaft verliert. In der großen Kälte des antarktischen Winters gefrieren diese FCKWs in der Atmosphäre zu Wolken und werden damit vorerst unschädlich gemacht. Allerdings können sie sich auch, abgeschottet durch die Grenze des Jetstream-Polarwirbels, in großen Mengen sammeln. Sobald sich die Sonne zu Beginn des Polartags dann erstmals über den Horizont wagt, tauen sie auf, werden aktiv und fressen ein Loch in unsere schöne Ozonschicht. Wird der Polarwirbel dann im Sommer durch thermische Durchmischung instabil, können ozonreichere Luftmassen bis in die Antarktis vordringen und das Loch auffüllen.

Die Rolle der FCKWs beim Ozonabbau wurde schnell von Forschern erkannt, und die Politik reagierte rasch. Die Stoffe, die bis dahin in Kühlschränken und als Treibmittel in Spraydosen verwendet wurden, wurden verboten, und dann hieß es abwarten. Das Problem ist nämlich, dass sich FCKWs in der Atmosphäre sehr lange herumtreiben – viele dieser Verbindungen haben eine Verweildauer von mehreren Jahrzehnten. Doch jetzt, fast 30 Jahre nach dem Verbot, sehen wir tatsächlich endlich eine Veränderung. Im Jahr 2012 wurde erstmals bekannt gegeben, dass sich das Ozonloch erholt, und seither bestätigten mehrere Studien diese Entwicklung. Die Welt-Organisation für Meteorologie (WMO) gab gar bekannt, dass sich das Problem bis 2050 erledigt haben soll.

Aus der ganzen Ozonloch-Geschichte können wir eine wichtige Lektion ziehen: Wenn sich die Politiker der Welt einmal einig sind, wenn sie sich von Fakten leiten lassen und nicht von Parolen und wenn sie tatsächlich strikte Regeln implementieren, dann können wir die Probleme, die wir selbst verursacht haben, auch lösen. Natürlich passiert das nicht von jetzt auf gleich, und gerade in Sachen Klimawandel haben wir bereits viel Schaden angerichtet. Doch das Ozonloch – und wie wir es gestopft haben – beweist, dass wir wirklich etwas ändern können. Wenn wir nur zusammenarbeiten.
 

Judith Homann hat einen Master in Meteorologie von der Universität Innsbruck und interessiert sich insbesondere für extraterrestrische Wetteraktivitäten. Alle ihre Kolumnen finden Sie hier.

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