„Oh Ford!“
Der RBB hat Huxleys „Schöne neue Welt“ aufwendig neu vertont
Anfang Oktober war sie zum ersten Mal zu hören, die hochkarätig besetzte Hörspieladaption von Aldous Huxleys „Schöne neue Welt“. Pünktlich zur Frankfurter Buchmesse erschien sie dann auf CD – und begeistert durch und durch!
Es ist nur wenigen Buchtiteln vergönnt als geflügeltes Wort in den alltäglichen Sprachgebrauch einzugehen. Als Redewendung wird „Schöne neue Welt“ längst gleichgesetzt mit fantastischen und erschreckenden Entwicklungen in Gesellschaft, Politik und Naturwissenschaften. Dabei ist Huxleys dystopischer Klassiker bereits 1932 erschienen und tief verwurzelt in der damaligen Zeit. Der aus einer berühmten Wissenschaftsfamilie stammende Engländer erzählt in seinem wohl bekanntesten Werk von einer vollkommen durchorganisierten, auf biologischen Grundsätzen basierenden Weltgemeinschaft, die für einen jungen Mann zum Albtraum wird.
Im Zeitalter Fords entspricht Alphaplus-Mann Bernhard Marx (herrlich schmierig gesprochen von Lars Rudolph) nicht dem Idealmaß seiner Zuchtgruppe und gilt daher als Außenseiter. Eines Tages nimmt er seine Angebetete Lenina (Cathlen Gawlich, SF-Fans u.a. als deutsche Stimme von Maggie aus „Falling Skies“ bekannt) mit zu einem Ausflug in eines der letzten Reservate, wo einige wenige Menschen noch nach alten Traditionen leben. Dort lernen sie John (romantisch naiv in Szene gesetzt von Christopher Nell) kennen, dessen Mutter (Regina Lemnitz) einst von ihrem Verehrer bei einer ähnlichen Reise schwanger und in der „unzivilisierten“ Dorfgemeinschaft zurückgelassen wurde. Da John der Sohn eines hochrangigen Mannes ist, bringt Bernd „den Wilden“ zurück in die Zivilisation – und erregt dort auch die Aufmerksamkeit von Weltkontrollrätin Morgana Mond (Elfriede Irrall).
Individuum gegen Masse, Freiheit gegen Sicherheit, Drogen gegen Kultur – die Gegensätze des Romans finden sich auch in der nahezu zeitlosen Interpretation von Regisseurin Regine Ahrem wieder („Vertigo - Aus dem Reich der Toten“, „Hollywood on Air: Die Wendeltreppe“). Behutsam wurde unter ihrer Obhut der Roman dezent modernisiert und dadurch z. B. die Rolle der Frau gestärkt. Ihr und dem Ensemble, zu dem auch Leslie Malton als Erzählerin zählt, ist es mit Bravour gelungen, Huxleys düstere Vision einer wissenschaftshörigen, konditionierten und unkritischen Gesellschaft, die freien Geistern mit der Verbannung auf Inseln droht, zum Leben zu erwecken. Egal ob beim Besuch der Brut- und Aufzuchtsstätten, Johns erstem Kinobesuch oder dessen Bekanntschaft mit den vollkommen identisch aussehenden und ihres freien Willens beraubten Deltas, das autoritäre System der Weltregierung erscheint zum Greifen nah und nur einen Sprung von der Realität entfernt. Ein echtes Hörerlebnis!
Aldous Huxley: Schöne neue Welt • Der Audio Verlag (DAV), Berlin 2016 • 117 Minuten • € 16,99
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