6. Januar 2017 1 Likes

We should remember that!

Mit „Batman“ liefert Telltale Games eines seiner besten Adventures überhaupt ab

Lesezeit: 5 min.

Spieler mit Hang zu dicht erzählten Stories lieben sie, während eher auf Ludik fixierte Zocker mit ihrer spielerischen Armut hadern - die Rede ist natürlich von den Point-and-Click-Adventures aus dem Hause Telltale, die der im amerikanischen San Rafael beheimateten Entwicklerschmiede in den letzten Jahren vor allem mit ihren Adaptionen zu Marken-Blockbustern wie The Walking Dead oder Game of Thrones den Ruf eingebracht haben, in diesem Genre aktuell der dickste Fisch im Teich zu sein. Design und Gameplay haben sich innerhalb der jeweiligen Staffeln mit ihren meist fünf Episoden soweit als Marke etabliert, dass es nicht abwegig erscheint, Telltale als Entwickler und Publisher sogar etwas augenzwinkernd mit großen Sendern wie HBO oder AMC zu vergleichen, die mit ihren Serien-Labels ebenfalls den Diskurs um das Thema Serie lange Zeit dominierten und bis heute auch weiterhin entscheidend prägen. Gerade weil einige der Game-Serials schon seit mehreren Staffeln laufen und sich die Inszenierung der Episoden mit Cliffhangern oder Rückblenden sehr stark an TV-Serien orientieren, hat sich dieser Vergleich nicht nur in akademischen Kreisen schon länger eingebürgert. Bezogen auf die Bedeutung und Außenwirkung von Telltale selbst über den Gamer-Zirkus hinaus könnte man daher in Anlehnung an den berühmten HBO-Slogan durchaus eine kleine Huldigung formulieren, um Telltales Aufstieg angemessen zu würdigen: It´s not regular Gaming. It´s Telltale.

Als wichtigstes Herzstück eines echten Telltale fungieren gameplaytechnisch die markanten Entscheidungen innerhalb der Dialoge, die man unter Zeitdruck und ohne Kenntnis der exakten Konsequenzen intuitiv zu treffen hat. Daher wundert es wohl kaum jemand, dass sich das Studio speziell mit Vorlagen wie The Walking Dead einen Namen machen konnten, die mit ihren permanent an der Grenze zwischen Leben und Tod operierenden Settings perfekt zu dieser Art eines entscheidungskritischen Gameplays inklusive tragödienhafter Auswirkungen passen. 

Als im letzten Sommer bekannt wurde, dass als nächstes großes Franchise Batman sein Staffeldebüt auf PC, PS4, Xbox One und mobile Plattformen erleben würde, fielen die Reaktionen überwiegend positiv aus. Da sich der Dark Knight auch im Bereich der Computerspiele mit den famosen Arkham-Episoden längst höchste Weihen verdient hat und das Setting ohnehin mit seinen spannungsgeladenen Konflikten ideal für eine Telltale-Versoftung schien, konnte das Projekt eigentlich nur gelingen. Mit der letzten Episode, die bereits Mitte Dezember erschien, fand die erste (und hoffentlich nicht letzte!) Staffel ein würdiges Ende und konnte sogar mithilfe einiger Neuerungen (Crowd Play oder sogar eine die Episoden begleitende Vlog-Reihe Batman Unmasked) sowie deutlich höheren Spielanteilen neben den Dialogen im Verbund mit einem selbst für Telltale-Verhältnisse fantastisch vielschichtigen Skript den Beweis erbringen, ein echter Schritt nach vorne sein zu wollen. Selbst wenn beharrliche Kritiker auch bei Batman natürlich wieder den Mangel an spielerischer Tiefe beklagen können, da sich die Gameplay-Mechanik trotz größerer Vielfalt schnell wiederholt und außer einfachen Kombinationsrätseln und typischen Quicktime-Reaktionstest wenig zu bieten hat.

Was die erste Staffel Batman nun besonders positiv erscheinen lässt, ist zum einen die schon angedeutete Ausweitung der Gameplay-Features. Offenkundig haben sich die Entwickler die konstant geäußerte Kritik an der Verengung auf ihr spielerisch simples Dialogsystem ohne weitere echte Spielfeatures zu Herzen genommen. Zwar liegt der Fokus immer noch auf der Story, doch Batman nimmt beispielsweise (analog zur besagten Arkham-Reihe) neben der Action auch das detektivische Potenzial des Dunklen Ritters sehr ernst und bietet daher mehrfach Sequenzen an, in denen wir etwa Tatorte nach Hinweisen absuchen und diese zu einer Kausalkette des Geschehens verknüpfen oder vor der Erstürmung eines von Gegnern besetzten Areals erstmal unsere Optionen für einen reibungslosen Überfall testen müssen. Auch die Gefechte selbst laufen einen Tick dynamischer ab, obgleich die Mechanik kurioserweise manche Eingaben nach wie vor nicht über ein entsprechendes Feedback verwertet und wir uns daher in einigen Situation sogar mehrfach bei der Eingabe verdrücken dürfen, ohne ein Game Over befürchten zu müssen. Eine kleine Eigenheit, um den Storyfluss wohl nie allzu sehr ins Stocken geraten zu lassen. Am Ende der Episoden darf dann wie gewohnt mit anderen Spielern verglichen werden, welche Kernentscheidungen prozentual vom Rest der Community getroffen wurden. Überzeugte Gamer werden dabei - wie immer - nur die Nase rümpfen, wobei diese Klientel zugegebenermaßen auch in Zukunft nie der Hauptadressat der Telltale-Adventures sein dürfte. 

Die zweite und erwartungsgemäß noch höher zu bewertende Stärke von Batman liegt im Skript, die - anders als viele andere Batman-Abenteuer speziell im Game-Bereich -, auch Bruce Wayne als Charakter ins Zentrum der Handlung rückt und ihr auch abseits seines nur allzu bekannten Kindheitstraumas viele Facetten abzuringen versteht. Wir begleiten Bruce bereits ab der ersten Episode dabei, wie er seinen (Noch-)Freund Harvey Dent bei dessen Kampagne für das Amt des Bürgermeisters unterstützt und sich ziemlich schnell mit einer traurigen Wahrheit konfrontiert sieht, als er herausfinden muss, dass das strahlende Image seiner Eltern als Gothams Gönner auf schmutzigen Geschäften inklusive niederträchtigen Seilschaften mt der lokalen Unterwelt aufgebaut wurde. So gerät Bruce Wayne als Erbe des Wayne-Vermögens ins Visier der Presse und setzt im Verbund mit seinem Alter Ego alles daran, die Wahrheit über seine Familie ans Licht zu bringen und dieses düstere Kapitel aufzuarbeiten. Gleichzeitig türmen sich mit seinem intriganten Jugenfreund Oswald Cobblepot (Pinguin), dem zunehmend paranoiden Harvey, der undurchsichtigen Selina Kyle (Catwoman) und vor allem der Terrororganisation The Children of Arkham eine ganze Reihe an Problemen vor unserem spielbaren Protagonisten auf, die eben nicht nur Batman, sondern ebenso Bruce Wayne in Aktion treten lassen müssen.

Gleich mehrfach stellt uns das Game daher konsequnt vor die Wahl, ob wir eine Sequenz lieber in der einen oder anderen Persona angehen wollen und damit auf bestimmte Eigenschaften des jeweils Anderen logischerweise verzichten müssen. Da sich die Autoren speziell bei Figuren wie Butler Alfred, Catwoman oder Reporterin Vicki Vale besonders Mühe gegeben haben, eine mehrfach überraschende und psychologisch ambivalent aufgebaute Plotstruktur aufzubauen, motiviert die fünf Episoden sogar mehr als manch andere Telltale-Serien dazu, sich in die Episoden zu stürzen und legt gleichzeitig mithilfe der betont unabgeschlossenen Figurenkonflikte auch längerfristig betrachtet eine ansprechende Basis für weitere Staffeln. 

Fazit

Unterm Strich bleibt ein Point-and-Click-Adventure, das seine Vorlage stimmig ausschöpft, ohne sich zu sehr allein auf Batman als Heldenfigur zu konzentrieren und damit Gefahr laufen würde, das narrative Potenzial des weiteren Figurenpersonals letztlich unnötig zu verschenken (wie es die durchwachsene TV-Serie Gotham stellenweise vorführt). Wer mit den Telltale-Games bisher nicht ganz warm wurde, jedoch grundsätzlich offen für dieses Genre ist, sollte der Staffel definitiv eine Chance geben, da hier eben deutlich mehr Spiel steckt und die Dramaturgie jederzeit funktioniert. Alle Fans des Dark Knight sollten ohnehin selbst ohne intensivere Gameaffinität unbedingt zugreifen, zumal die gesamte Staffel schon jetzt via Season Pass recht günstig zu haben ist (zum Beispiel hier bei Steam). Schließlich besteht die große Stärke aller Telltales gerade darin, selbst Nicht-Gamern einen ludisch leicht bekömmlichen Zugang zu gewähren und speziell Storyfans mit einer dichten Dramaturgie ohne größere Längen oder Lücken zu begeistern. Dass Batman aber trotz einiger spielmechanischer Automatismen mit seiner Storyentwicklung vor allem glaubhaft belegen kann, nicht eine bessere Digital Grafic Novel zu sein, erhebt diese Staffel zu einem hoffentlich wegweisenden Start in noch bessere Telltale-Zeiten.

Batman: The Telltale Series • Telltale Games • Point-and-Click-Adventure

Abb. © Telltale Games

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