25. Juli 2017 3 Likes

Drogen, Drohnen & Demos

Zoë Becks neuer Krimi „Die Lieferantin“ blickt in die Zukunft

Lesezeit: 3 min.

Zoë Beck, die in Deutschland und England Literatur studierte und in Schottland gelebt hat, arbeitet nicht nur als Romanübersetzerin, als Verlegerin von CulturBooks und als Redakteurin, Dialogbuchautorin und Synchronregisseurin für Film und Fernsehen. Darüber hinaus gehört sie zu den bekanntesten Krimi-Schriftstellern Deutschlands, die für ihr in neun Sprachen übersetztes Schaffen bereits mit mehreren Preisen ausgezeichnet wurde, noch mehr Nominierungen erhielt und es bis auf die KrimiZEIT-Bestenliste schaffe. Ihren neuesten Roman „Die Lieferantin“, der soeben von Krimi-Experte Thomas Wörtche im Suhrkamp Verlag herausgegeben wurde, hat die 1975 geborene Beck in einem aufgeheizten London der nicht allzu fernen Zukunft angesiedelt, in dem die harten Drogen per Onlineshop im Darknet bestellt und per Drohne geliefert werden und die allgegenwärtige rechte und linke Gewalt sowie die rechtskonservative Politik ein fieses Pulverfass ergeben.

Nach dem vollzogenen Brexit, also dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union, geht das Land als nächstes den viel diskutierten Druxit an – bald wird darüber abgestimmt, ob die Gesetze gegen Drogen in England verschärft oder die betäubenden Substanzen legalisiert werden sollen. Die Demonstrationen deshalb sind genauso heftig wie der öffentlich ausgelebte, pseudopatriotisch motivierte Fremdenhass und die hemmungslosen Attacken auf arglose Menschen, die eine andere Hautfarbe oder eine andere politische Gesinnung haben. In diesem üblen Klima betreibt Ellie Johnson einen Drogenlieferservice über das Darknet und lässt ihre zufriedenen Kunden mit High-End-Drohnen beliefern. Ellies Einnahmen aus dem illegalen Internet-Geschäft fließen kurioserweise direkt in die Kampagne, die gegen den Drexit ist, da Ellie sich wünscht, dass mit Drogen und Drogensüchtigen künftig richtig umgegangen wird – und das geht in ihren Augen nicht, wenn man die Betroffenen weiter ins Abseits und die Dunkelheit drängt. Allerdings hat Ellie noch ganz andere Sorgen als den Zoff um den Drexit, da eine alteingesessene Gangster-Familie der Londoner Unterwelt die neue Konkurrentin ins Visier nimmt …

Zoë Beck legt mit „Die Lieferantin“ einen gut konstruierten, coolen Gangster-Krimi vor. Zugleich hat sie mit dem flott zu lesenden Buch einen äußerst politischen und aktuellen Roman geschrieben, der die brisante Gegenwart von Deutschland, England, Europa und dem Rest der Welt anhand eines möglichen Großbritanniens von Morgen betrachtet. Die etwas wackelige Prämisse mit dem Drexit und seiner Alternative muss man, damit die Geschichte und ihre Deutungsebenen funktionieren, einfach von Anfang an schlucken. Dafür wird Beck sowohl dem Krimi-Genre, als auch dem Science-Fiction-Sujet jederzeit gerecht und beweist einmal mehr, dass die klassische Kombination aus Krimi und SF einfach gut funktioniert und bestens geeignet ist, um einen unterhaltsamen und obendrein relevanten Roman zu schreiben, der sich in seiner Zukunftsvision kritisch auf die Gegenwart bezieht.

Becks Near-Future-Krimi über Drogen, Dealer, Drohnen, politische Extreme und den nicht von der Hand zu weisenden gesellschaftlichen Wandel, der sich derzeit vor unseren Augen vollzieht, ist ein Titel, der in der Buchhandlung vermutlich nicht im Science-Fiction-Regal stehen wird, was allen Beteiligten auf Verlagsseite wohl nur Recht sein dürfte – trotzdem sollte man durchaus mal an „Die Lieferantin“ denken, wenn es demnächst wieder um die Nominierungen für den Kurd-Laßwitz-Preis oder den Deutschen-Science-Fiction-Preis geht.

Zoë Beck: Die Lieferantin • Suhrkamp, Berlin 2017 • 324 Seiten • Paperback m. Klappenbroschur: 14,95 Euro

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