7. Juni 2015 2 Likes

Ein höllischer Roadtrip durch Großbritannien

Das Postapokalypse-Debüt „Barrikaden“ von Jon Wallace

Lesezeit: 3 min.

Ein Land Rover Defender gehört zu den robustesten Fahrzeugen, die man heutzutage für einen halbwegs moderaten Preis kaufen kann. Man kommt damit überall hin, ganz egal ob auf geteerten Straßen oder durch unwegsames Gelände. Angeblich war in 60% aller Fälle ein Land Rover das erste Auto, das frisch entdeckte Stämme jemals zu Gesicht bekommen haben, und vermutlich sind 70 % aller Land Rover, die je gebaut wurden, nach wie vor in Gebrauch. Wenn also etwas außer den Kakerlaken die Apokalypse überlebt, dann ein Defender. Wie gut, dass der Taxifahrer Kenstibec, der Androiden-Protagonist in Jon Wallaces Debütroman „Barrikaden“ (im Shop) genau einen solchen für seinen nächsten Auftrag erhält. Er soll die Journalistin Starvie, wie er ebenfalls ein Androide, einmal quer durchs Land fahren, von Edinburgh nach London, was in der Welt, in der Kenstibec lebt, alles andere als einfach ist. Nach dem Atomkrieg stellten sich die Fiziellen, die künstlichen Menschen, gegen die aus Fleisch und Blut. Jetzt leben die Androiden in den Städten hinter Barrikaden, während ihre Erfinder in jämmerlichen Verhältnissen auf dem Land leben, Wind, Wetter, Hunger und Strahlung nahezu schutzlos ausgeliefert. Es gibt keine richtigen Gemeinschaften mehr, die Siedlungen sind voneinander abgeschnitten, und die Fiziellen sorgen dafür, dass es auch weiter so bleibt. Immer wieder greifen Menschen die gut befestigten Städte an, immer wieder werden sie von den gut organisierten Androiden zurückgeworfen. Es ist schon längst klar, wer diesen Kampf gewonnen hat. Oder?

Dieses „Oder?“ wird Kenstibec, Starvie und Fatty, einem verstrahlten Menschen, den die Reisegruppe mit fragwürdigen, aber effektiven Methoden als Führer angeheuert hat, zum Verhängnis. Auf ihrer Reise durch das verwüstete Land stolpern sie immer wieder über Hinweise darauf, dass beide Seiten, Menschen wie Fizielle, irgendetwas vorhaben, das potenziell das Ende für die eine oder die andere Gruppe bedeuten könnte. Zusammen mit dem unerschrockenen Taxifahrer, der sein Dasein als Bauarbeiter begonnen hat und deswegen über einige erstaunliche körperliche Fähigkeiten verfügt, setzt man als Leser langsam die einzelnen Stücke des Puzzles zusammen, und kleine Details, die man vor 100 Seiten beinahe überlesen hätte, werden plötzlich wieder wichtig – so mag ich das! Dazu kommt das komplette Set postapokalyptischer Bilder, die man bei so einem Roman erwartet, verwüstete Städte, radioaktive Mutanten, brennendes Land und jede Menge gnadenloser Figuren. Dabei wir die Grenze zwischen dem Menschlichen und dem Künstlichen immer weiter verwischt, sodass am Ende nicht einmal Kenstibec selbst noch genau sagen kann, auf wessen Seite er eigentlich steht.

„Selten hat jemand die Welt mit so viel Begeisterung in Schutt und Asche gelegt“, schreibt Sci-Fi Now über „Barrikaden“ (im Shop). Stimmt. „Barrikaden“ steckt voller Überraschungen, folgt einem sich windenden roten Faden, der mal mehr, mal weniger deutlich zu sehen ist, zu dem man am Ende aber immer wieder zurückgeführt wird. Richtige Verschnaufpausen bekommen dabei weder Leser noch Protagonisten, und wenn doch mal für wenige Seiten Ruhe einkehrt, ist man meistens damit beschäftigt, über das Rätsel nachzudenken, das der Roman einem aufgibt. „Barrikaden“ ist ein solider Debütroman, und ich denke, dass man von Jon Wallace, der seine Karriere als Kurzgeschichtenautor begann, noch einiges hören wird. Schade nur, dass Land Rover die Produktion des Defenders Ende dieses Jahres einstellen wird.

Jon Wallace: Barrikaden ∙ Roman ∙ Aus dem Englischen von Robert Brack ∙ Wilhelm Heyne Verlag, München 2015 ∙ 400 Seiten ∙ € 8,99 (im Shop)

Kommentare

Zum Verfassen von Kommentaren bitte Anmelden oder Registrieren.
Sie benötigen einen Webbrowser mit aktiviertem JavaScript um alle Features dieser Seite nutzen zu können.