30. Juli 2015 4 Likes

Mörder in einer fremden Welt

In seinem Roman „Overworld“ vermischt Matthew Stover virtuelle Realität und finstere Fantasy

Lesezeit: 3 min.

John Scalzi (im Shop) ist der wohl bekannteste Fan der „Acts of Caine“-Roman-Serie von Matthew Stover (im Shop), den man hierzulande bisher primär für seine „Star Wars“-Romane kannte. Das sagt Scalzi, der Bestseller-Autor von „Redshirts“ und „Das Syndrom“, über Stovers Caine-Romane zwischen Science-Fiction und Fantasy:

„Wer ein Fan von brutaler und blutiger, aber auch smarter Fantasy von Autoren wie Joe Abercrombie und Richard Morgan ist, der schuldet es sich selbst, die ganze Caine-Serie auszuchecken. Ich bezweifle wirklich, dass ihr enttäuscht sein werdet, und wenn doch, nun, dann weiß ich nicht, was ich machen soll, außer mich vielleicht wundern, ob mit eurem Hirn etwas nicht stimmt auf eine sehr einzigartige und verstörende Weise. Doch ich bin bereit, darauf zu wetten, dass eurer Hirn in Ordnung ist und ihr dieses Zeug verschlingen werdet.“

Da Ende Juli der erste Roman der „Acts of Caine“-Serie des 1962 geborenen Stover in der Übersetzung von Helena Tamis bei Festa erschienen ist, hat man als deutschsprachiger Leser jetzt die Möglichkeit, Scalzis Empfehlung und den eigenen Hirn-Status zu überprüfen …

„Overvorld“ stellt dem Leser Hari Michaelson vor. In der nahen Zukunft der Erde, wo die Menschen in monetär gestaffelten Kasten organisiert sind, die Autos weitgehend selbstständig schweben und Unterhaltung in Form äußerst realer Virtual-Reality-Erfahrungen offeriert wird, ist Hari als Caine ein echter Superstar des von mächtigen Studios organisierten Entertainments. Als finsterer Meuchelmörder Caine reist Hari regelmäßig nach Overworld, eine Low-Tech-Erde in einem Paralleluniversum, wo es Magie, Elfen, Zwerge, Oger und Trolle gibt. Zur Unterhaltung der Menschen in der Heimatwelt erleben Hari und andere Akteure gefährliche Abenteuer in Overworld. Auf der Erde können die Reichen der Reichen das live per Virtual Reality miterleben, alle anderen zumindest eine Aufzeichnung durchleben und dasselbe sehen, fühlen, riechen und schmecken wie die Akteure in der rauen Fantasy-Parallelwelt.

Haris neueste Caine-Queste in Overworld ist selbst für seine Verhältnisse als Top-Akteur besonders dramatisch – und entsprechend lukrativ für sein Studio: Denn als er diesmal in die Fantasy-Welt transferiert wird, muss er für die Entscheider auf der Erde den machtvollen ankhanischen Imperator töten – und nebenbei seine Real-Life-Frau Shanna alias Pallas Ril retten, die nach der Lektüre von zu viel Heinlein einer Untergrundbewegung auf Overworld half und dort gefangen genommen wurde. Was ziemlich schlecht und bedrohlich ist, da die Akteure aus technischer Sicht aufgrund von Frequenzen und Schwingungen von der Erde nach Overworld gelangen und die Zeit der Amplitudenkompatibilität begrenzt ist. Wenn Caine seine große Liebe also nicht rechtzeitig rettet, sieht es schlecht aus für sie…

Drohnen und Drecksäcke in der einen Welt, fantastische Wesen, Magie und Gewalt in der anderen: Matthew Stovers harte Antihelden-Sword-and-Sorcery-Fantasy, die der Amerikaner in ein Near-Future-Science-Fiction-Setting eingebettet hat, ist nichts für Genre-Puristen, so viel ist klar. Und vielleicht ist die Frage nach Fleisch oder Fisch angebracht. Der Gedanke, wie sich Online-Games, Reality-TV-Formate und die Techniken der Virtuellen Realität gemeinsam entwickeln könnten, ist allerdings recht gefällig – das war 1998 cool und ist heute noch immer nicht antiquiert. Im Gegenteil. Und durch die Fantasy-Story innerhalb der SF-Geschichte kommt Mr. Stovers „Acts of Caine“-Serie allemal als ungewöhnlicher Mix daher. Möglich, dass Stover mit einem reinen Science-Fiction-Roman und einer getrennten, reinen Fantasy-Serie um Caine besser gefahren wäre – möglich, dass er dann jeweils bloß einfach einer unter vielen gewesen wäre.

Ob einem die Vermischung – dieses Zusammenschweißen von solider Cyberspace-Science-Fiction und finsterer, brutaler Antihelden-Fantasy – gefällt oder nicht, ist am Ende wirklich ‚pure’ Geschmackssache.

Matthew Stover: Acts of Caine 1: Overworld • Festa, Leipzig 2015 • 480 Seiten • € 13,95

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