22. Mai 2012

Niedliche Pelzwesen

„Der wilde Planet“ von John Scalzi

Lesezeit: 3 min.

Die gute Nachricht zuerst: Auch bei diesem Scalzi-Buch hat das Cover-Motiv mit seinem aus allen Rohren feuernden Raumschiff nicht das Geringste mit dem Inhalt zu tun. Danach die Information für die »Generation Cover-Version« bzw. die »Copy-Paste-Zivilisation«: John Scalzi hat sich einen alten und – zumindest in Deutschland – wenig bekannten SF-Roman von 1962 vorgenommen und in seinem eigenen Stil neu erzählt. Es handelt sich um »Little Fuzzy« von H. Beam Piper, auf Deutsch unter den Titeln »Der kleine Fuzzy« und »Was ist los auf Planet Zeno?« erschienen. Und nein, man muss das Vorbild nicht kennen, um an Scalzis Hommage seinen Spaß zu haben.

Die Handlung von »Der wilde Planet« (im Shop ansehen) ist schnell umrissen: Als freier Mitarbeiter eines interstellaren Bergbaukonzerns entdeckt der Prospektor und Ex-Anwalt Jack Holloway auf dem Planeten Zara XXIII ein ergiebiges Vorkommen überaus wertvoller Sonnensteine, was ihn für den Rest seines Lebens zu einem sehr reichen Mann machen könnte. Wenn da nicht die Tatsache wäre, dass der Konzern gerne tote Felsen hinterlässt, wenn er mit einem Planeten fertig ist, und die Tatsache, dass Holloway den katzenähnlichen Fuzzys begegnet, die in ihm den Gedanken aufkeimen lassen, sie könnten vernunftbegabt sein. In diesem Fall wären die Bergbaupläne nur mehr Makulatur, denn Planeten mit empfindungsfähigen Lebewesen dürfen nicht ausgebeutet werden.

Der Versuch des Konzerns, den aufmüpfigen Prospektor mitsamt den niedlichen Pelzwesen mittels eines tumben Handlangers auf einen Ruck loszuwerden, erweist sich als schwerer Fehler, denn damit hat er sich einen Feind geschaffen. Zum Leidwesen des Konzerns besitzt Holloway nicht nur ein ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden, sondern auch einen enormen Dickkopf und genug Schlitzohrigkeit für mehr als nur einen raffinierten Trick. Als es vor Gericht geht, dreht Scalzi wie schon in den »Androidenträumen« an der Comedy-Schraube, sodass sich der Roman teilweise wie eine auf Science Fiction gebürstete Folge von Boston Legal oder Picket Fences liest.

Und natürlich gibt es ein Happy End.

Das alles ist, wie von Scalzi nicht anders zu erwarten, flüssig geschrieben, ironisch-humorvoll und sehr retro, was die Science-Fiction-Elemente betrifft. Vielleicht ist es auch eine Hommage an die Vorlage und alle möglichen SF-Vorbilder, wenn das Hochfahren einer Gleiter-Software zwei Stunden dauert (grauenhafte Vorstellung: Weltraumfahrt mit Windows), der Anwalt den pelzigen Aliens zur Unterhaltung Die Rückkehr der Jedi-Ritter vorführt (wegen der Ewoks), Raptoren-Saurier mit Lautsprechern in Schach gehalten werden (das kenne ich aus irgendeiner uralten russischen SF-Erzählung) oder alle Geräte an Bord der Wohnplattform mit einer Art iPad-Nachfolger bedient werden.

Neben der erfrischenden Unbekümmertheit, mit der Scalzi hier den alten Stoff neu fabuliert, besticht in diesem Buch der ebenso naive wie unerschütterliche Glaube an den Sieg des Guten, der den Leser wie ein kleines, putziges Pelztier zurücklässt, das zum ersten Mal im Leben ein Räucherpute-Mayonnaise-Sandwich gegessen hat, glücklich und satt und völlig desinteressiert an der Frage, ob es noch andere und bessere Nahrungsmittel gibt. Natürlich gibt es die, aber warum ein gutes Sandwich zurückweisen?

John Scalzi: Der wilde Planet • Roman · Aus dem Amerikanischen von Bernhard Kempen · Wilhelm Heyne Verlag, München 2011 · 382 Seiten · € 7,99 (im Shop ansehen)

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