14. August 2015 3 Likes

Unter keinem guten Mond

Der Auftakt zu Atsushi Kanekos Manga-Trilogie „Wet Moon“

Lesezeit: 2 min.

Japan, nicht lange nach Kennedys Ermordung. Für den jungen Inspektor Sata läuft es nicht gut. Dabei hat er schon in jungen Jahren genug einstecken müssen, als seine Mutter ihn in einer Kino-Vorstellung von Georges Méliès’ Stummfilm „Die Reise zum Mond“ buchstäblich sitzen gelassen hat, da sie Sata und seinen Vater an diesem Tag verließ. Jetzt gerät Satas Leben erneut aus den Fugen, steht es wieder unter einem schlechten Stern beziehungsweise Mond. Während die USA und die Sowjetunion ihr Wettrüsten des Kalten Krieges bis ins All tragen, möchte auch Japan ins Rennen um die erste bemannte Mondlandung eingreifen. Die Mordserie in Tatsumi, die Sata und seine Kollegen bearbeiten und deren Opfer zerstückelt aufgefunden werden, führt in ein Ingenieurbüro, das dubiose technische Teile herstellt, die mit der Raumfahrt zu tun haben. Sata vermasselt es jedoch, und die Mörderin entkommt ihm – nicht nur einmal.

Zudem trägt Sata eine schwere Verletzung davon. Ein Metallsplitter steckt in seinem Gehirn und wandert anscheinend weiter, weshalb der Ermittler Erinnerungslücken, Aussetzer und Halluzinationen hat und in Wahrheit gar nicht mehr arbeiten dürfte. Da er aber um jeden Preis die schöne Verdächtige finden möchte, verschweigt er seine Dienstunfähigkeit und druckt zuhause sogar in Eigenregie Fahndungsplakate, die er überall verteilt. Das alles macht ihn zu einem leichten Opfer für die Intrigen seiner korrupten Kollegen, die ihm die dunkle Seite ihres Jobs zeigen und ihn in ihre kriminellen Machenschaften involvieren. Sata hat dennoch lediglich ein Ziel – die Frau schnappen, die für ihn zur Obsession geworden ist, und herausfinden, was wirklich mit ihm passierte …

Der 1966 geborene Atsushi Kaneko gilt als Manga-Rebell und wollte eigentlich seinem großen Vorbild Stanley Kubrick folgen und Filmemacher werden. Seit Jahren setzt er seine Geschichten allerdings als Mangaka in Schrift und Bild um. Der Auftakt zu seiner Trilogie „Wet Moon“, die im Original in serialisierter Form im Monats-Magazin „Comic Beam“ abgedruckt wird, ist ein eigenwilliger, interessanter Hardboiled-Krimi im Umfeld des Wettlaufs zum Mond in den 60ern und wurde 2014 mit dem französischen Kritikerpreis Prix Asie ABCD ausgezeichnet. Letztlich bestätigt schon der erste Band, der als schöne Klappenbroschur auf Deutsch vorliegt und noch ein Interview mit dem Künstler enthält, viele der Vergleiche, die gerne auf Kaneko angewandt werden: mit amerikanischen Independent-Comic-Schaffenden wie Charles Burns oder Paul Pope, und mit Regisseur David Lynch. Die rauschartigen, verwirrten, paranoiden Sequenzen in „Wet Moon“ lassen sogar Parallelen zu Philip K. Dick zu.

Selbst wenn die Story nicht immer ganz zu durchschauen ist, springt der Funke schnell über – Kanekos Geschichte ist eine gelungene Hardboiled-Hommage in überzeugenden Schwarzweiß-Bildern, die den Film Noir und die neunte Kunst genauso verbinden wie die amerikanischen und asiatischen Comic-Sphären.

Mal sehen, wohin das Ganze im zweiten Band führt, der Anfang Dezember auf Deutsch folgt.

Atsushi Kaneko: Wet Moon Bd. 1 • Carlsen, Hamburg 2015 • 274 Seiten • € 19,90

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