15. Dezember 2015 4 Likes

Von Robotern und Schrottern

Jeff Lemires und Dustin Nguyens neuer SF-Comic „Descender“ auf Deutsch

Lesezeit: 3 min.

Irgendwann in der fernen Zukunft. Menschen und Aliens koexistieren im Weltraum, und Roboter gehören überall zum Leben und zum Alltag. Auf einmal tauchen im Orbit der neun Kernwelten des Megakosmos, deren Völker das United Galactic Council stellen, neun Harvester-Roboter auf, die so groß sind wie Götter – und schließlich angreifen. Die Infrastruktur sowie die organischen Bewohner der Planeten werden schwer getroffen, die meisten Roboter verschont. Die Reaktion auf die heftigen Attacken und gewaltigen Verluste? Nach Verschwinden der mysteriösen Harvester, die so plötzlich abziehen, wie sie eingetroffen sind, fegt eine Welle inbrünstigen Roboter-Hasses durchs Universum. Überall in der Galaxie werden Roboter jeder Art und Funktion unerbittlich gejagt, geschrottet und eingeschmolzen. Zehn Jahre nach diesen Ereignissen und diesem etwas anderen Aufstand der Maschinen erwacht der junge Spielgefährten-Androide TIM-21 auf einer toten Bergbaukolonie und wird nicht allein von Schrotter-Kopfgeldjägern gejagt. Denn TIM-21 hat angeblich eine Verbindung zu den Harvestern, die helfen könnte, deren verheerenden Angriff zu erklären und zu verstehen …

Der kanadische Comic-Allrounder Jeff Lemire hat so gut wie alles im Panel-Portfolio: Als Autor und Zeichner schuf er beeindruckende Graphic Novels wie „Essex County“ oder „The Underwater Welder“, aber auch reinrassige SF-Comics wie „Sweet Tooth“ und „Trillium“ bei Vertigo. Im Superhelden-Bereich lieferte er als Autor für DC exzellentes Material wie „Superboy“ oder „Animal Man“ ab, inzwischen jedoch auch einige eher mäßige Arbeiten. Aktuell textet Lemire für Marvel „Hawkeye“, „Moon Knight“ und „The Extraordinary X-Men“. Für die eigenständige Science-Fiction-Comic-Serie „Descender“ hat der Kanadier sich nun außerdem mit dem amerikanischen Zeichner Dustin Nguyen zusammengetan, der in der Vergangenheit reichlich „Batman“ sowie einen Band von „American Vampire“ gezeichnet hat und in den letzten Jahren hauptsächlich mit dem charmanten „Li’l Gotham“ um die Mini-Versionen der Bewohner Gotham Citys Erfolge feierte.

Dass ausgerechnet Lemire und Nguyen, die vorher noch nie zusammengearbeitet haben, für den Image Verlag eine weitere starke SF-Serie als Teil der dortigen Offensive von Science-Fiction-Stoffen starten würden, war nicht unbedingt absehbar. Umso besser funktioniert ihre Zusammenarbeit, wie die Lektüre des ersten deutschen „Descender“-Bandes „Sterne aus Blech“ beweist, der weihnachtswunschlistengerecht just von Splitter veröffentlicht wurde und die ersten sechs US-Heftausgaben in der Übersetzung von Kollege Kronsbein in ein hübsches Hardcover packt, das sogar etwas größer ist als der US-Sammelband.

Lemire legt in „Sterne aus Blech“ den Grundstein für eine gelungene SF-Geschichte über Roboter, Menschen und Menschlichkeit – und scheut nicht mal vor dem Wort ‚Robocaust’ zurück. Das wahre Highlight dieser Image-SF-Serie, die zunächst allerdings noch nicht ganz mit den Favoriten „Low“, „Lazarus“, „Trees“, „Black Science“ und „Saga“ mithalten kann, ist freilich Nguyens Artwork. Irgendwo zwischen minimalistisch-effizienten Skizzen und stimmungsvollen Aquarellen, hat „Descender“ von der ersten Seite an einen eigenen Look, der sich unabhängig von der Handlung zudem niemals den Geschehen unterwirft.

Doch natürlich hat Lemires Story, selbst wenn sie noch etwas Zeit braucht und angesichts der abzusehenden Entwicklungen im zweiten Band sicher noch mal eine Schippe drauflegen dürfte, schon jetzt die richtigen Voraussetzungen, Ansätze, Figuren und Momente – nicht umsonst waren die Filmrechte an „Descender“ verkauft, bevor in den Staaten überhaupt nur das erste Heft der Serie erschienen ist.

Eine Leseprobe gibt es hier.

Jeff Lemire, Dustin Nguyen: Decender Bd. 1: Sterne aus Blech • Splitter, Bielefeld 2015 • 144 Seiten • 22,80 Euro

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