28. August 2017 1 Likes

Wunderschönes Monster

Frisch mit dem Hugo ausgezeichnet: Der fantastische, vielfältige Comic „Monstress“

Lesezeit: 3 min.

Für ihren Comic „Monstress“, dessen Sammelbände auf Deutsch bei Cross Cult erfreulich zeitnah zu den US-Tradepaperbacks erscheinen, haben Autorin Marjorie Liu und Zeichnerin Sana Takeda gerade einen Hugo Award erhalten, nachdem sich Kritiker und Kollegen wie etwa Neil Gaiman schon seit Erscheinen des ersten US-Heftes im November 2015 mit Lob für die Ausnahmeserie überschlagen. Kein Wunder: „Monstress“ verbindet Science-Fiction, Horror und verschiedene Spielarten der Fantasy auf beeindruckende Art und Weise und präsentiert dabei in grandiosen Bildern eine spannende Story über vielfältige Charaktere in einem wahnsinnig üppigen Weltenentwurf.

In der Welt von „Monstress“ leben Menschen neben Dämonen, magischen Tierwesen und den unvermeidlichen Hybriden, während Segelschiffe in den Häfen liegen, Luftschiffe über die Landschaft fliegen und sklavenjagende Hexen ebenso gefährlich sind wie fanatische Soldaten. Nach einem schrecklichen Krieg herrschen an einigen Orten Sklaverei und Rassismus vor, die vor allem diejenigen hart treffen, die menschliches und nichtmenschliches Blut in sich vereinen. Wie Protagonistin Maika Halbwolf, die im ersten Band von „Monstress“ nicht nur gegen diejenigen kämpft, die sie einsperren und ihre arkane Essenz rauben wollen, sondern auch gegen den lovecraftmäßigen kosmischen Gott, mit dem sie verbunden ist und wegen dem sie noch eifriger verfolgt wird. Seine Wünsche, seine Skrupellosigkeit und sein Hunger sind für Maika und ihr Umfeld mindestens so gefährlich wie die vielen Parteien, die ihr aus den menschlichen und arkanen Reichen nachstellen – denn Maika kann nicht kontrollieren, wann der finstere Gott in ihrem Inneren die Kontrolle übernimmt, seine Tentakel aus ihrem Armstumpf wachsen lässt, ihren Körper steuert und sich einverleibt, was er will. Gelegentlich profitiert Maika von der todbringenden Macht und Stärke, doch hat das immer einen fürchterlichen Preis. Nach den grundlegenden Einführungen und Erkenntnissen im Auftaktband „Das Erwachen“ unternehmen die taffe Maika, das bedingungslos treue Fuchsmädchen Kippa und der treulose Katzen-Nekromant Ren im just herausgekommenen zweiten Band „Das Blut“ eine gefährliche Seereise zu einer verrufenen Insel im Nebel verlorener Seelen, die aus den Gebeinen eines anderen Gottes besteht und auf der Maika Antworten über ihre Mutter und ihr eigenes Schicksal zu finden hofft …

Die 1979 in Philadelphia geborene, in Seattle aufgewachsene Marjorie Liu schrieb bereits mehrere düster-romantische Genre-Romane, aber auch Comics wie „Dark Wolverine“ oder „Astonishing X-Men“. Außerdem half sie dabei, die Anfänge von Wolverines jungem weiblichen Klon Laura Kinney alias X-23 zu prägen, die dank des Films „Logan“ einen Quantensprung in Sachen Bekanntheit machte und in Marvels schwer unterhaltsamen „Wolverine“-Comics von Autor Tom Taylor momentan sogar die Hauptrolle spielt. Sana Takeda indes lebt und arbeitet in Tokio und bebilderte für den US-Markt in den letzten Jahren diverse Panel-Geschichten aus Michael Turners Aspen-Universum, wohingegen sie im Marvel-Kosmos einige Storys um Ms. Marvel und um X-23 inszenierte, letztere die erste Zusammenarbeit von Takeda und Liu. Wo diese in „Monstress“ mit ihrem ambitionierten, gehaltvollen Worldbuilding, ihrem Ideenreichtum zwischen epischer Fantasy, cooler Tierfantasy und kernigem Steampunk sowie ihren schattenreichen Charakteren überzeugt, hauen einen Takedas aufwendige Zeichnungen und Farben förmlich um, und das im Endeffekt Seite für Seite. Am präzisesten lässt sich ihr für niedliche Tier-Figuren und finstere Alien-Gottheiten gleichermaßen geeigneter Ansatz als Jugendstil-Manga beschreiben, am einfachsten als atemberaubend schön. „Monstress“, das nicht zuletzt für die oft zitierte Diversity in der Fantastik und dem Comic steht, brilliert dank Takedas weichen Strichs und ihrer während des digitalen Zeichnens ebenfalls am Rechner eingearbeiteten Farben als der aktuell am besten aussehende Comic auf dem Markt. Was ihm allerdings abgeht, das ist die erzählerische Leichtigkeit, wie sie z. B. Brian K. Vaughans und Cliff Chiangs derzeitiges Meisterwerk „Paper Girls“ ins Feld führt. „Monstress“ muss man sich erarbeiten, und hin und wieder kommt man trotz allem Einsatzes und aller aufgebrachter Zeit mit einem Ehrentitel oder einer Figurenbeziehung durcheinander.

Natürlich ist „Monstress“ die zu investierende Zeit und Mühe allemal wert. In den Tiefen dieses Biests  – dieses Monsters – von einer reichhaltigen Welt, die Liu und Takeda da erschaffen haben und mit jedem prächtig visualisierten Kapitel immer weiter ausbauen, warten noch viele Abenteuer, die man sich als Fan besonderer Comics und außergewöhnlicher fantastischer Geschichten auf keinen Fall entgehen lassen darf.

Marjorie Liu/Sana Takeda: Monstress Bd. 1:  Das Erwachen • Cross Cult, Ludwigsburg 2016 • 192 Seiten • Paperback: 16,80 Euro

Marjorie Liu/Sana Takeda: Monstress Bd. 2:  Das Blut • Cross Cult, Ludwigsburg 2017 • 144 Seiten • Paperback: 15,00 Euro

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