13. Januar 2013

Apokalypse pur

„The Divide“ erzählt den Weltuntergang

Lesezeit: 3 min.

Xavier Gens gehört zu jenen französischen Filmemachern, die auf der Welle der Torture Porn-Filme mitritten und eindrucksvoll zeigten, dass der gallische Hahn in Sachen schierer Boshaftigkeit dem amerikanischen Adler weit überlegen war. Der Sadismus von Roth & Co war nämlich immer auch augenzwinkernd und mitunter sogar albern, was sicher auch dem avisierten Zielpublikum der um die 18-jährigen geschuldet war. Die französische Truppe um Aja hingegen war an einem weit finstereren Ort unterwegs, ein Ort, an dem für Ironie kein Platz mehr war. Sicherlich kopierten sie ein Stückweit nur den Backwoods-Terror, der seit Texas Chainsaw Massacre eine kleine, wenig gesellschaftsfähige Nische des Genres für sich beansprucht, aber sie gingen mit einer Verve vor, die Respekt abnötigte. Und mindestens ein Film aus dieser Ecke, Pascal Laugiers ziemlich unfassbarer Martyrs, ist schlicht ein Meisterwerk.

Gens’ eigener Frontiers war dagegen schlicht, aber handwerklich so überaus vorzeigbar, das er gleich anschließend für Hollywood die Videospieladaption Hitman machen durfte – wahrlich kein Meilenstein, aber solides Actionkino. Sein dritter Film nun, The Divide, ist in mancher Hinsicht ein Schritt zurück, aber ein enorm guter.

Für die Apokalypse braucht er keine zwei Minuten, dann sind eine Handvoll Menschen in einem Keller unter irgendeinem Wolkenkratzer in New York eingeschlossen. Den Atompilz sah man nur aus dem Augenwinkel, und was eigentlich passiert ist, erfahren wir nie. Unter ihnen ist der Hausmeister Mickey (Biehn), der von der ersten Sekunde an den Macho raushängen lässt, zähnefletschend, Zigarre im Mundwinkel, Attitüde: »Ich bin eure letzte Chance, also hört gefälligst auf mich.« Anfangs lassen sich die Überlebenden das noch gefallen, vielleicht sind sie sogar dankbar, dass jemand ihnen sagt, was zu tun ist, aber schnell wächst das Misstrauen dem Möchtegernanführer gegenüber und schon nach kürzester Zeit probt man dem Aufstand.

Und dann beginnt ein Sturz in den Mahlstrom. Denn Gens geht es nicht um ein Katastrophenszenario à la Emmerich, in dem Menschen über sich hinauswachsen und dem Weltuntergang trotzen. Gens geht es um das Abblättern der zivilisatorischen Tünche. Lord of the Flies ist nie ganz fern, aber der Irrsinn, der dann ausbricht, macht einen doch leicht sprachlos. Der Verfall ist rapide, aber nicht bei allen gleich schnell, und wird optisch über erste Anzeichen der Strahlenkrankheit verdeutlicht. Das ist natürlich in jeder Hinsicht unsubtil und gerne auch mal extremer als nötig, aber um den Mainstream schert sich Gens kein Stück, allein dafür verdient er alle Sympathie. Irgendwann wird das Zuschauen wirklich unangenehm und die Momente, an denen manch ein Zuschauer aufstehen und das Kino verlassen dürfte, häufen sich.

Denn The Divide überschreitet die stillschweigend vereinbarte Grenze, die sich selbst Hostel u.ä. Filme gesetzt haben: Er verlässt die Region des reinen Eskapismus, des reinen Entertainments und macht Ernst. Es hat einen Grund, warum der Film buchstäblich in der Scheiße endet.

The Divide • D/USA/Can 2011 • Regie: Xavier Gens • Darsteller: Lauren German, Michael Biehn, Milo Ventimiglia, Rosanna Arquette

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