27. Februar 2017 4 Likes

Böse Nazis, gute Nazis

„The Man in the High Castle“ - Die 2. Staffel

Lesezeit: 3 min.

„The Man In The High Castle“ ist die erfolgreichste Serie bei Amazon Prime, und das ist aus mehreren Gründen erstaunlich. Zum einen spielt die Serie in einem düsteren Paralleluniversum, in dem die Achsenmächte den 2. Weltkrieg gewonnen haben, hat also mit der Lebenswirklichkeit ihrer Zuschauer wenig zu tun. Dann wird hier ein fast unüberschaubares Ensemble an Haupt- und Nebenfiguren präsentiert. Und spätestens ab dem Kliffhänger der ersten Staffel, bei dem der japanische Handelsminister Tagomi in unsere Realität gleitet, wird auch die Erzählstruktur immer undurchsichtiger: Es wird nicht nur munter zwischen den Paralleluniversen gesprungen, es gibt auch noch Rückblenden, die nicht auf den ersten Blick als solche gekennzeichnet sind. Und dann – und das ist vermutlich das größte Handicap – ist das Ganze in einer enervierend langsamen Geschwindigkeit erzählt.

Mit Philip K. Dicks Roman hat die Serie nur noch Motive gemeinsam, die Handlung hat sich längst von dem ohnehin dünnplotigen Buch gelöst. Wurde am Ende der ersten Staffel noch suggeriert, dass ausgerechnet Adolf Hitler der titelgebene „Man In The High Castle“ sei, so treffen wir jetzt den echten Hawthorne Abendsen (man beachte die Initialen), der aber – genau wie Hitler – einfach nur Filme aus anderen Realitäten sammelt. Handlungstechnisch spielen beide nur eine Nebenrolle.

Was „Man In The High Castle“ trotzdem so sehenswert macht? Das ist einerseits die fast schon perfide Chuzpe, mit der die Geschichte erzählt wird. Und dann ist der visuelle Stil der Serie, der in der zweiten Staffel noch einmal verstärkt wird, einfach unnachahmlich. Der von den Nazis besetzte Teil der USA ist deindustralisiert, alles ist rostig, schmuddelig, vom Untergang gezeichnet. An der japanisch besetzten Westküste dagegen scheint die Zeit still zu stehen, sie wirkt wie eine Sepia-Version der 50er Jahre. Dem gegenüber steht ausgerechnet das Nazi-Berlin des Jahres 1961, eine helle Stadt, durch dessen grünes Herz sich eine Magnetschwebebahn schlängelt; alles wird überragt von der riesigen Halle des Volkes aus Granit und weißem Marmor.

Hier spielen dann auch die gespentischsten Szenen dieser zweiten Staffel: Als SS-Obergruppenführer John Smith (Rufus Sewell) ein Komplott um Hitlers Nachfolge entlarvt hat, jubeln ihm hier 150.000 Menschen zu. Die Produzenten Ridley Scott und Frank Spotnitz zelebrieren diese Verstörung geradezu, denn da sich der Widerstand in dieser zweiten Staffel als ziemliche Arschlochveranstaltung entpuppt – wie die bisherige Helden Juliana Crain (Alexa Davalos) und Frank Frink (Rupert Evans) schmerzhaft erfahren müssen – wird der Zuschauer gezwungen, sich zwischen „guten“ und „bösen“ Nazis zu entscheiden. Währendessen stellt Minister Tagomi (Cary-Hiroyuki Tagawa) in unserer Realität fest, dass die Welt, in der die Alliierten den Krieg gewonnen haben, auch ihre Schattenseiten hat: Das Wettrüsten droht in einer nuklearen Apokalypse zu enden.

Eine dritte und abschließende Staffel ist für den Herbst 2017 angekündigt, dann allerdings ohne den bisherigen Showrunner Spotnitz. Man darf gespannt sein, ob die Geschichte dann zu einem Abschluss geführt wird.

„The Man in the High Castle“ ist auf Amazon Prime zu sehen.

The Man in the High Castle • Staffel 2 • USA 2017 • 10 Folgen • Showrunner: Frank Spotnitz • Darsteller: Luke Kleintank, Rufus Sewell, Alexa Davalos, Rupert Evans, DJ Qualls

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