26. September 2017

Der König ist tot, es lebe der König!

Matthew Vaughns „Kingsman: The Golden Circle“

Lesezeit: 4 min.

Es hinterlässt ein seltsam wohliges Gefühl, wenn ein gestandener Schauspieler wie Colin Firth „Verfickte Scheisse!“ schreit, während er sich im furiosen Kugelhagel in Sicherheit bringt. Es mag zwar nicht für Jedermann sein, aber ist das nicht eine der Eigenschaften, die damals John McClane bereits auszeichnete? Zu fluchen, wie es viele Menschen nun mal im echten Leben – und selten auf der Leinwand – tun.

Natürlich ist die Rede von Matthew Vaughns Agenten-Persiflage „Kingsman: The Golden Circle“. Der Nachfolger zur überaus erfolgreichen Comicverfilmung „Kingsman: The Secret Service“ (nach Autor Mark Millar, Kopf hinter Comics wie „Civil War“, „Old Man Logan“ und „Kick-Ass“) bedient sich diesmal keiner direkten Vorlage, sondern ist eine freie Fortsetzung zum Erstlingsfilm. Die Prämisse ist so simpel, wie verrückt: Der inzwischen gestandene Kingsman-Agent Eggsy (Taron Egerton) wird von einem ehemaligen Anwärter samt bionischem Arm angegriffen, der während einer atemberaubenden Verfolgungsjagd und Prügelei im Taxi die Kingsman-Database hackt und alle Agenten bis auf Eggsy und Merlin (Mark Strong) auf einen Schlag erledigt. Eggsy und Merlin stehen vor den Trümmern ihrer Existenz und finden eine uralte Verbindung der Kingsmen in die USA – zu dem amerikanischen Pendant, der Statesman-Agentur, die ihnen helfen soll, die Drahtzieherin hinter dem Angriff zur Strecke zu bringen, der schrägen Miss Poppy (Julianne Moore). Dort angekommen finden sie nicht nur diverse Statesman-Agenten vor, sondern auch den totgeglaubten Galahad (Colin Firth) und die Jagd beginnt.

„Kingsman: The Golden Circle“ legt von der ersten Sekunde brachial los und besagte Prämisse ereignet sich bereits in den ersten 20 Minuten des beinahe zweieinhalb-stündigen Films. Der Rest ist gefüllt mit schwindelerregender Action, vielen herrlich-derben Witzen und einer großen Prise Elton John. Elton John? Ja, richtig gelesen. Der leiht dem Film nicht nur in diversen grandios inszenierten Szenen seine Musik, sondern auch seine Präsenz. So spielt Elton John in „Kingsman: The Golden Circle“ sich selbst, der von Moores Drogenbaronin Poppy zur eigenen Unterhaltung entführt und verschleppt wurde. Dass Regisseur Matthew Vaughn es tatsächlich geschafft hat Sir Elton John für diese Rolle zu gewinnen ist schier unglaublich. John flucht, schreit, kickt und beißt – und stiehlt damit allen in jeder Szene die Schau. Herrlich abgedreht!

„Kingsman: The Golden Circle“ kann ein riesiger Spaß sein, wenn man sich bewusst ist, dass man den Film nicht zu ernst nehmen soll und er – ähnlich wie „Austin Powers“ zu seiner Zeit – ein Tribut an vergangene Pulp-Agenten-Novellen der 60er und 70er ist. Dass der aus dem Erstling prävalente (aber etwas zahmere) Humor immer noch ein Markenzeichen ist, wird wohl kaum jemanden stören, der schon damals Spaß hatte. Dass die Mixtur aber nicht jedem mundet, wurde hier ja schon eingangs erwähnt. Dazu sei jedoch zu sagen, dass die meisten der Gags tatsächlich landen – und sich erstaunlicherweise immer organisch anfühlen und nicht fehl am Platz wirken. Gerade wenn es nach Amerika zu den Statesmen geht, die die Standout-Idee des Films sind, wird es schwer, nicht über den überzogenen Klamauk zu lachen – oder zumindest schmunzelnd den Kopf zu schütteln.

Mit Matthew Vaughn hat Großbritannien den aktuell wohl besten Action-Regisseur in Hollywood verankert, denn die ist schlichtweg phänomenal. Halsverrenkende Kamerafahrten, gewagte Winkel und ein langer Blick auf die Action, statt vertuschender, schneller Schnitte, mit denen andere Hollywoodgrößen stets verdecken, dass die gezeigte Action eigentlich Schwindel ist. Einen Großteil davon verdankt Vaughn nicht nur seinen eigenen Sensibilitäten als Regisseur, sondern auch seit „Kick-Ass“ dem Stuntcoordinator Bradley James Allan, der bereits in den 90ern als erster Nicht-Asiate Teil des weltberühmten „Jackie Chan Stunt Team“ wurde. So mimte dieser neben Jackie Chan in vielen Filmen und lieferte sich mit Chan persönlich im unterschätzten „Under Control“ wohl einen der besten Martial Arts-Kämpfe aller Zeiten. Wenn dem geneigten Zuschauer die Action in Vaughns Filmen gänzlich anders vorkommt, dann liegt das an dem versteckt einfließenden östlichen Einfluss. Und der ist eine immense Bereicherung im sonst frenetischen Schnittgewitter üblicher Hollywoodstreifen.

„Kingsman: The Golden Circle“ ist ein Heidenspaß, wenn man sich in der richtigen Stimmung befindet und zeigt gerade Actionenthusiasten, dass im Westen doch noch nicht alle Hoffnung verloren ist. Wer sich aber durch den schrägen Humor, der oft deutlich unter die Gürtellinie geht, vor den Kopf gestoßen fühlt, sollte entweder eine Flasche Wein oder ein Bier zum Film öffnen – oder es einfach gleich bleiben lassen. Dann entgeht einem aber leider der wahrscheinlich beste Actionfilm des Jahres.

„Kingsman: The Golden Circle“ läuft derzeit im Kino.

Kingsman: The Golden Circle • UK/USA 2017 • Regie: Matthew Vaughn • Darsteller: Taron Egerton, Colin Firth, Mark Strong, Julianne Moore, Hanna Alström, Elton John

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