Die Hoffnung stirbt zuletzt
Mit „Boy 7“ versucht sich das deutsche Kino einmal mehr am Genre
Man freut sich ja über jeden Versuch des Deutschen Kinos, auch mal anderes zu produzieren als gut gemeinte Befindlichkeitsfilme oder immer neuen Verarbeitungen von Holocaust und Drittem Reich. Genre ist das Zauberwort, dessen Erfolg in den letzten Jahren immer sehnlicher herbeigeschrieben wurde, meist jedoch vergeblich. Gelegentlich kommen zwar gelungene Filme wie „Hell“ oder „Der Samurai“ ins Kino, meist bleibt es aber bei mehr missglückten als gelungenen Werken wie „Stereo“ oder „Who am I.“ Mit diesem Versuch eines Hacker-Films hat nun auch die Jugendbuch-Verfilmung „Boy 7“ einiges gemein – leider.
Das Zielpublikum ist zwar noch etwas jünger und eher im Bereich des sogenannten YA zu finden, der Young Adult-Novel und ihrer vielen Verfilmungen, von den „Hunger Games“ bis „Divergent“, doch vor allem krankt „Boy 7“ daran, dass die Vorbilder überdeutlich ausgestellt werden. Was kommt etwa bei dieser Szene als erstes in den Sinn: Ohne Gedächtnis kommt ein Teenager in einer U-Bahn-Station zu sich, weiß weder wer er ist, noch wieso, doch als ein Polizist ihn verhaften will, entwickelt der Teenie plötzlich erstaunliche physische Fähigkeiten, überwältigt den Polizisten und entkommt. Der erste Gedanke bei dieser Szene ist nicht etwa: Wow, so etwas habe ich im deutschen Kino noch nicht gesehen sondern eher: Ah, da hat aber einer ausgiebig die „Bourne Verschwörung“ studiert. Und so geht es weiter: Kaum ein Moment in „Boy 7“, der auf einem Roman der niederländischen Autorin Mirjam Mous basiert, wirkt originär, viel zu oft standen bekanntere (und bessere) Filme Pate.
Die unterschwellig dystopische Welt, in der der Außenseiter Sam (David Kross) aufwächst, erinnert an unzählige Young Adult-Filme der letzten Jahre, das merkwürdige Trainingscamp, in das er zur Resozialisierung eingewiesen wird, mutet mit seinen Uniformen und Trainingsmethoden ebenfalls arg bekannt an, die Schnitzeljagd, die sich Sam selbst gelegt hat, um sich selbst beim Wiederfinden seines Gedächtnis zu helfen, erinnert an „Memento“ und so weiter und so fort.
Erzählerisch und visuell bewegt sich das Ganze auf dem Niveau eines besseren Fernsehfilms, die Kamera wackelt munter vor sich hin, Hauptdarsteller David Kross ist zwar grundsympathisch, bleibt aber blass, allein – und auch hier erinnert „Boy 7“ an amerikanische Vorbilder – manche erwachsene Nebenrolle bietet Raum für Exzess. Besonders Jens Harzer als schleimiger Bösewicht Isaak hat viel Spaß am perfiden Spiel und lässt „Boy 7“ in manchen Momenten in gelungene Camp-Gefilde driften.
Interessantester Aspekt des Projekts ist, dass unter demselben Titel auch eine niederländische Version des Stoffs gedreht wurde, die dort schon im Februar im Kino lief. Dass Drehbuch stammt bei beiden Versionen von der Holländern Philipp Delmaar und Marco van Geffen, gedreht wurde allerdings nicht wie bei ähnlichen Doppel-Verfilmungen der Stummfilmzeit in den gleichen Sets, sondern in Hamburg bzw. Budapest. Eine durchaus interessante Form Synergien zu schaffen, die aber auch erklären mag, warum das Drehbuch (das Regisseur Özgür Yildirim für die deutsche Version adaptierte) so unbestimmt bleibt, sich damit begnügt, Vorbilder aus Literatur und Film zu zitieren, dabei aber wenig Eigenständigkeit entwickelt. Einmal mehr bleibt am Ende eines deutschen Genrefilmversuchs nur zu konstatieren: Ein löblicher Versuch, aber kein wirklich gelungenes Ergebnis.
„Boy 7“ startet am 20. August im Kino.
Boy 7 • D 2015 • Regie: Özgür Yildirim • Darsteller: David Kross, Emilia Schüle, Jens Harzer, Liv Lisa Fries
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