30. März 2016 3 Likes

Die Invasion geht weiter, sozusagen

Vielleicht keine Fortsetzung, aber ein toller Film: Dan Trachtenbergs „10 Cloverfield Lane“

Lesezeit: 3 min.

Was immer man von J.J. Abrams Qualitäten als Regisseur halten mag: Ein Marketinggenie ist er ohne Frage. Womit er perfekt in eine Zeit passt, die so reich an Unterhaltungsoptionen ist, dass es immer schwieriger wird, überhaupt Gehör zu finden. Während viele Marketingabteilungen sich dafür entscheiden, möglichst viel von einem Film zu verraten und damit den Kinobesuch oft obsolet wirken lassen, geht J.J. Abrams gern den umgekehrten Weg: Über „Star Wars VII“ war selbst zwei Tage vor der globalen Premiere kaum etwas bekannt, weswegen manche dem Einspielergebnis gewiss schädliche Diskussion erst statt fand, als schon weit über eine Milliarde auf der Bank war.

Auf kleinerem, aber im Kern ähnlichem Niveau bewegt sich auch die Cloverfield-Reihe, die acht Jahre nach dem Überraschungserfolg „Cloverfield“ nun mit einem Film weitergeführt wird, der kein klassisches Sequel ist, sondern eher eine Fortsetzung im Geist. Ursprünglich hieß das Drehbuch zu „10 Cloverfield Road“ „The Cellar“, wurde dann aber während der Produktion ein wenig angepasst und dank der Titeländerung zur scheinbaren Fortsetzung. Natürlich könnte man dieses Verwirrspiel als Vortäuschen falscher Tatsachen bezeichnen und Dan Trachtenbergs Debütfilm aus Prinzip boykottieren. Dann würde man sich aber um einen brillanten, atemlosen Thriller bringen, der ähnlich wie sein loser Vorgänger stilistisch außerordentliches, effektives Genrekino ist.

Die Found Footage-Manie – der auch „Cloverfield“ seine Intensität verdankte – ist inzwischen dankenswerterweise Geschichte, doch solche Gimmicks braucht Trachtenberg ohnehin nicht, um Spannung zu erzeugen. Vom ersten Moment an, wenn man Michelle (Mary Elizabeth Winstead) ihre Sachen packen und New Orleans verlassen sieht, kann man sich dem Sog des Films kaum entziehen. Warum sie sich genau aus dem Staub macht, bleibt offen, wie das meiste in einem Film, der nur mit Andeutungen arbeitet, viel im unklaren lässt, immer wieder missverständliche Hinweise gibt, die zu vielfältiger Interpretation einladen. Dass gilt ganz besonders für den Kern der Handlung, der im Keller des ursprünglichen Titels statt findet, genauer gesagt einem Bunker. Diesen hat Howard (John Goodman) gebaut, aus Schutz vor ihnen, vor einer nicht weiter definierten Bedrohung, an die Michelle nicht glauben mag. Nach einem Autounfall ist sie im Keller aufgewacht, fühlt sich als Gefangene, zweifelt aber bald an dieser Version. Zumal mit Emmett (John Gallagher Jr.) noch ein dritter Bewohner im Bunker ist, der behauptet, freiwillig dort zu sein. Geschickt und effektiv hält Trachtenberg die Spannung, hält lange Zeit die Frage offen, ob Howard ein Kidnapper, ein Lebensretter oder vielleicht sogar beides ist und lässt seinen Film in einem spektakulären Finale enden, das erklärt, warum auf dieser Internetseite eine Review erscheint.

So effektiv „10 Cloverfield Lane“ an der Oberfläche mit den Mustern des Genres spielt, so viel erzählt er unterschwellig über die Ängste der Gesellschaft. War „Cloverfield“ eine unverhohlene Allegorie von 9/11, geht es hier zwar auch um das große Ganze, vor allem aber um die Sorge vor individueller Bedrohung, Kidnapping, sexuellem Missbrauch. All das deutet Dan Trachtenberg in seinem erstaunlich souveränen Debütfilm an, der nicht nur für seinen nächsten Film viel erwarten lässt, sondern auch für den nächsten Film aus der Cloverfield-Welt. Hoffentlich nicht erst wieder in acht Jahren.

„10 Cloverfield Lane“ startet am 31. März im Kino.

Abb. © Paramount Pictures

10 Cloverfield Lane • USA 2015 • Regie: Dan Trachtenberg • Darsteller: Mary Elizabeth Winstead, John Goodman, John Gallagher Jr.

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