27. November 2014

Nullsummenspiel

Terry Gilliams „The Zero Theorem“: Die Review

Lesezeit: 3 min.

Wer sich Terry Gilliams Filmschaffen über die Zukunft besieht, der landet unweigerlich in der Vergangenheit des zweifellos begnadeten Visionärs. Bei der seinerzeit bahnbrechenden Zeitreisedystopie 12 Monkeys, deren Serienneuauflage just bevorsteht, mehr noch aber bei seiner ein Jahr nach Orwells 1984 entstandenen „Big Brother Is Watching You“-Variation Brazil. Kaum vorstellbar, dass staatliche Überwachung, gesellschaftliche Degeneration und die Hilflosigkeit des Einzelnen noch einmal so klug und visionär auf die Leinwand gebracht werden würden, wie das hier geschehen ist. Weshalb im Angesicht des mit großer Verspätung jetzt in Deutschland startenden The Zero Theorem die Frage erlaubt sein muss, warum Terry Gilliam es trotzdem versucht. Und warum es seiner Neuinterpretation der eigenen Neuinterpretation nicht gelingen mag, der uns bevorstehenden Gesellschaftsordnung entscheidende neue Ideen hinzuzufügen.

Natürlich sieht The Zero Theorem schon vom visuellen Standpunkt nicht sehr viel anders aus als Brazil. Aber das muss  er auch nicht. Gilliams Filme zeichnen sich ja gerade durch ihren vor Details überbordenden Ausstattungsreichtum aus – weshalb die Wege zwischen Brazil, Time Bandits oder Doctor Parnassus diesbezüglich auch nicht besonders lang sind. Woran es dem offensichtlich unter Budgetbeschränkungen leidenden Zero Theorem eher mangelt, das sind neue Ideen. Über weite Strecken erweckt Gilliam den Eindruck des etwas älteren Herren, der den Witz, den er seit 30 Jahren erzählt, einfach noch einmal aufwärmt. Vielleicht, weil er sich selbst nicht daran erinnert, ihn schon einmal erzählt zu haben.

Immerhin: Das würde zu den vergeblichen Bemühungen passen, die in naher Zukunft unseren Arbeitsalltag bestimmen sollen. Da schieben bemitleidenswerte Kreaturen im Auftrag einer alles beherrschenden Firma (hier Webgigant nach Wahl einsetzen) Pixel hin und her – wohl eher, um einfach ihre Arbeitskraft bis zum Burnout zu verbrauchen, denn mit wirklichem Sinn und Zweck. Auch Qohen Leth (Christoph Waltz) ist eine dieser Arbeitsdrohnen, die im Auftrag des personifizierten Managements (Matt Damon) das titelgebende „Zero Theorem“ aufschlüsseln soll – um in schönster Douglas Adams-Manier zu beweisen, dass das alles eben doch keinen Sinn hat. Diese ihn zunehmend in den Wahnsinn treibende Arbeit versieht er in einer – Achtung: Bedeutungsschwere – leeren Kirche, die Ablenkung hingegen besorgen andere: Tilda Swinton beispielsweise, die als groteske virtuelle Psychoanalytikerin im Vergleich zu ihrem sensationellen Snowpiercer-Auftritt aber eher wie ein Gimmick wirkt. Oder die schöne Bainsley (Mélanie Thierry), mit der sich Leth in virtuelle Sexkapaden stürzen darf, deren Ziel – wie sollte es anders sein in schönster Brazil-Analogie – dann aber doch nur die einsame Insel ist, die dem Menschen zum letzten digitalen Zufluchtsort vor einer komplett digitalisierten Welt wird.

Wenn Gilliam schließlich in der Auflösung so etwas wie die Antwort auf die Frage nach dem „Zero Theorem“ gibt (es ist nicht „42“!), ist uns das trotzdem herzlich egal. Seine satirische Kritik an der Gesellschaft reicht kaum über jene eines Alt-68ers hinaus, der die digitale Welt eigentlich nie wirklich verstanden hat. Vielleicht hilft diese Erkenntnis ja dabei, sich nun doch auf den wieder ins Gespräch gebrachten Don Quixote zu freuen. Denn auch die Vergangenheit hat Gilliam in der Vergangenheit stets gut zu Gesicht gestanden.

THE ZERO THEOREM ist seit 27.11. in den deutschen Kinos zu sehen, im Rest der Welt bereits auf DVD und Blu-ray erhältlich.

Kommentare

Zum Verfassen von Kommentaren bitte Anmelden oder Registrieren.
Sie benötigen einen Webbrowser mit aktiviertem JavaScript um alle Features dieser Seite nutzen zu können.