21. August 2012

Übergroße Fußstapfen

„The Ding“ – Das Remake des Remakes

Lesezeit: 3 min.

Als John Carpenter im Jahr 1982 mit The Thing eine seiner ersten großen Studioproduktionen in die Kinos brachte, sorgte er für eine Menge schlechter Laune. Die negativen Reaktionen auf das gewaltige Remake des Howard-Hawks-Klassikers The Thing From Another World (1952) trafen ihn unerwartet, denn mit seinen frühen Arbeiten Dark Star, Halloween oder Escape From New York hatte der Western-Fan aus Kentucky ein stetig wachsendes, zunehmend begeistertes Publikum für sich gewinnen können. Doch The Thing verstörte Kritiker und Fans gleichermaßen, was nicht zuletzt daran lag, dass Carpenter der durch Steven Spielbergs E.T. kuschelig gestimmten Öffentlichkeit als direktes Kontrastprogramm zu dem kulleräugigen außerirdischen Fratz ein wahrlich fieses Alien präsentierte, das in einer bisher selten gesehenen Drastik Menschen und Hunde fraß, wild keifend um sich schlug und dabei keinen Stein auf dem anderen ließ. Das wollten die Leute nicht sehen – und verkannten dabei leider, dass es sich bei The Thing um ein echtes Genre-Meisterwerk handelte, ein Status, der dem Film in der Retrospektive fairerweise dann doch zugestanden wurde. Als Apotheose seines Schaffens vereinte Carpenter hier all die Elemente, die ihn schon in frühen Jahren zu einem der wenigen echten Autoren des Genrekinos machten: die Faszination für Howard Hawks, das perfekte Verständnis klas­sischer Western-Dramaturgie, die Konzentration auf männliche Charaktere, die sich durch ihre Taten definieren, das nahezu perfekte Gefühl für Rhythmus, Suspense und Atmosphäre im Rahmen eines Paranoia-SF-Settings, das durch beispiellose Gore-Effekte ergänzt wurde, die dem ganzen gezeigten Misstrauen ein glaubhaftes Gesicht gaben.

Dreißig Jahre später kommt nun das Unvermeidliche. Im Zuge der alles vernichtenden Sequel-, Prequel- und Reboot-Welle nahm sich Regisseur Matthijs van Heijningen Jr. des Stoffes an und strickte mit allen Mitteln des modernen Effektkinos einen zweistündigen Prolog zu Carpenters Meisterstück. In diesem Falle ausnahmsweise mal gar nicht so sehr weit hergeholt wie in zahllosen an­deren Filmen, die einfach völlig unmotiviert irgendwas dazu erfinden, denn tatsächlich impliziert der 82er-Film eine Art Vorgeschichte: Bevor das titelgebende Ding aus dem All die Mannschaft der amerikanischen Forschungsstation um Kurt Russell dezimiert, wütet es in einer norwegischen Einrichtung. Ein Schrecken, der sich Russell & Co. in einer höchst effektiven Sequenz lediglich anhand seiner Auswirkungen offenbart; was hier passierte, überlässt Carpenter der Fantasie seiner Protagonisten und damit auch der der Zuschauer.

Man muss das alles also nicht wirklich zeigen, um eine Wirkung zu erzielen. Kann man aber machen. Und genau hier liegt das Problem des 11er-Films: ist durchaus in Ordnung, braucht aber kein Mensch. Alles ist irgendwie kompetent inszeniert, die Special Effects sind angemessen nasty, die Bezüge zu Carpenters Film werden nicht mit der Brechstange hergestellt – ein Problem, mit dem sich viele Prequels herumschlagen (siehe Star Wars). Dennoch wirkt The Thing 2011 herzlich überflüssig, denn auch in den Momenten, in denen die Macher der Carpenter-Vorlage neue Elemente hinzufügen, bleiben diese völlig ineffektiv und somit bedeutungslos. So ist hier als größter Unterschied statt der homogenen Männergruppe aus dem Original eine multinationale, gemischtgeschlechtliche Schicksalsgemeinschaft zu sehen, deren Konfliktpotenzial aber leider völlig verschenkt wird. Die Konstellation der großäugigen Heldin als einziger Frau unter bärbeißigen Typen ist durchaus vielversprechend, doch schon früh wird ihr ein weiterer weiblicher Charakter an die Seite gestellt. Auch die Opposition Amerikaner – Norweger beschränkt sich in erster Linie darauf, dass die Skandinavier die lustigeren Bärte haben und sich überhaupt ständig wie Trolle benehmen. Ansonsten folgt diese recht unentschlossene Mischung aus Prequel und Remake dem Plot des Originals und fügt dem Ganzen einen total überdrehten Showdown im Inneren des außerirdischen Raumschiffs hinzu. Während die Credits laufen, wird dann noch das letzte Verbindungsstück zum Carpenter-Film eingefügt und Ende.

Ein ordentliches und durchaus sehenswertes Genrestück ist das geworden, eine Neuauflage, die für sich genommen tatsächlich aus der Masse der zurzeit alles dominierenden Zweitverwertungen herausragt. Doch wie in all diesen Fällen muss sich auch The Thing am Original messen lassen. Und hier kann dieses Ding leider nur verlieren. Am Ende bleibt ein durch und durch egales Stück Kino, ein in jeder Hinsicht perfektes Beispiel filmischer Mittelklasse.

The Thing • USA/Kanada 2011 · Regie: Matthijs van Heijningen Jr. · Darsteller: Mary Elizabeth Winstead, Joel Edgerton, Ulrich Thomsen, Eric Christian Olsen, Trond Espen Seim

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