6. Juni 2017 1 Likes

A History of Psychoterror

Das Horror-Game „The Town of Light“ erscheint nun auch für Konsole

Lesezeit: 2 min.

Verlassene Gemäuer, verwachsene Gärten und rostiger Stahl. Was nicht nur für jeden Experten sofort nach einigen der standardisiertesten (oder altbackendsten) Grundbausteine einer klassischen Horrorstory klingt, wurde auch schon in zahlreichen Games wie Silent Hill, Resident Evil oder Outlast trotz einiger gelungener Vertreter längst zum abgenutzten Klischee. Dass es auch anders geht, bewies im letzten Jahr das ungewöhnliche Adventure The Town of Light, das zwar mit allen Wassern des Gothic-Horrors kräftig durchgewaschen wurde, allerdings einen ganz anderen Erzählansatz wählte als die besagten (und so viele weitere) Titel. Denn in dem als Walking-Simulator angelegten Game geht es nicht um fantastische Monster, psychopathische Killer oder ähnliche fiktive Figurationen der Angst, sondern um die Aufarbeitung einer realen Missbrauchsmaschinerie, die sich in einer psychiatrischen Anstalt in Italien über Jahre hinweg zugetragen hat. 

Das in der Nähe von Florenz gelegene Ospedale Psichiatrico di Volterra ist hier der historisch verbürgte Ort. Zunächst als Reformmodell am Ende des 19. Jahrhunderts gestartet, mutierte die Klinik aufgrund institutionell grauenhafter Bedingungen letztlich zu einem Hort des Schreckens für seine Patienten. The Town of Light basiert auf überlieferten Begebenheiten, die in ihrer Gesamtheit ein erschreckend symptomatisches Bild über Misshandlungen in psychiatrischen Krankenhäusern in Italien zu dieser Zeit zeichnen. Stellvertretend für viele Opfer erzählt das Adventure anhand der fiktiven Figur Renée, wie sich ein von der Wurzel an krankes System bis zur überfälligen Schließung Jahrzehnte später fortsetzen dennoch halten konnte.

Das Gameplay unterstützt mit seiner Unaufgeregtheit diesen Ansatz äußerst konsequent. Mit Renée kehren wir in die mittlerweile nur noch ruinenhaft erhaltenen Reste der Anstalt zurück. Auf unserer mit wenigen Ausnahmen sehr geradlinig gehaltenen Tour begegnen uns keine Ungeheuer, sondern der Schrecken entsteht mithilfe der Erinnerungen, die uns auf unserem Weg heimsuchen. Ganz in der Tradition atmosphärischer Großtaten wie Gone Home, Everybody´s Gone to the Rapture oder What Remains of Edith Finch entsteht innerhalb weniger Spielstunden ein Netz verschiedener Eindrücke und Storyschnippsel, die sich Schritt für Schritt zu einem großen Ganzen verdichten.

Da die Story dramaturgisch nie völlig überdreht und so der reale Hintergrund nicht banalisiert wird, verbreitet The Town of Light mitsamt seiner abwechslungsreichen Inszenierungsstile ein Gefühl der Beklemmung, wie es in Games in dieser Intensität und ohne schweistreibende Game-Mechaniken nur selten erlebbar ist. Themen wie Isolation, Hilflosigkeit und Formen des Ausgeliefertseins, halten sich mit Momenten der Trauer und nur wenigen, oft genug schnell wieder verglimmenden Hoffnungsschimmern die Waage. 

Wer sich auf ein so intensives Spielerlebnis einlassen möchte, hat nun neben der bereits im letzten Jahr für PC erschienenen Version, auch auf PS4 und Xbox One die Chance, diesen ungewöhnlichen Ansatz auszuprobieren. Viel Spaß sollte man dabei jedoch nicht erwarten. 

The Town of Light • LKA/Wired Productions • Horror-Adventure/Walking-Simulator

Abb. © LKA/Wired Productions

 

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