19. November 2017 1 Likes

Im Tiefflug abgestürzt

„Guardians of the Galaxy“ - Das Telltale-Adventure enttäuscht

Lesezeit: 3 min.

Dass „Telltale Games“ fesselnde Adventures auf Basis bekannter Marken schaffen kann, hat der Entwickler nun seit über 10 Jahren mit Titeln wie „Zurück in die Zukunft“, dem grandiosen „The Walking Dead“ oder auch neuerdings mit „Batman“ bewiesen. Wenn man eigenen Statements der Entwickler glauben darf, waren die Guardians of the Galaxy lange ein still gehegter Traum und auch die erste Episode machte bereits Lust auf mehr. Besonders die irre Prämisse, dass bereits innerhalb der ersten 15 Minuten Oberbösewicht Thanos das Zeitliche durch die Hand der Guardians segnet, lässt die Erwartungen durch die Decke gehen. Aber hier beginnt schon leider der strauchelnde Sturzflug.

Problem Nummero Uno ist, dass besagter unglaublicher Prämisse nie wieder wirklich gefolgt wird und Thanos’ Ableben bloß hier und da Erwähnung findet, ohne jegliche Konsequenzen. Besonders in den späteren Episoden, wo dessen Töchter Nebula und Gamora in den Fokus rücken, sollte dies doch eigentlich unumgänglich sein. Geschweige denn die Möglichkeiten, was für Auswirkungen so ein kosmisches Ereignis auf den Ruf oder die Dynamik des Teams haben könnte, sind schier endlos. Das alles wird quasi unter den Teppich gekehrt, während sich der Plot um den MacGuffin der Schmiede der Ewigkeit dreht, einem Artefakt, das Tote zurückbringen kann, und dies auch sogleich am Ende der ersten Episode beim für einige Momente abgenippelten Peter „Star Lord“ Quill tut. Die restlichen der insgesamt fünf Episoden widmen sich größtenteils den einzelnen Wächtern, und was sie auf der Suche nach dem Ursprung besagten Artefaktes tun.

Emotionaler Tiefgang und spannende Gruppendynamiken sind üblicherweise Höhepunkte des „Telltale“-Ensembles, was es hier umso ärgerlicher macht: Gerade die zweite Episode plätschert fast vor Langeweile vor sich hin, während die Streitigkeiten zwischen den Guardians und den Support-Figuren eskalieren – und leider oft erzwungen und belanglos erscheinen, wenn man sich für „A“ oder „B“ entscheiden muss.


Bösewichtin Hala in ihrer unvergleichlichen Schönheit.

Die dritte Episode, „More Than a Feeling“, welche sich als die action-orientierteste auszeichnet, entpuppt sich ausgerechnet als die beste des Gesamtpakets. Dass das Entwickler-Team Action-Choreographie beherrscht, zeigte sich bereits in „The Wolf Among Us“ und wurde in „Batman“ weiterentwickelt. Und wenn dann auch noch ein gewählter 80er Soundtrack das Getümmel untermalt, oder einfach nur eine „Spaß“-Montage, die im Schnelldurchlauf herzlicher Momente in der Milano (dem Schiff der Guardians) zeigt, lässt sich ein Funken von gewitzter Genialität erblicken. Darum sind die aufgezwungenen Entscheidungen und fehlenden durchdachten Konsequenzen umso schmerzhafter. Der zum Markenzeichen gewordene Humor der „Marvel“-Filme und „Guardians of the Galaxy“ im Speziellen wird zwar hier und dort emuliert, aber wirklich überzeugende Momente, bei denen man laut lachen muss, gibt es wenige. Und diese folgen auch erst in den besseren, späteren Episoden. Ein weiterer schmerzlicher Punkt ist hier, dass einige der bekannten Gags aus den beiden Filmen einfach missmutig wiederverwertet werden, und auch noch ohne eines Hauches von Ironie.

„Telltale Games“ hat immer bewiesen, dass sie gekonnt den Geist des Ursprungsmaterials einfangen können, wie im Falle des bereits angesprochenen „The Walking Dead“, welches sich deutlich mehr an der Comicreihe orientiert als an der überaus erfolgreichen TV-Serie. Im Falle von „Guardians of the Galaxy“ werden, spätestens ab Episode 3, die Bezüge zum Filmuniversum ersichtlich, während sich die Akteure wie ihre Filmpendants verhalten und weitere altbekannte Figuren eingeführt werden, die wie aus den Flimmerkasten entsprungen scheinen. Fans der maßgebenden Comics von Dan Abnett und Andy Lanning wird das etwas sauer aufstoßen, während Episode 1 noch Hoffnung auf ein Amalgam aus beidem machte.


Die Lösung eines typischen Superhelden-Teamups: Prügel!

Als der Abspann dann nach gut 12 Stunden über den Schirm flimmert, bleibt die Frage zurück, ob sich „Telltale“ nicht etwas übernimmt mit der enormen Anzahl an Titeln, die das Studio im Moment in Entwicklung hat. Auch die vor wenigen Tagen angekündigte Welle von Entlassungen hinterlassen einen Faden Beigeschmack und werfen die Frage auf, ob nicht weniger besser ist. Dieser Fokus hätte dem leider nur durchschnittlichen „Guardians of the Galaxy“ nicht geschadet – und da hilft auch keine Aftercredits-Szene, die auf Staffel 2 vorbereiten soll.

„Guardians of the Galaxy: The Telltale Series“ ist bereits seit dem 4. Mai 2017 als Seasonpass-Disk für PC, XBox One, Playstation 4, Android und IoS in englischer Sprache mit deutschen Texten erhätltlich und seit dem 7. November mit „Episode 5: Don’t Stop Believin’“ nun auch abgeschlossen.

Guardians of the Galaxy: The Telltale Series • Telltale Games • Point-and-Click-Adventure • Abb. © Telltale Games/Marvel

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