15. April 2018 1 Likes

TV-Tipp

„Hard Sun“ im ZDF und in der ZDF-Mediathek

Lesezeit: 4 min.

Bereits seit dem alten Hollywood tobt er, der ewige Kampf zwischen Kunst und kommerziellem Interesse, zwischen Regisseur und Produzent. Letzterer nimmt dabei in der öffentlichen Wahrnehmung stets die Rolle des geldgeilen Verächters ein, der Regisseur die des leidenden Opfers. Das mag in vielen Fällen sicherlich richtig sein, Orson Welles oder Sam Peckinpah können ein Lied davon singen. Aber die Medaille hat nun mal zwei Seiten und es gibt immer wieder Beispiele, in denen die Notwendigkeit einer übergeordneten, korrigierenden Instanz deutlich wird. Ein besonders schönes ist der Fall des einstigen Wunderkindes Richard Kelly, das 2001 mit seinem Erstling „Donnie Darko“ zur Indie-Sensation wurde, sich aber bereits mit der aus allen Nähten platzenden zweiten Arbeit „Southland Tales“ 2006 sein künstlerisch- wie kommerzielles Grab schaufelte. Ambitioniertheit ist immer eine gute Sache, muss aber nun mal geformt und in die richtige Richtung gelenkt werden und auch dafür sind nun mal (gute) Produzenten da. Ein ähnlicher Fall ist „Hard Sun“ von Neil Cross, der mit seiner Noir-Thriller-Serie „Luther“ 2010 völlig zu Recht den weltweiten Durchbruch feierte, hier aber dringend jemand benötigt hätte, der ihm auf die Finger klopft.

Detective Chief Inspector Charlie Hicks und seine neue Kollegin Detective Inspector Elaine Renko stolpern bei Ermittlungen eher zufällig über einen USB-Stick, der ominöse Dateien enthält, die davon verkünden, dass in fünf Jahren dank einem mit „Hard Sun“ betitelten Ereignis die Erden untergeht. Ein Umstand, mit dem niemand gerne konfrontiert wird, weswegen die MI-5-Agentin Grace Morrigan aus Sorge vor Anarchie und Chaos innerhalb der Bevölkerung sich auf die Jagd nach dem Stick begibt und dafür bereit ist, über Leichen zu gehen. Cross will aber nicht nur von einem Weltuntergangsszenario erzählen, er will das Ganze ebenso mit seinen Police-Procedural-Wurzeln verknüpften, weswegen sich „Hard Sun“ schon bald in einen Psycho of the Week-Copthriller verwandelt.

Nachdem Renko mit Hilfe eines Journalisten die neu gewonnenen Erkenntnisse Publik macht, die Info aber vom allmächtigen MI-5 erfolgreich zur Verschwörungstheorie abqualifiziert wird, finden sich plötzlich diverse Psychopathen, die die vermeintlich drohende Apokalypse auf die ein oder andere Art nutzen, um ihre Mitbevölkerung zu dezimieren. Zusätzlich erzählt „Hard Sun“ noch von einer internen Ermittlung und von privatem Ballast, denn Hicks soll für den Mord an Kollege Butler verantwortlich sein, Renko soll die Beweise heranschaffen und wird dabei von ihrem Vorgesetzten erpresst, denn Renkos Sohn, das Resultat einer Vergewaltigung und aus diesem Grund geistig angeschlagen und gewalttätig (er hat seine eigene Mutter angegriffen und das Haus abgefackelt), sitzt anstatt im Knast in der Psychiatrie, was einem Deal seiner Mutter zu verdanken ist: Liefert die Hicks ans Messer, wird ihr Sohn nicht im Knast malträtiert. Und um das Storyfass endgültig zum Überquellen zu bringen, hat Hicks eine Affäre mit der Ehefrau seines ermordeten Kollegen.

Cross will alles und noch viel mehr, erreicht aber kaum etwas, dabei sind seine ganzen, munter in der Gegend verstreuten Storybauteile durchaus interessant. Die Idee an sich ist toll und voller Möglichkeiten, es wird aber schnell nur noch gelegentlich dran erinnert, was eigentlich der Grund für all die Aufregung ist, lediglich die von „Inception“-mäßigen Woooooohhhhhmmmmm-Sounds unterlegten, sonnenüberstrahlten, Karg- und Einsamkeit vermittelnden Stadtaufnahmen sorgen für den Hauch einer pre-apokalyptischen Atmosphäre.   Bei Elaine Renko handelt es sich, dank der charismatischen, emphatischen Darstellung des ehemaligen Top-Models Agyness Deyn, um eine faszinierende Figur, die eine gewisse Tiefe erahnen lässt und die man deswegen gerne in einer eigenen Serie sehen würden, anstatt von Hicks ausgebremst zu werden, der vom chargierenden Jim Sturgess als farblosen, selbst totale Belanglosigkeiten durch die Gegend bellenden 08/15-Cop portraitiert wird, weswegen man ihm ein paar wenige, emotionale Ausbrüche kaum abkauft. Die Serienkiller-Komponente wäre eigentlich ebenfalls nicht uninteressant, wirkt aber dank extrem grob geschnitzter Figuren, die sich anfühlen, wie in den Plot gewürfelt und – angesichts des nüchternen, seriösen Tonfalls der Serie – unverhältnismäßig brutalen Gewaltszenen, als ob man „Freitag, der 13.“ Konkurrenz machen will.

Auf gewisse Weise erinnert „Hard Sun“ in seiner Zerfahren- und Unausgegorenheit etwas an die neulich gestartete zweite Season von „Jessica Jones“, während man dort aber aus wenig viel zu viel macht, macht man hier aus viel bedauerlich wenig. In beiden steckt aber Gutes drin, es hätte nur einer strengen Aufsicht mit einer großen Peitsche gebraucht, um das Gute zum Glänzen zu bringen.

„Hard Sun“ ist in der ZDF Mediathek bis Mitte Juli 2018 abrufbar (von 22 bis 6 Uhr), läuft am 16., 22. und 23.04. im ZDF und ist ab dem 24.04. von Polyband als DVD, Blu-ray und Stream erhältlich.

Hard Sun (Großbritannien 2018) • Regie: diverse • Darsteller: Jim Sturgess, Agyness Deyn, Nikki Amuka-Bird, Derek Riddell, Jojo Macari, Varada Sethu, Owain Arthur, Joplin Sibtain

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