23. März 2015 4 Likes

Die Kunst ein echter Mensch zu sein

Achtung, Real Humans: Die amerikanische Comicserie „Alex + Ada“

Lesezeit: 4 min.

Zusammen haben die Luna-Brothers Jonathan und Joshua einige US-Comics mit auffallend cleanem Look und nichtsdestotrotz überraschend griffigen Storys geschaffen: „Spider-Woman: Origin“, „Ultra“, „Girls“ und „Das Schwert“. Dann haben sich die Brüder zerstritten, woraufhin Jonathan erst einmal den illustrierten Fantasy-Roman „Star Bright and the Looking Glass“ realisierte, derweil Joshua alleine den Comic „Whispers“ umsetzte. Nun zog nach drei Jahren Comic-Abstinenz auch Jonathan Luna mit einem neuen Panel-Projekt nach, für das er sich die Webcomic-Künstlerin Sarah Vaughn als Autorin ins Boot geholt hat: „Alex + Ada“, eine Science-Fiction-Geschichte über künstliche Intelligenz.

Die Story setzt in der nahen Zukunft ein, in der vor einem Jahr allerdings eine künstliche Intelligenz erstmals gegen Menschen vorging und ein wahres Massaker anrichtete. Seitdem wurden die Bestimmungen für Roboter und Roboter-Halter deutlich verschärft. Androiden gehören dennoch weiterhin zum Alltag, genauso wie kleine Robo-Drohnen, die am Frühstückstisch den Kaffee oder im Restaurant das Essen servieren, selbstfahrende Autos oder telepathische Telefonie. So sieht also die Welt von Protagonist Alex aus, der nach sieben Monaten immer noch nicht über die Trennung von seiner Freundin hinweg gekommen ist. Deshalb schenkt ihm seine steinreiche Oma, die in einer sexuell erfüllenden Beziehung mit einem Tanaka X5 Androiden steckt, eine Androidin desselben Typs. Denn Alex’ rüstige, aktive Großmutter ist überzeugt: Androiden haben viel Liebe zu geben! Wenn man ihnen sagt, was man hören und spüren möchte …

Alex ist gar nicht begeistert von der Androidin, die plötzlich in einer Lieferkiste in seinem Wohnzimmer steht und die lediglich das Firmenlogo auf der Unterseite ihres Handgelenks als Roboter kennzeichnet – ansonsten ist seine neue Mitbewohnerin, die er kontrolliert und für deren Energieversorgung durch Nahrung er sorgen muss, die vollkommene Imitation einer attraktiven jungen Frau. Das Bett würde Ada, wie Alex die Androidin nach einigem Hin und Her tauft, sofort mit Alex teilen, sollte er es ihr befehlen. Doch selbstständig eine Entscheidung fällen, eine Meinung haben, einen freien Willen, ein echtes Gefühl – das ist Ada nicht möglich. Das verhindert die an die neuen Gesetze angepasste Firmware, und dieser Zusammenprall von perfekt kopierter Menschlichkeit und der Abwesenheit all dessen, was einen Menschen eigentlich ausmacht, setzt Alex mächtig zu.

„Der Sonnenuntergang ist wundervoll, nicht wahr?“

„Wenn du denkst, dass er das ist, dann muss er das natürlich sein.“

Schließlich hält Alex es nicht mehr aus und geht ein hohes Risiko ein, um im Prime-Space – der cyberspace-mäßigen Weiterentwicklung des Internets – herauszufinden, wie er Ada Empfindungen geben, sie in ein empfindungsfähiges Wesen verwandeln kann. Selbst wenn das in jederlei Hinsicht gegen das Gesetz verstößt. Zumal es schon für einen normalen Menschen kompliziert genug ist, zu verstehen, was einen Menschen überhaupt ausmacht. Im Prime-Space treibt Alex einen Roboter-Hacker auf, der ein geheimes Treffen in einem Motel vorschlägt. Und während Alex und Ada sich immer näher kommen und sich die Berichte über freie Roboter häufen, werden mehr und mehr Auflagen für Androiden erlassen, wird das gesellschaftliche Klima stetig rauer und die Situation zwischen Robotern und Menschen definitiv angespannter …

Klinisch klares Artwork ohne Ecken und Kanten, klare Sache: In einen Luna-Comic hat man sich beim Reinblättern noch nie verliebt. Das war vor ihrer Trennung so, und daran hat sich dadurch, dass die beiden kreativ wie persönlich getrennte Wege beschreiten, nichts geändert. Beim Storytelling – und damit der Lektüre selbst – spielt das geleckte Artwork überraschenderweise aber durchaus seine Stärken aus, insofern die Szenen und Dialoge passen, und das ist bei „Alex + Ada“ definitiv der Fall. Da wird das Rad keineswegs neu erfunden, dafür jedoch mit einem ausgeprägten Sinn für Charaktere und für die Authentizität der extrapolierten Realität ein gefälliges Near-Future-Drama über das Leben und Lieben mit künstlicher Intelligenz inszeniert, das allen Fans der skandinavischen TV-Serie „Real Humans“ viel Freude bereiten dürfte. Denn „Alex + Ada“ ist eine weitere gelungene Ansiedlung im Uncanny Valley, dem Ort, an dem das Unwohlsein haust, wenn Androiden zu menschlich wirken und werden.

Dass dem gestandenen Genre-Fan bei dieser nicht mehr allzu innovativen Variation des Themas hier und da die Würze fehlt, wird durch die handwerklich gute Umsetzung sowie das glaubwürdig transportierte menschliche und moralische Dilemma abgefangen, das Alex als plötzlich mit Entscheidungsgewalt über künstliches Leben konfrontierter Normalo wunderbar verkörpert. Und selbstverständlich ist da noch die emotionale und romantische Entwicklung zwischen Alex und Ada …

Im Juli letzten Jahres ist der erste englischsprachige Paperback-Sammelband erschienen, Mitte März nun gerade der zweite. Im dritten Band der Serie, die am Ende 15 US-Einzelhefte umfassen soll und gerade bei Ausgabe #13 steht, gibt’s dann das Finale um Alex und Ada.

Jonathan Luna & Sarah Vaughn: Alex + Ada TPB 1–2 • Image, Berkeley 2014–2015 • je 128 Seiten • je $ 12,99 • Sprache: Englisch

Kommentare

Zum Verfassen von Kommentaren bitte Anmelden oder Registrieren.
Sie benötigen einen Webbrowser mit aktiviertem JavaScript um alle Features dieser Seite nutzen zu können.