2. Oktober 2014 3 Likes

In den Hintern steckt schon die ganze Geschichte

Ein belebender Hieb gegen die Prätention von „True Detective“

Lesezeit: 2 min.

Es geht ja keinesfalls darum, die vielen True-Detective-Euphoriker und pauschal TV-Serien-Begeisterten anzugiften. Die sind völlig zu Recht euphorisch und begeistert. Sie geraten bisweilen aber doch ein wenig aus der kritischen Balance bzw. neigen dazu, ihre Glückseligkeit darüber, endlich ohne schlechtes kulturelles Gewissen stunden-, tage-, monatelang fernsehen zu können, hinter wertmaßstabsverrückten Superlativen zu verstecken.

Der englische Schauspieler Simon Pegg sagte in einem Interview anlässlich des deutschen Kinostarts seines Films „The World’s End“ sinngemäß und grundsätzlich, das gegenwärtige Durchschnittsniveau von Erwachsenenunterhaltung werde von Kinderfilmen (z.B. über Helden in Strumpfhosen) markiert. Der ehemalige Titanic-Chefredakteur Leo Fischer brachte die nötige Korrektur der mehrheitlichen Verbrämung seriellen Glotzens auf seinem Blog Magie für den Mittelstand wie folgt auf den Punkt: „Könnt Ihr Breaking-Bad-Fanpersons Euch allmählich wieder beruhigen? Ja, Ihr habt stundenlang ferngesehen, und ja, das zählt inzwischen irrerweise schon als Teilnahme am kulturellen Leben. Aber jetzt geht bitte raus und macht irgend etwas Interessantes.“

In diesem Sinne hat Emily Nussbaum, die Fernsehkritikerin des New Yorker, im März eine wunderbare True-Detective-Polemik mit dem Titel „Cool Story, Bro“ veröffentlicht und schlägt vor, die (auch von ihr gesehen in mehrerlei Hinsicht zweifelsfrei beeindruckende) Serie als Langfassung ihres Vorspanns zu betrachten, nämlich als Geschichte heldenhafter männlicher Silhouetten und Nahaufnahmen weiblicher Ärsche: „The more episodes that go by, the more I’m starting to suspect that those asses tell the real story.“


Finsternis und Männerfreundschaft

Die Belege und Beobachtungen, entlang derer Nussbaum Nick Pizzolattos nihilistische Noir-Arie auseinandernimmt, laufen auf den korrekten Befund „macho fantasy“, Jungskram, Männerfantasien hinaus. Schwerer als der mindestens latent misogyne Einsatz klischeehafter bzw. das Fehlen interessanter, von der knallhart kalkulierten Großschauspielerwucht Matthew McConaugheys nicht gänzlich hinweggefegter Frauenfiguren wiegt für Nussbaum dabei die weitgehend todernste Gravität, mit der True Detective sich in Finsternis und dem dann doch von seiner eigenen albern-aufdringlichen Intelligenz besoffenen Düster-Jargon des zentralen Charakters Rust Cohle suhlt.

Wie Pegg und Fischer sagt Nussbaum: Ich will euch nicht den Spaß verderben, all diese topseriösen und superkomplexen und vor keiner Härte mehr zurückschreckenden Serien sind auf jeden Fall tolles Zeug, aber bleibt mal locker und lasst euch nicht von jeder Angeberei gleich komplett vom Stuhl der Temperenz hauen. Das tut mindestens prinzipiell wohl – und kann der Euphorie helfen, beim vielen Seriengucken die Sachlichkeit nicht völlig aus den Augen zu verlieren.

Bilder: HBO

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