14. Januar 2015 2 Likes 1

Der Geist von Area X

„Autorität“ – der zweite Band von Jeff VanderMeers „Southern Reach“-Trilogie

Lesezeit: 3 min.

In „Autorität“ widmet sich Jeff VanderMeer der Organisation, der seine „Southern Reach“-Trilogie ihren Namen verdankt. Southern Reach, das ist jene Regierungsbehörde, die seit über dreißig Jahren versucht, hinter die Geheimnisse von Area X zu kommen, dieses riesigen, wuchernden ökologischen Habitats mit Insel und Leuchtturm und einer unsichtbaren, unüberwindbaren Grenze, dessen plötzliches Auftauchen ein ebensolches Rätsel darstellt wie seine wahre Natur – oder sein eigentlicher Sinn und Zweck.

Allerdings steckt auch Southern Reach nach all den Jahren der unergiebigen Beobachtung und Erforschung voller Rätsel und Geheimnisse, wie der Control genannte Agent John Rodriguez schnell erfährt, da er als Feuerwehrmann zum neuen Direktor von Southern Reach ernannt wird, das sich in einer Abwärtsspirale aus Fruchtlosigkeit und Frustration befindet. Eine feindselige stellvertretende Direktorin mit eigener Agenda, im besten Fall als verwirrt zu bezeichnende Intelligenzbestien in der wissenschaftlichen Abteilung sowie Reibereien zwischen Fraktionen im höheren Geäst der Hierarchie über Southern Reach machen es dem von einer starken Mutterfigur und einigen dunklen Flecken in seiner Akte beherrschten Control nicht gerade leicht, sich zurechtzufinden, geschweige denn zu behaupten oder tatsächlich etwas Licht ins Dunkel zu bringen. Manipulation, Intrige, Täuschung und Paranoia stehen im Umfeld derer, die für Southern Reach arbeite und von Area X wissen, an der Tagesordnung – und helfen keinen Deut, endlich herauszubekommen, ob und was für eine Gefahr von Area X ausgeht, dem bisher keine gewagte Theorie und keine teuer mit Menschenleben erkaufte Probe bloß den Hauch einer Erklärung abringen konnten…

Jeff VanderMeer hat das Thema seines faszinierenden Auftaktbands zwischen Science-Fiction und Horror, der die jüngste katastrophale Expedition nach Area X behandelte, auf ein anderes Umfeld übertragen – direkt auf die andere Seite der Grenze von Area X, wenn man so möchte. Die Betrachtung der Frage, wie sich Umwelt und Individuum zueinander verhalten, wie sie einander selbst über mehrere Sicherheitszonen und Meilen hinweg physisch und vor allem psychisch beeinflussen, wird im Mittelband der Trilogie auf eine Forschungsanstalt angewandt, die bereits vor langer Zeit ihre geistige Frische und Flexibilität eingebüßt hat und ungeachtet aller Bemühungen längst vom seltsamen, fiebrigen Geist von Area X kontaminiert worden ist. Das ist von der Story und den Szenen her bei Weitem nicht so hypnotisch wie im Vorgänger „Auslöschung“ – doch VanderMeers Qualitäten als Erzähler genügen, um „Autorität“ mit dem Schwerpunkt auf eben dieser größtenteils wieder zu einer andersartig fesselnden, ausgeklügelten Lektüre zu machen, insofern man sich auf Mr. VanderMeers Tempo und seine Erzählweise – seine Anti-Action-Philosophie – einlässt. Wer den ersten Band mochte, wird die Fortführung der Geschichte trotz des überraschenden neuen Ansatzes und Personals ebenfalls mögen.

Trotzdem ist es ganz schön mutig, so einen Bruch zu riskieren. Schließlich setzt der hierzulande nicht unbedingt als Kassenknüller geltende VanderMeer die Story aus dem ersten Band auf denkbar ungewöhnliche Art und Weise fort, obwohl er die Verbindung zu „Auslöschung“ nie ganz kappt und immer geschickt am Leben erhält. Und spätestens auf den letzten 70 Seiten des wesentlich umfangreicheren zweiten Bandes der „Southern Reach“-Trilogie sind die Spannung und das Lovecraft’sche Feeling aus dem ersten Teil dann wieder da und weisen wohl schon mal den Weg zum Finale.

Eine Sache muss an dieser Stelle übrigens wirklich mal bemängelt werden in Hinsicht auf diese deutsche Ausgabe beim Verlag Antje Kunstmann, mit der im Grunde niemand gerechnet hat: Auf das Cover der zweiten Broschur hätte definitiv ein weißes Kaninchen gemusst! So. Jetzt ist’s raus. Unwiderruflich.

Die Vorfreude auf den Abschlussband „Akzeptanz“, der im März erscheint, glüht dennoch im selben Maß wie die Outline der Titel-Schriftzüge auf Cover und Buchrücken der schicken deutschen Bände in der Übersetzung von Michael Kellner.

Jeff VanderMeer: Autorität (Southern Reach Trilogie Bd. 2) • Verlag Antje Kunstmann, München 2015  • 368 Seiten • € 18,95

Kommentare

Bild des Benutzers Shrike

Vielen Dank dafür. Ich hatte schon die Befürchtung, der zweite Band wäre das berühmte und schon oft erlebte "in die Länge gezogene" Thema, auf das sich gern verzichten ließe. Nach den obigen Ausführungen werde ich es mir aber gönnen. Schließlich kann man sich dann auf Band drei noch einlassen.

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