23. August 2013

Mit Liebe zum Detail

„Star Trek Online“ geht an den Start

Lesezeit: 5 min.

Star Trek und Computerspiele – ein leidiges Kapitel, denn obgleich in den letzten Jahren immer wieder mal mehr, mal weniger viel versprechende Titel auf den Markt geworfen wurden, schaffte es keines dieser Spiele jemals zu großer Popularität, ganz zu schweigen von der Unattraktivität für genreferne Spieler. Was will das Online-Rollenspiel Star Trek Online nun anders machen? Hierzu werfe man zunächst einen Blick auf die Bedeutung des umfassenden Spielinhaltes. 2009 erfuhren die Fans im elften Kinofilm des fast fünfzig Jahre alten Genres von einem zeitreisenden Romulaner, wie in der Zukunft der Planet Romulus durch eine Supernova ausgelöscht wurde. Parallel dazu wurde in dem offiziellen Comic Countdown die Vorgeschichte des Films beleuchtet, welche einen Ausblick auf die Geschehnisse zu Beginn des 25. Jahrhunderts geben sollte.

Doch was geschieht nun in der Next Generation-Ära nach den bekannten Ereignissen des Films Star Trek Nemesis? Dreißig Jahre später ist der Friedenspakt zwischen der Föderation und dem Klingonischen Reich zerbrochen, die zersplitterten Überreste des romulanischen Imperiums bemühen sich nach der Zerstörung ihrer Heimatwelt um den Wiederaufbau des einstigen Sternenreichs, abtrünnige Rückbleibsel des Dominions marodieren durch den Alphaquadranten und obendrein sind die Borg zurückgekehrt und haben begonnen, aggressiver als je zuvor ganze Welten zu assimilieren. Als wäre das noch nicht genug, scheinen sowohl die Föderation als auch die Klingonen von Agenten der aus Star Trek Voyager bekannten Spezies 8472 infiltriert worden zu sein. Dies entspricht dem offiziellen Star Trek-Kanon, entstammt jedoch weder einer filmischen Umsetzung, noch einer Romanfassung. Stattdessen kann der Star Trek-Fan all das nun am eigenen, virtuellen Leib miterleben, denn Star Trek Online bietet – seit Januar 2012 zudem kostenlos – die Möglichkeit, wahlweise als Offizier der Sternenflotte oder des Klingonischen Reiches, mit dem eigenen Schiff das gesamte Universum, wie man es bislang nur aus der Serie kannte, zu bereisen. Das Aussehen und die Spezies des eigenen Charakters ist dabei dem Spieler ebenso überlassen wie die Gestaltung des eigenen Schiffes, zudem steht es ihm frei, die Hauptkampagne zu spielen, freie Missionen anzunehmen, nach Belieben neue Welten zu erforschen oder die zahlreichen bekannten Schauplätze, wie etwa die Sternenflottenakademie in San Francisco, die Raumstation Deep Space Nine, die vulkanische Heimatwelt oder auch die paradiesische Urlaubswelt Risa zu besuchen.

Star Trek Online unterteilt sich dabei in zwei Spielmodi. In der Schiffsansicht steuert der Spieler sein Raumschiff im dreidimensionalen Raum durch die Quadranten der bekannten Galaxis, erforscht Sternensysteme oder schlägt sich in Raumschlachten je nach Missionsvariante mit KI-gesteuerten oder realen Gegnern. Beamt er jedoch in das Innere seines Schiffes, auf Raumstationen oder Planetenoberflächen, so wechselt das Spiel in eine Third-Person-Shooter-Ansicht und erlaubt dem Spieler beispielsweise die Erkundung fremder Welten zu Fuß, die Interaktion mit anderen Spielern auf den weiten Korridoren des Erdraumdocks oder auch hitzige Bodengefechte mit KI-Gegnern. Womit man auch schon bei einer der größten Schwächen des Spiels angekommen wäre. Die Umsetzung der Bodenmissionen wirkt lieblos, die Steuerung hätte weniger umständlich gestaltet werden können, sowohl die eigenen KI-Begleiter als auch die Gegner erweisen sich häufig als schwach und im Vergleich zu anderen Free-to-play-Spielen wirkt Star Trek Online hier grafisch äußerst angestaubt. Besonders ermüdend: So vielseitig die Orte, die man in dem Spiel bereisen kann, sein mögen, so einseitig ist die Gestaltung der Missionen, die bis auf wenige Ausnahmen einem immer gleichen Schema folgen: Raumschlacht, Runterbeamen, Scannen, Kämpfen oder Rätsel lösen, Hochbeamen, und damit ist die Missionen abgeschlossen. Doch es gibt auch Ausnahmen. So finden sich zwischendurch auch Missionen, in denen Köpfchen gefragt ist, etwa wenn es um eine diplomatische Verhandlung zwischen Vertretern verschiedener Völker oder um die richtige Entschlüsselung codierter Botschaften geht.

Es wird schnell deutlich, dass die Stärke von Star Trek Online – welche Ironie – im Weltraum liegt, denn im Gegensatz zu den Bodenmissionen entpuppen sich jene am Steuer des eigenen Schiffes als grafisch und technisch gelungen. Individuelle Anpassungen wie die Ausrüstung mit bestimmten Schiffsfähigkeiten, die Besetzung der einzelnen Brückenstationen mit KI-gesteuerten Offizieren und die Nutzung der Vorteile der jeweiligen Schiffsklasse heben sowohl in der Kampagne als auch im Mehrspielermodus den Anspruch der Missionen und erfordern bei Weltraumgefechten taktisches Denken. Schiffsklassen? Man werfe einen Blick auf den Online-Store innerhalb des Spiels. Neben vielen bekannten Schiffstypen von der Defiant- bis zur Sovereign-Klasse inklusive verschiedener Refit-Varianten finden sich dort auch eine Reihe von Schiffen, welche eigens für das Spiel entwickelt wurden. Der Kauf von Schiffen, Offizieren oder vielen anderen Items ist allerdings ein Kapitel für sich. Sollte der Spieler nicht über einen durch einen neuen Erfahrungsrang erworbenen Gutschein oder ausreichende, im Spiel angesammelte Dilithiumkristalle verfügen, besteht auch die Möglichkeit, reales Geld über die Internetseite des Betreibers Perfect World in Spielgeld zu wechseln. Ein Umtauschsystem ermöglicht zudem, dieses Spielgeld in Dilithium – und umgekehrt – zu verwandeln. Allerdings bleibt es letztendlich dem Spieler selbst überlassen, ob er echtes Geld investieren oder lieber geduldig warten und Dilithium ernten will, um sich seinen Traum von einer der exklusiveren Schiffsklassen, wie etwa dem aus der Destiny-Romanreihe bekannten Forschungsschiff Vesta oder einem Kreuzer der Odyssey-Klasse – welcher auch die offizielle, von Fans in einem Designwettbewerb mitgestaltete Enterprise F angehört –, zu erfüllen. Im Vergleich zu anderen Titeln des Free-to-play-Genres sollte hier festgehalten werden, dass Star Trek Online treuen Spielern mit einem schmalen Budget die faire Chance bietet, auf Dauer hin auf sämtliche Inhalte des Spiels zugreifen zu können, ohne einen einzigen Cent investieren zu müssen.

Was Star Trek Online aber eigentlich ausmacht, ist die Größe und Tiefe des Spiels, in welchem das gesamte Star Trek-Universum mit viel Liebe zum Detail nachgebaut und erlebbar gemacht wurde. Immer wieder trifft der Spieler auf bekannte Charaktere oder deren Nachfahren, erfährt vieles über die weiteren Entwicklungen der The Next Generation-Ära und begegnet Orten und Phänomenen, auf welche bereits die Crews der Fernsehserien trafen. Häufig genug bietet das Spiel Gelegenheiten, bei denen das Herz eines Trekkies höher schlägt, und in Hinblick auf die unzähligen Spieler, die allein oder in gemeinsamen Flotten die Spielwelt bevölkern, muss man den Entwicklern allen kleineren Makeln des Spiels zum Trotz zugestehen, dass sie es zumindest geschafft haben, ein Genrespiel zu entwickeln, das sich vor vergleichbaren Titeln anderer Genres wie etwa Star Wars: The Old Republic nicht zu verstecken braucht.

Star Trek Online • Perfect World Entertainment · Online-Rollenspiel · PC

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