21. Dezember 2017 2 Likes

Thrillern via Smartphone

Sonys Playlink-Starter „Hidden Agenda“ sorgt für kollektive Gänsehaut

Lesezeit: 4 min.

Wer es noch nicht mitbekommen hat: Gaming für Nicht-Gamer ist vor kurzem noch einfacher geworden (als ohnehin schon, möchte man hinzufügen). Denn mit der von Sony exklusiv auf PS4 gestarteten Playlink-Reihe ist es seit einigen Wochen möglich, Games auf der Konsole via Smartphone oder Tablet zu zocken. Einfach die kostenlose App zum Titel herunterladen und dann das jeweilige Mobilgerät wie einen wesentlich reduzierteren Controller benutzen - also eben ohne das für viele Leute ungewohnte Handling mit einem Gamepad voller Buttons und Analogpads.

Kleiner Haken dabei: Mit besagtem klassischen Gamepad können wiederum zumindest nicht alle Playlink-Games gespielt werden. Das Herunterladen der App sowie die Nutzung eines alternativen Mobilgerätes sind somit Pflicht, obwohl die Games ansonsten ganz normal auf der PS4-Konsole laufen.

Während zum Launch von Playlink nur wenige, eher quiz- oder karaokelastige Titel erschienen sind, sticht Hidden Agenda als echter Crime-Thriller (fast im Stil von David Cages Heavy Rain oder David Finchers Sieben) deutlich hervor. Sowohl spielerisch wie inszenatorisch serviert das an einen interaktiven Film erinnernde Hidden Agenda echte Gänsehaut-Stimmung für rund zwei Stunden pro Durchgang, wobei bis zu sechs Spieler gleichzeitig zusammen auf die Jagd nach einem fiesen Mörder namens The Trapper gehen dürfen, der ähnlich perfide Fallen für seine Opfer auf Lager hat wie Jigsaw aus der bekannten Saw-Filmreihe. Solche Ähnlichkeiten sind allerdings kein Wunder, wenn man sich vor Augen führt, dass den Entwicklern von Supermassiv Games mit ihrem interaktiven Slasher Until Dawn bereits ein überragend beklemmendes Horror-Meisterwerk geglückt ist, das sich munter aus allen Ecken des Genres bediente.

Innerhalb der Story begleiten wir die Polizistin Becky Marnie und die Staatsanwältin Felicity Graves, die dem berüchtigten Serienkiller schon länger auf der Spur sind. Etwas unerwartet geht ihnen dann ein Verdächtiger namens Jonathan Finn in die Falle, der die Morde sogar gesteht. Doch als der Fall schon längst zu den Akten gelegt scheint und der vermeintliche Killer in der Todeszelle sein tristes Dasein fristet, beschuldigt Finn plötzlich einen anderen Täter und der Fall wird neu aufgerollt.

Mehr wollen wir an dieser Stelle nicht verraten, aber nur so viel: Während die Grundstimmung über die gesamte Kampagne ein hohes Niveau hält und die Charakterzeichnungen der Beteiligten durchaus differenziert ausfällt, lassen uns einige etwas aufgesetzt wirkende Twists leicht mit der Stirn runzeln. Dass sehr ernste Themen wie Kindesmissbrauch vielleicht auch nicht zwingend jedermanns Geschmack in einer Sechser-Runde trifft, sollte ebenfalls jedem Teilnehmer vorab klar sein. 

Besonders gelungen ist aber der Ansatz, die Story mit vielen Entscheidungen zu verzweigen und so tatsächlich einen hohen Wiederspielwert zu erreichen. Selbst wenn man nämlich die Handlung in ihren Grundzügen kennt, bedeutet das weder, dass man den Täter wirklich erwischt, noch, dass man alle möglichen Endsequenzen erspielt hat. So gesehen gleicht Hidden Agenda die kleinen Holprigkeiten an manchen Stellen locker aus und motiviert zu mehreren Thriller-Abenden mit Freunden. Da fallen auch einige wiederum im Nachhinein völlig irrelevante Entscheidungen nicht wirklich ins Gewicht, die man gerade im ersten Durchlauf schließlich nicht unbedingt als solche erkennt.

Der Spielablauf gestaltet sich angenehm intuitiv und konsequent auf Teamwork ausgerichtet. An bestimmten Knotenpunkten der Handlung wählen wir mit unseren eingeblendeten Anzeigen eines der angegebenen Kästchen (auch unter Zeitdruck) an, um so unsere Wahl zu treffen. Wie bei mehreren Ermittlern vor dem Schirm der Fortgang der Handlung dann tatsächlich erfolgt, hängt von der Mehrheit der durch die Spieler abgegebenen Angaben ab. Besonders pikant: In manchen Sequenzen muss tatsächlich sogar Einstimmigkeit herrschen, ehe es weitergeht. 

Als kleine Extra-Gemeinheit bietet Hidden Agenda sogar einen Modus, in dem einzelne Spieler gegen die anderen agieren und die Gruppe zu bestimmten Entscheidungen verleiten müssen. Mehr Social Gaming geht also kaum und sich kontrovers über die möglichen Optionen zu unterhalten oder nach dem Verräter zu suchen, macht gerade aufgrund des intuitiv simplen Handlings je nach Gruppe sehr viel Spaß. In diesem Kontext wirkt es auch nicht ganz so schlimm, wie plakativ uns der Titel oft genug auf die Bedeutung kommender Entscheidungen hinweist. Schließlich richtet sich der Thriller ja im Rahmen von Playlink dezidiert ebenso an unerfahrene User.

Technisch bewegt sich das Ganze auf solidem Niveau. Einerseits stimmen vor allem Grafik und Ausdruck der Figuren, andererseits sorgen ein paar Unstimmigkeiten bei der Tonspur für unnötige Verwunderungen. Wenn wir beispielsweise neben der nicht lippensynchronen deutschen Vertonung unerklärliche Unterschiede in der Lautstärke oder gar den Komplettausfall von Hintergrundgeräuschen zu beklagen haben, geht ein Stück der eigentlich klasse durchgezogenen Stimmung kurz verloren. 

Fazit

Knackig düstere Filmatmosphäre, ein durchaus innovativer Social-Gaming-Ansatz und dazu eine ordentliche Prise Wiederspielwert: Der Playlink-Thriller Hidden Agenda macht trotz kleiner Story- und Audiomacken definitiv mehr richtig als falsch und sollte genau als das betrachtet werden, was der Titel sein will - ein spannendes Adventure für launige Abende unter Freunden, von denen vielleicht nicht jeder passionierter Gaming-Experte ist.

Zwar lässt sich Hidden Agenda auch solo spielen, aber wirklich launig wird es eben erst, wenn man sich die Köpfe heiß redet, wie man weiter vorgehen möchte und mittels Cursor darüber abstimmt. Gerne mehr davon, Sony!

Hidden Agenda • Supermassiv Games/Sony • Playlink-Adventure

Abb. © Supermassiv Games/Sony

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