16. Januar 2017 2 Likes

Zombie bites again

Start der dritten Staffel von Telltales „The Walking Dead“

Lesezeit: 4 min.

Nachdem Telltale allen Adventure-Fans zuletzt mit dem Abschluss seiner äußerst gelungenen Batman-Staffel sowie mit Guardians of the Galaxy eine weitere furiose Neuankündigung für die nächsten Monate bieten konnte, startete mit etwas Verzögerung Ende letzten Jahres auch die dritte Staffel von The Walking Dead, das mit seinen ersten beiden Staffeln (sowie einer Spin-off-Staffel zu Michonne) den Grundstein für den anhaltenden Erfolg der amerikanischen Entwicklerschmiede legte. Staffel 3, die dazu den vielleicht etwas aufgesetzt bedeutungsschwangeren Titel A New Frontier mit sich führt, versucht sich nun mit neuen Charakteren und alten Bekannten daran, den Ruhm des Franchises nicht verblassen zu lassen. Wie gewohnt auf fünf in kurzen Abständen veröffentlichten Episoden festgelegt, erscheint die Staffel für PS4, Xbox One, PC und mobile Plattformen.

Nach einem stimmungsvollen Prolog, der uns mit unserem neuen spielbaren Charakter Javier und seiner schon bald radikal dezimierten Familie vertraut macht, startet The Walking Dead in üblicher Telltale-Manier mit einem klassischen Point-and-Click-Gameplay, das in der ersten Episode gut 90 Minuten dauert. Damit fällt die Episode sogar etwas kompakter aus als manche Vorgänger, was zwar einerseits die Dramaturgie durchaus strafft und keine Längen aufkommen lässt, andererseits war dies aber ohnehin eigentlich nie ein Problem von Telltale-Erzählungen. Spielerisch hat sich dagegen nichts getan: Noch immer bewegen wir uns in den einzelnen, sehr überschaubaren Arealen und klappern die angezeigten Action-Points ab, um entweder Dialoge zu starten oder simple Handlungen auszuführen. Das wird weder Einsteiger noch Fortgeschrittene überfordern, zumal es zumindest in Episode 1 vollständig an Rätseln mangelt, die unseren Grips auch nur ansatzweise herausfordern könnten. Kurzum: Was das Gameplay angeht, hat Batman selbst im Telltale-Kontext zuletzt deutlich mehr geboten und lässt A New Frontier fast ein wenig altbacken wirken. Es bleibt beim alten Dilemma mit diesen Adventures, dass es ein bisschen mehr „Spiel“ durchaus sein dürfte, selbst wenn man alle Titel vor allem für ihre stets thematisch konsequenten und für Games dramaturgisch ambitioniert geschriebenen Stories loben muss.

Mit dieser Qualität punktet auch weiterhin The Walking Dead, da der Wechsel zwischen dem neuen Charakter Javier und der schon bald auftauchenden Clementine, die wir bereits als junges Mädchen aus den ersten beiden Staffeln kennen, bereits zum Start aufgrund der Unterschiedlichkeit der beiden Figuren in sich stimmig wirkt. Javier bringt neue Konflikte in das Setting des Games, während wir mit der etwas älter und deutlich härter gewordenen Clementine einen fortlaufenden Charakter weiter dabei beobachten dürfen, wie sie sich mit ihrem Leben in der Postapokalypse arrangiert. Leider verpasst es die Staffel allerdings erneut, unsere Taten und Entscheidungen der vorangegangenen Staffeln nachhaltig in ihren Auswirkungen spühren zu lassen. Denn A New Frontier gaukelt uns wie die Vorgänger trotz teils radikal unterschiedlicher Aktionsmöglichkeiten insbesondere in den zeitkritischen Dialogen eine Entscheidungsfreiheit eher vor und nimmt vor allem zumindest anfangs kaum Bezug auf das Drama, das sich speziell zum Finale von Staffel 2 zugetragen hat.

Erneut also ein altbekanntes Problem nicht nur dieser Telltale-Serie, die sich das Story-Ruder eben nie wirklich aus der Hand nehmen lässt. Dennoch fehlt es dem Auftakt natürlich weder an extrem harten Plot-Twists noch an einigen sich für die weitere Story latent anbahnenden Konflikten, die bei aller Routine der Serie einiges an Spannung versprechen. Insbesondere der Kniff, Clementines Erlebnisse nach der zweiten Staffel in Rückblenden zu erzählen und sie auch nur in diesen Sequenzen bis dato zum spielbaren Avatar zu machen, versprechen nicht nur für Kenner der Serie Konfliktpotenzial für den Fortgang der Staffel. In diesem muss sich dann ebenso beweisen, ob Javier das Zeug zu einer nachhaltigen Figur hat oder nur als temporärer Platzhalter in die Geschichte von The Walking Dead eingehen wird.

Technisch sieht das Ganze übrigens im Vergleich zu einigen früheren Produktionen durchgehend besser aus. Die Texturen inklusive Farbgebung fallen zwar aufgrund des markanten Telltale-Grafikdesigns wie immer detailarm aus, doch wirken die Animationen lange nicht mehr so verwaschen wie früher (man denke an das grafisch mäßig umgesetzte Game of Thrones). Auch die Tonspur ist über jede Kritik erhaben, da die englischen Sprecher eine souveräne Leistung an den Tag legen und jede Figur in ihren Eigenarten auch auf diesem Weg glaubhaft vermittelt wird. Ein kleiner Kritikpunkt bleibt leider weiter bezüglich der supoptimalen deutschen Text-Übersetzung bestehen, die mal wieder nicht ganz an die Klasse der Originaldialoge heranreicht. 

Fazit

Unterm Strich bekommen alle Freunde des Franchises genau das, was sie von den bisherigen Staffeln der Game-Serie kennen. Das betrifft positive wie negative Aspekte gleichermaßen, sodass A New Frontier leider im direkten Vergleich mit Batman zumindest vorerst den Kürzeren zieht und die nächsten Episoden den Beweis antreten sollten, doch mehr zu sein, als nur eine weitere Staffel eines speziell storytechnisch gut funktionierenden Point-and-Click-Adventures. Aber wer möchte eine gewisse Stagnation ausgerechnet Telltale anlasten, wenn doch speziell die TV-Serie zu Robert Kirkmans Universum mittlerweile durchaus gravierendere Ermüdungserscheinung zeigt. Trotzdem gilt für beide Formate: Fans können beruhigt dranbleiben; der Rest behält beides noch im Auge. Überraschungen sind schließlich immer möglich.

The Walking Dead: A New Frontier • Telltale Games • Point-and-Click-Adventure

Abb. © Telltale Games

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