18. Mai 2017 4 Likes

„Ich bin ein serieller Fortsetzer“

Sir Ridley Scott gibt sich die Interview-Ehre

Lesezeit: 7 min.

Das besondere an den „Alien“-Filmen liegt darin, dass jeder Film der Serie einen vollkommen anderen Schwerpunkt setzt: Ridley Scotts erster Teil von 1979 war eigentlich ein simpler Horrorfilm, nur dass er eben im Weltraum spielte – wo einen bekanntlich niemand schreien hört – und eine Frau als Hauptfigur hatte. James Camerons Fortsetzung aus dem Jahr 1986 gilt zu Recht bis heute als einer der besten Military-SF-Filme.

1992 übernahm der Regiedebütant David Fincher den dritten Teil, der zwar als schwächster der Serie gilt, aber man kann zumindest ahnen, welche Tiefen Fincher auf dem Gefängnisplaneten Fury 161 eigentlich ausloten wollte: Er stellt die Frage nach den Überlebenschancen der Menschheit in einer entmenschlichten Umgebung. Für gute Laune (wenn man das Gemüt eines Robbenschlächters hat) sorgte schließlich der vierte Film, bildmächtig inszeniert von Jean-Piere Jeunot nach einem Drehbuch von Joss Whedon, in dem dieser bereits seine „Firefly“-Serie vorweg nahm. Alien fast schon als Farce.

Über die kommerziellen Spin-Offs mit dem Predator decken wir mal den Mantel des gnädigen Schweigens.

RIDLEY SCOTT: Nach vier „Alien“-Filmen haben die „Alien vs Predator“-Streifen das Franchise eigentlich getötet. Da habe ich gesagt: Ich kann das retten mit einer einfachen Idee: Im ersten Teil finden sie das Alien an Bord eines wunderschönen Raumschiffs, das wie ein Croissant aussieht und darin sitzt ein Pilot mit einem aufgebrochen Brustkorb. Niemand fragte jemals: Wie kommt der dahin? Ich wollte eine Geschichte schreiben, in der die Vorgeschichte erzählt wird. In meiner Vorstellung ist das Alien eine biomechanisch entworfene Waffe, die für einen Zweck geschaffen wurde. Und das Schiff ist ein Frachter. Aber was für eine Zivilisation würde so eine gemeine Waffe entwerfen?


Ridley Scott mit Katherine Waterston am Set von „Alien: Covenant“.

Für die Beantwortung dieser Fragen lässt sich der 79-jährige Sir Ridley allerdings viel Zeit. Vor fünf Jahren kehrte er zurück in den Ring und begann eine Film-Trilogie (oder Tetralogie?), die bedeutend ernster und philosophischer daher kam, als die Vorgängerfilme: In „Prometheus“ ging es um die ganz großen Fragen: Woher kommen wir, wohin gehen wir? Aber es geht eben auch um das uralte Phänomen, dass die Kreatur sich gegen ihren Schöpfer auflehnt, so wie Adam und Eva sich gegen Gott gestellt haben. Scott benutzte dazu gleich mehrere Bilder: Da sind die Konstrukteure, gottgleiche Außerirdische, die Leben überall in der Galaxis verbreiten. Da sind die von den Menschen geschaffenen Androiden, die sehr schnell merken, dass sie die bessere, weil leistungsfähigere Lebensform sind. Da sind aber auch die Aliens, von den Schöpfern als ultimative Waffe konzipiert, die von den Menschen instrumentalisiert werden. Ein fast schon religiöses Konzept.

RIDLEY SCOTT: Religiosität hat doch gar nichts mit der Frage zu tun, ob man nun an Gott glaubt oder ob wir biologische Unfälle sind. Der erste Salamander ist vor 500 Milliarden Jahren aus dem Wasser gekrochen. Menschen gibt es erst seit 70.000 Jahren. Das ist nichts, kosmisch gesehen! Warum dauerte es so lange, bis wir uns entwickelt haben? Gibt es eine helfende Hand, ein Design? Oder war die Entwicklung vom Bakterium zum Salamander zum Affen und zum Menschen von ganz anderen Gründen geprägt? Affen sind sehr schlau und sie mussten sich aufrecht stellen, um Früchte zu erreichen. Also ist der Grund für die Entwicklung einfach Hunger?

Kein schlechtes Konzept! In James Camerons Version des Weltraummonsters ist das Alien auch nur eine Mutter, die ihre Brut beschützen will. Und ein Bär, der einen harmlosen Campinggast zerreißt ist eben auch nicht gut oder böse, sondern meistens schlicht hungrig. Aber wie verträgt sich das mit den ganzen Bibelanspielungen, die Scott in seinen neuen Filmen in gleich drei Schleifen erzählt, mit der Idee, dass die Schöpfung gegen den Schöpfer rebelliert?

RIDLEY SCOTT: Das ist doch normal. Vielleicht ist das ein Stammesding. Wenn in einer Löwenfamilie ein junge Kater zu groß wird, sagt der Vater: Du musst gehen oder ich töte dich. Das ist ein normaler, organischer Prozess. Wenn ich eine künstliche Intelligenz entwerfe, muss ich einen Schutzmechanismus einbauen, denn Intelligenz ohne Empfindsamkeit kann sehr gefährlich werden. Jede künstliche Intelligenz, die es schon gibt, hat so etwas eingebaut.

Sehen Sie sich doch nur den Fall Snowden an. Die Technologie hat sich verselbstständigt und wird von der amerikanische Regierung zur Überwachung benutzt. Es ist doch sehr aufschlussreich, wie heimtückisch sich die Möglichkeiten von elektronischer, digitaler Technologie entwickeln können. Das können wir uns gar nicht vorstellen.


Ridley Scott bei den Dreharbeiten von „Alien: Covenant“.

Vielleicht ist das ja genau das Problem bei Ridley Scott: er legt so viel glänzende Fassade über seine Filme, dass man das dunkle Herz gar nicht mehr richtig erkennt. Immerhin: „Alien: Covenant“ bietet all das, was man eigentlich schon in „Prometheus“ erwartet hatte, handfesten Horror. Über fast die Hälfte dieses neuen Films meint man, ein Remake des ersten Teils zu sehen: Das Siedlerraumschiff „Covenant“, vollgepfropft mit Menschen im Kälteschlaf, wird von seinem Weg durchs All weggelockt. Unter der Leitung des Androiden Walter (Michael Fassbender) landet ein Erkundungstrupp auf einem fremden, rätselhaften Planeten. Die Bedrohung ist mit den Händen greifbar. Bis der Android David aus „Prometheus“ auftaucht (ebenfalls Fassbender), der nicht nur irgendwie die Havarie seines Schiffs überlebt, sondern auch die Xenomorphen aus diesem Teil mutiert hat.

Fassbender spielt diese Doppelrolle grandios, zerrissen, er lässt den Zuschauer immer im Zweifel darüber, welche Seite man nun einnehmen soll. Co-Star ist die rehäugige Katherine „Tochter von Sam“ Waterston, die zwar auch keinen BH unter dem Unterhemd trägt, trotzdem aber kein echter Ripley-Ersatz ist. Und obwohl die zweite Stunde des Films spektakulär und actionreich ist, bleibt man dann doch seltsam unbefriedigt zurück. Zu viel Fanservice (von der Musik bis hin zu Bildzitaten), zu wenig Auflösung. Immerhin legt Ridley Scott wieder einige Handlungsfäden aus, die die „Alien“-Serie mit „Blade Runner“ verknüpfen (z.B. auf der Webseite weylandindustries.com).

RIDLEY SCOTT: Gut beobachtet! Es gibt eine Linie, die von Rutger Hauers Replikant Roy Beatty zum Androiden David/Walter, dargestellt von Michael Fassbinder, führt. Mein Ziel ist, mir ein eigenes Universum zu bauen.

Und dann kommt der Meister doch schon auf die „Blade Runner“-Fortsetzung zu sprechen, die erst in einem halben Jahr in die Kinos kommen wird.

RIDLEY SCOTT: Ich bin ein serieller Fortsetzer. Eigentlich wollte ich ja nicht, aber die haben den Titel „Blade Runner“ gekauft und mich gefragt, ob ich eine Story hätte.  Ich sagte „Na klar“ und habe Hampton Fancher angerufen, der schon den ersten Teil geschrieben hat. Der brauchte genau zehn Tage, um eine Idee niederzuschreiben, die haben wir dann an Michael Green gegeben und der brauchte dann zwei Jahre, um ein Drehbuch zu schreiben.


So wird’s gemacht: Ridley Scott am Set von „Alien: Covenant“.

Regie wird er allerdings nicht selber führen. Diese Aufgabe hat der Brite an den Kanadier Denis Villeneuve weiter gegeben. Eine gute Wahl, denn der Kanadier hat seit 2013 einen Lauf von vier außergewöhnlichen Filmen hingelegt: „Prisoner“, „Enemy“, „Sicario“ und „Arrival“. Scott selber ist mit seiner Produktionsfirma Scottfree gut ausgelastet, die für seine Filme auch die viralen Vorfilme erschafft; auch „Alien: Covenant“ hat gleich mehrere solcher Prequels (zu finden auf der Seite alien-covenant.com). Zunehmend erstellt Scottfree jedoch auch für Anbieter wie Amazon Prime und Netflix exklusive Inhalte. Besonders stolz ist Sir Ridley auf „The Good Wife“ und die Fortsetzung „The Good Fight“, aber auch Serien wie „The Man in the High Castle“ und „Taboo“ haben den typischen Ridley-Scott-Touch. Der meistens ganz in schwarz gekleidete Scott sieht das Fernsehen auch nicht als direkte Konkurrenz zum Kino. Für Ankündigungen, wie die des Netflix-Chefs Reed Hastings, der explizit das Kino angreifen will, hat Scott nur ein müdes Lächeln.

RIDLEY SCOTT: Sollen Sie es doch versuchen! Ich glaube, das führt nur dazu, dass Kinomacher umso härter zurück schlagen und interessantere Filme machen. Das Zauberwort lautet „Gier“ und natürlich geht es im Filmgeschäft auch um Investments. Wenn ein Film 100 Millionen Dollar gekostet hat und 600 Mios einspielt – das ist ein gutes Geschäft!  Wenn ein Film erfolgreich ist, ist das auch gut für die Kinos. Dazu kommt: Fernsehen ist teuer. Ein gutes Gerät, die Anschluss- und Abogebühren … da kommen schon 600 Dollar zusammen. Ein Film, eine Cola und ein Eimer Popcorn kosten 15 Dollar.

Auf der anderen Seite langweilt ihn das moderne Kino, das nur noch aus Fortsetzungen, Reboots und Franchise-Filmen besteht, sehr.

RIDLEY SCOTT: Naja, ich sollte eigentlich ruhig sein, ich mache ja jetzt auch Fortsetzungen, aber ich glaube, die sind gut. Gab es vor 35 Jahren bessere Filme? Weiß ich nicht. Aber es waren weniger Filme.  Und die hatten ganz andere Ausrichtungen. Heute gibt es nur noch eine Geschmacksrichtung.

Und wann werden wir nun endlich das Croissant-Raumschiff sehen und den Bogen zum ersten Teil schließen?

RIDLEY SCOTT: Noch nicht im nächsten Jahr, in „Covenant 2“ (der inzwischen den Arbeitstitel „Alien: Awakening“ hat, als Starttermin visiert Scott den Herbst 2018 an). Aber wohl in dem „Alien“-Film danach. Das spannende am schreiben von Science-Fiction ist: es ist organisch. Man hat eine Idee und dann sieht man, ich kann dies machen oder das tun.

Das klingt alles sehr avanciert, besonders wenn man bedenkt, dass Sir Ridley im November 80 Jahre alt wird und anscheinend jetzt erst den Höhepunkt seiner Kreativität erreicht. Wo kommt all diese Energie her?

RIDLEY SCOTT: Da denke ich nicht drüber nach. Ich mach das einfach. Das ist Teil meines Ethos. Ich würde auch heute gerne drei Filme pro Jahr machen, aber das ist unmöglich. Aber so war es schon immer. Als Kind zwang mein Vater mich, Ferienjobs anzunehmen. Ich habe für die Royal Air Force Landebahnen gebaut, bis ich Blasen an den Händen hatte.  Da habe ich viel gelernt, etwa, dass ich diesen Job nie wieder machen wollte.

„Alien: Covenant“ läuft ab dem 18. Mai im Kino. Abb. © Twentieth Century Fox

Mehrere Alien-Romane gibt es im Shop.

Alien: Covenant • USA 2017 • Regie: Ridley Scott • Darsteller: Michael Fassbender, Katherine Waterston, Billy Crudup, Danny McBride, Demián Bichir

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