12. April 2019 1 Likes

Abgrund des Grauens

„Hellboy – Call of Darkness“ – Das kann einfach nicht ernst gemeint sein!

Lesezeit: 5 min.

Klar, stimmt schon, im Optimalfall sollte man einem Film – trotz der Schwemme von Teasern, Trailern, Clips und anderem Promozeugs – so unvoreingenommen wie möglich begegnen, vor allem wenn man im Dienst der Allgemeinheit unterwegs ist und nach dem Schauen noch einen möglichst aussagekräftigen Text für die lieben Mitmenschen zusammenzimmern muss. Doch im Fall von „Hellboy – Call of Darkness“, der lang erwarteten dritten Verfilmung der atmosphärischen Horror-/Science-Fiction-/Pulp-Comic-Reihe von Mike Mignola über einen buchstäblich höllischen Ermittler, war das alles andere als einfach.

Dass Guillermo del Toro, Regisseur der ersten beiden gelungenen Filme von 2004 und 2008, nach jahrelangem Hin- und Her 2017 verkündete, dass Nummer drei gestorben ist, womit auch Hellboy-Darsteller Ron Perlman seinen Hut nahm, war ein erster Dämpfer, doch verschmerzbar; Toro und Perlman hatten den Adaptionen sicherlich ihren Stempel aufgedrückt, aber es gibt noch andere fähige Leute …


„Wir machen nur Spaß.“

… dass aber plötzlich Sparfuchs Avi Lerner sich mit seiner Bude Millennium Films um die beliebte Figur kümmern sollte, verursachte bereits leichtes Afterjucken, denn das israelische Produzentenurgestein hatte in den letzten Jahrzehnten sicherlich bei Freunden kostengünstig fabrizierter Actionunterhaltung jede Menge Punkte gut gemacht (unter anderem: „American Fighter“, „Cyborg Cop“, „Shadowchaser“ samt deren Fortsetzungen), ist aber so was von gar nicht für kostspieliges, üppig ausgestattetes Big-Budget-Kino bekannt. Außerdem: Selbst die teureren Lerner-Produktionen der letzten Jahre wie zum Beispiel das „Expendables“-Franchise verursachten mit CGI-Effekten aus der Hölle der maximalen Inkompetenz reihenweise blutende Augäpfel.

Die Verpflichtung von Neil Marshall als Regisseur ließ die Unruhe weiter anwachsen: Der Brite sorgte 2005 mit seinem Monster-Reißer „The Descent – Abgrund des Grauens“ für kiloweise abgeknabberte Fingernägel, versank danach aber blitzschnell in den Abgrund der Bedeutungslosigkeit und kurbelte seit 2010 nur noch fürs Pantoffelkino, weshalb man mit Fug und Recht vermuten kann, dass – gerade angesichts eines Produzenten wie Lerner – die Dankbarkeit wohl größer war als der Gagenscheck.

Ganz schön komisch wurde es, als im Vorfeld Mignola, der ursprünglich zusammen mit Christopher Golden und Andrew Cosby das Drehbuch entwickelte, versicherte, nur wenig mit der Produktion zu tun zu haben und – zusammen mit Golden – auch aus den Credits verschwand.

Die Alarmglocken fingen dann beim ersten Bewegtmaterial an zu schrillen: Bunt, laut, witz- und stillos – mit Hellboy hatte das nicht mehr viel zu tun.


„Eigentlich war sie auf dem Weg zur Oper, aber dann ging etwas fürchterlich schief.“

Nackte Angst stieg dann bei der Einladung zur Pressevorführung auf: Die hochgradig albernen Sicherheitsvorkehrungen sind nicht unüblich, aber wenn die Teilnehmenden sich extra dazu verpflichten müssen keine Kritiken vor Kinostart zu veröffentlichen, ist klar, dass der Verleih ganz genau weiß, dass man sich hier einen riesengroßen Haufen Scheiße ins Haus geholt hat.

Und tatsächlich, beim Verlassen des Kinosaals herrschte seltene Einigkeit unter den Kollegen: „Echt jetzt?“

Wenn man irgendetwas Gutes in Bezug auf „Call of Darkness“ erwähnen will, dann ist das der Umstand, dass sich Marshalls Film auf inhaltlicher Ebene enger an Mignolas Vorlagen hält als Toros Adaptionen, nur leider war’s das auch schon. Die gute Absicht wird durch das unstrukturiert zusammengeklöppelte Drehbuch gleich wieder zunichte gemacht. Erzählt wird letztendlich nur von Hellboys Auseinandersetzung mit einer wiedererwachten Zauberin, die die Menschheit auslöschen will. Anstatt das Gerüst aber für einen halbwegs flotten B-Klopper zu nutzen, was in Anbetracht der sonstigen Defizite des Films mehr als ratsam gewesen wäre, hangelt sich das Skript im Stop-and-Go-Verfahren durchs Geschehen: Alle naselang werden kleine Backstories von Hellboy und seinen Verbündeten oder anderes Füllmaterial, das keinen wirklichen Bezug zur eigentlichen Geschichte hat, reingeklatscht, weshalb die stetig müder machenden 120 Minuten mehr wie Flickwerk als wie ein kohärentes Ganzes wirken (das obligatorische anteasern der Fortsetzung wird hier mit einem mehrere Minuten dauernden, völlig drangepappt wirkenden Nachklapp nach dem ohnehin schon über jede Gebühr ausgewalztem Ende auf die Spitze getrieben).


„Wo geht’s denn zur Toilette?“

Ganz schlimm der Humor: Das Bemühen, den trocken-knalligen Witz der Vorgänger zu wiederholen, geht völlig in die Hose; Hellboy wird vom coolen, sarkastischen Antihelden zum absoluten Dummschwätzer, bei dessen Sprüchen man die Steppenläufer vor dem inneren Auge förmlich vorbeifliegen sieht und bei denen die Verantwortlichen zudem wohl selbst nicht so wirklich wussten, was sie da eigentlich zu Papier brachten. Ein Beispiel findet sich gleich zu Anfang: Hellboy zerdeppert mit seiner rechten, riesengroßen Pranke das Touchscreen seines Smartphones-Displays und muffelt rum, dass es ihm einfach an Fingerspitzengefühl fehlt. Das wirkt angesichts der schnell zu erkennenden Tatsache, dass es wohl schwierig ist, mit einem dermaßen großen Körperteil ein so kleines Display zu bedienen, noch milde lustig. Allerdings wird die gleiche Szene kurze Zeit später wiederholt, dieses Mal allerdings mit seiner linken, normalen Hand, was eher irritierend als komisch wirkt – als ob die Autoren selbst nicht so ganz wussten, wo der Gag beim ersten Mal lag.

Leider kann auch Marshall nur durch den Einsatz von ein paar handgemachten Splatter-Effekten ein kleines bisschen Land gut machen, allerdings wird dieser positive Aspekt von einer Vielzahl von Computertricks, die sich zwischen ganz ok (kaum) und wäre-2003-der-heiße-Scheiß-gewesen (überwiegend) gleich wieder begraben. Erschwerend kommt noch hinzu, dass sich das Ganze viel zu oft in billigen, öden Wald- oder Heizungskeller-Settings abspielt, was der Produktion die Aura eines 90er-Jahre-Videothekenheulers aus dem untersten Regal verleiht. Ungelenk montierte Actionsequenzen, ein planloser Musikeinsatz (mal Rock, mal klassischer Score) und im Stich gelassene Schauspieler, die vergeblich gegen ihren Untergang in diesem Desaster anspielen, setzen dem ganzen die stinkende Krone auf.

Die einzige logische Erklärung für die Existenz eines Films wie „Hellboy – Call of Darkness“ ist, dass die Nummer vermutlich gut von der Steuer abgesetzt werden kann, andere Gründe sind einfach nicht vorstellbar.

„Hellboy – Call of Darkness“ läuft ab dem 11.04.2019 im Kino. Abb.: Universum Film.

Hellboy – Call of Darkness (USA 2019) • Regie: Neil Marshall • Darsteller: David Harbour, Ian McShane, Milla Jovovich, Penelope Mitchell, Sasha Lane, Daniel Dae Kim, Thomas Haden Church

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