18. Februar 2014 1 Likes

Krieg im Kopf

„Ender’s Game“ – Hollywoods Version von Orson Scott Cards Klassiker

Lesezeit: 4 min.

Orson Scott Card ist einer der ganz großen Namen der Science Fiction. Der 1951 geborene Amerikaner studierte englische Literatur, verbrachte mehrere Jahre als Missionar in Brasilien und widmete sich zunächst dem Theater, ehe er sich ab Ende der 70er auf das Schreiben von Science Fiction und Fantasy konzentrierte. Mit seinem bekanntesten Roman »Ender’s Game« alias »Das große Spiel« alias »Enders Spiel« (im Shop ansehen) gewann Card Mitte der 80er Jahre den Hugo und den Nebula Award. Bis heute folgten viele weitere Romane und Geschichten aus dem Ender-Universum, darunter 1986 die direkte Fortsetzung »Sprecher für die Toten«, einer der besten SF-Romane aller Zeiten, der völlig zurecht erneut mit dem Hugo und dem Nebula prämiert wurde und in dem Card sich meisterlich mit den Folgen von Reisen durch den Raum und vor allem dem Kontakt zwischen Menschen und einer außerirdischen Spezies auseinandersetzt. Daneben verfasste Card die Fantasy-Romanserie um Alvin Maker und ein alternatives Amerika zur Zeit der Siedler und Pioniere, zahlreiche andere SF-Bücher und Storys, Comics mit u. a. Marvels gerüstetem Avenger Iron Man, Essays, Gedichte und sogar mehrere Autorenratgeber.

2013 kam endlich die Verfilmung von Ender’s Game in die Kinos. Kurz vor dem Filmstart bekam Card mal wieder einigen Gegenwind für seine arg altmodischen und ekeligen, von ihm nichtsdestotrotz öffentlich bekräftigten Ansichten als Mormone. Als DC Comics nämlich verkündete, dass die neue, zunächst exklusiv digitale Reihe Superman Adventures mit einer Geschichte von Orson Scott Card debütieren würde, war die Empörung groß: Jemand, der offen gegen die Homo-Ehe wetterte, sollte eine der amerikanischsten und liberalsten Heldenikonen der Comic-Welt schreiben, bei einem Verlag, der wie Marvel just zu dieser Zeit viel Wirbel um homosexuelle Comic-Paare in den hippen Superhelden-Universen gemacht hatte? Am Ende beugte sich DC dem Druck, der von aufgebrachten Fans und boykottierenden Händlern ausgeübt wurde, wenn wohl auch nicht ganz freiwillig - kein Zeichner traute sich mehr, Cards Story mit dem Stählernen umzusetzen, und so wurde das Script bis heute nicht realisiert.

Auch zum Boykott der Filmversion von Ender’s Game wurde in der Folge aufgerufen, weshalb die Macher des SF-Streifens baten, den Film doch bitte als eigenes Werk zu behandeln und zu beurteilen. Produzent Roberto Orci beteuerte gar, nichts von Cards Aussagen gewusst zu haben, und Harrison Ford stellte in Interviews zum Schluss teilweise etwas grantig, aber doch richtig fest, dass sowohl das 30 Jahre alte Buch wie auch der Film keinerlei homophobe Tendenzen haben - und daher auch nichts mit den deutlich jüngeren Aussagen des Autors zu tun, die laut Han Solo viel zu viel Aufmerksamkeit bekämen, obgleich zeitlich und thematisch deutlich abgekoppelt von der in Roman und Verfilmung erzählten Geschichte.

Außerdem war Cards erfolgreichstes und bekanntestes Buch nie ganz frei von Kontroversen. Schließlich ist da noch der ewige Vorwurf, »Ender Spiel« würde mit seinen durch die Bank minderjährigen Protagonisten in der Kampf- und Kommandoschule, die für den Krieg gegen die Aliens gedrillt werden, den Einsatz von Kindersoldaten glorifizieren – eigenartigerweise wurde und wird auf anderen geschlechts- oder altersabhängigen Gesellschaftsmodellen der Zukunftsliteratur nicht so herumgehackt. Viel zu selten wird in dem Zusammenhang überdies erwähnt, dass der Roman, der auf einer Kurzgeschichte von 1977 beruht, Themen wie den Wunderkind-Kult, Internet-Identitäten und eine vernetzte Welt sowie Cyberkriegs-Führung vor 30 Jahren voraussah und nach wie vor erstaunlich zeitgemäß behandelt.

Eine Verfilmung war trotz aller alten und neuen Kontroversen um Orson Scott Card und sein Genre-Meisterwerk schon viele Jahre im Gespräch – unter anderem arbeiteten neben Card selbst, der gleich mehrere Drehbücher zu seinem SF-Klassiker schrieb, David Benioff und Wolfgang Petersen an einem Filmscript, das nie in Produktion ging. Mit dem Schub durch Science-Fiction-Kinoerfolge wie Avatar, Star Trek oder Die Tribute von Panem, hat es nun aber auch Andrew »Ender« Wiggin endlich auf die große Leinwand geschafft.

Im Film von Regisseur und Drehbuchautor Gavin Hood (X-Men Origins: Wolverine) dreht sich, wie im Roman, alles um den jungen Ender, der dazu auserwählt wird, der Retter der Welt zu sein, die einen eben solchen bitter nötig hat. Denn der Erde steht erneut der Angriff eines übermächtigen außerirdischen Feindes bevor, der die Menschheit schon einmal beinahe ausgerottet hätte und nur in letzter Sekunde zurückgeschlagen werden konnte. Aufgrund seiner herausragenden strategischen Fähigkeiten ist Ender die einzige Hoffnung für den neuerlichen Kampf gegen die Krabbler aus dem All. Deshalb wird er zusammen mit anderen jungen Rekruten in eine Kampfschule im Weltraum gebracht. Die Erwartungen sind genauso hoch wie die Hoffnungen – und Ender muss mit Missgunst, Manipulation, Verrat und brutalen Trainingsspielen während seiner Ausbildung zum Retter der Welt klarkommen …

Mit Harrison Ford, Ben Kingsley und Asa Butterfield generationsübergreifend prominent besetzt und obendrein mit sehr ansehnlichen Effekten ausgestattet, präsentiert sich Ender’s Game als gute Roman-Adaption. Dass abgesehen von Ender alle anderen Figuren etwas blass bleiben und die eine oder andere Krankheit der literarischen Vorlage sich auch im zurechtgestutzten Film niederschlägt, ist angesichts der angestoßenen Renaissance des Ender-Universums zu verschmerzen.

Das 110 Mio. Dollar teure Spektakel um das große Spiel, das alles in allem hinter den Erwartungen am Box Office zurückblieb, ist kein ganz großes Kino geworden – aber allemal die sehr solide Verfilmung eines unvergesslichen SF-Romanklassikers, der womöglich auch als TV-Miniserie keine schlechte Figur gemacht hätte.

Ender’s Game • Regie & Drehbuch: Gavin Hood; Darsteller: Asa Butterfield, Harrison Ford, Ben Kingsley, Hailee Steinfeld

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