5. Oktober 2017 1 Likes

Multiple Wege zum Schicksal

MMO-Shooter „Destiny 2“ auf Herz und Nieren getestet

Lesezeit: 6 min.

Seien wir ehrlich: Gerade mal zwei Jahre ist es her, dass Bungies Mega-Hit MMO „Destiny“ auf dem Markt erschien. Brauchen wir da denn schon einen Nachfolger? Die Antwort wollen wir euch geben.

Das ursprüngliche „Destiny“ brach seinerzeit eine ganze Menge an Rekorden und spielte noch am Veröffentlichungstag sämtliche Entwicklungskosten von über unglaublichen 500 Millionen Dollar ein. Dass das Spiel jedoch mit großen Problemen und der Langzeitmotivation zu kämpfen hatte, zeigte bereits damals unser Test. 26 Monate und vier kleinere und größere Erweiterungen später war „Destiny“ kaum mehr zu erkennen – zum eindeutig Besseren. Warum dann aber gleich ein Nachfolger? Wenn wir ehrlich sind, so schafft es doch auch Entwickler Blizzard mit den Genre-König „World of Warcraft“ nun bereits seit ungeschlagenen 13 Jahren mit jeder Erweiterung das Spiel signifikant zu verändern und sinnvoll am Leben zu erhalten. Und Bungie zeigte mit „Destiny“ nach kurzer Zeit bereits Einsicht und war auf dem absolut richtigen Weg.

„Destiny 2“ soll alles besser machen: Noch zeitgemäßere Grafik, ein ausgeklügelteres Level- und Questsystem, eine mitreißende Kampagne und ein ganz neuer Markt, dank der Inklusion der PC-Gamer. Die Eröffnungssequenz beginnt zumindest sogleich episch, in der die letzte Stadt der Menschheit, direkt unter dem Reisenden angesiedelt, aus dem Nichts von einer gigantischen Armada der Kabale angegriffen wird. Dessen furchteinflößender Anführer, Dominus Ghaul, will nicht nur die Hüter vernichten, sondern auch das Licht des Reisenden an sich reißen. So sehen sich die Hüter gezwungen, die letzte Bastion der Menschheit im Stich zu lassen, sich erneut zu sammeln und über kurz oder lang zurückzuschlagen.

Die Köpfe hinter der „Halo“-Reihe geben sich sichtbar mehr Mühe bei der Inszenierung und Ausarbeitung ihrer Geschichte. Ein bombastischer, im Ohr bleibender Soundtrack hilft ebenfalls ungemein weiter. Kinoreife Zwischensequenzen beleuchten den facettenreichen Obermotz, sowie alte Fanlieblinge wie Cayde-6, Ikora Rey und Kommandant Zavala. Und mit seinen 10-15 Stunden trumpft der Storymodus deutlich auf. Das einzige Problem ist dabei jedoch immer noch, dass sich vieles hölzern anfühlt und die Story, trotz der Mühe, keinen wirklichen Tiefgang bietet und sich in seiner Charakterisierung der einzelnen Figuren gar widerspricht. Aber, seien wir doch erneut ehrlich, sind die meisten Spieler nicht wegen der Kampagne an „Destiny 2“ dran.

Im Gameplay, das sich nach der Story entfaltet, liegt der Reiz. Und hier zeigt Bungie erneut, dass sie aus dem Erstling gelernt haben und das weiterführen, was sie in den Erweiterungen zugrunde gelegt haben. „Destiny 2“ fühlt sich an und spielt sich, wie eine ausgeklügeltere Version, die uneingeschränkt alles besser macht. Das Run-Gunning fühlt sich geschmeidiger an, die Waffenwahl diverser und brauchbarer und gar das lange bemängelte Aufleveln und die Loot-Drops wurden von Grund auf überarbeitet. Jetzt ist es durch sogenannte „Meilensteine“ jedem Spieler möglich sich auf das aktuelle Höchstpowerlevel von 305 zu spielen, selbst ohne Teilnahme am Raid. Diese wöchentlichen Meilensteine staffeln sich im Absolvieren einer bestimmten Anzahl an öffentlichen Events (dem neuen „Flashpoint“), Schmelztiegelmatches (dem PvP-Modus), oder dem wiederkehrenden Dämmerungsstrike auf. Die eingeforderten Meilensteine lassen sich dann in „leuchtende Engramme“ an diversen Stationen auf der Farm (dem neuen Social Space) oder dem Turm, dem Social Space des Erstlings, eintauschen, die immer bessere Loot versprechen, als man gerade besitzt. Auch legendäre und exotische Gegenstände kehren zurück, die nun allesamt deutlich häufiger fallen, als es noch beim Vorgänger der Fall gewesen ist. So vergehen keine zahllosen Stunden mehr, bis man die ersten exotischen Gegenstände bekommt. Rechnerisch könnte man sich sogar auf etwa jedes fünfzehnte öffentliche Event verlassen, bei dem ein exotisches Engramm fallen gelassen wird.

Und wenn wir schon bei den öffentlichen Events sind: Diese finden immer noch an festen Orten auf den vier spielbaren Planeten statt. Jedoch sind diese nun nicht mehr gefühlt dem Zufall überlassen, sondern auf der Map sofort ersichtlich, samt angegebenem Timer, wann das Event startet. Weiterhin gibt es nun endlich Schnellreise-Orte, die man auf den Maps sofort per Knopfdruck erreicht, statt minutenlang durch die Gegenden rasen zu müssen. Damit hat Bungie ein deutlich vermisstest Feature endlich dem Spiel hinzugefügt, auf das viele Spieler lange gehofft haben. Unter „einst vermisste Features“ fallen nun aber auch endlich sogenannte „Guided Games“, die Einzelspielern ein Matchmaking für den Dämmerungsstrike und den Raid anbieten. So werden Einzelspieler, bei etwas längerer Wartezeit, mit gewillten Clan-Spielern verbunden, die sich bereit erklären anderen zu helfen. Und  hiermit wären wir auch beim letzten großen Feature: Dem Clan. Spieler, die sich einem Clan verschrieben haben, sehen das nun nicht nur bloß unter dem Gamer-Tag angezeigt, sondern erhalten sinnvolle Boni. So erhalten Clan-Spieler beim absolvieren diverser Meilensteine zusätzliche Engramme und eine erhöhte Chance auf mehr Glimmer (dem Zahlungsmittel in „Destiny 2“) oder bessere Loot-Drops. Aber alles unter der Voraussetzung, dass diese mit weiteren Clan-Mitgliedern im Einsatztrupp absolviert werden. Einmal freigeschaltet sind diese aber dann für den gesamten Clan erhältlich.

Die Krone von „Destiny 2“ stiehlt aber natürlich erneut der Raid, genannt „Leviathan“. Wie auch seinerzeit die „Gläserne Kammer“ oder auch der „Zorn der Maschine“ bietet „Leviathan“ ein völlig unvergleichliches Gefühl von Errungenschaft, nach Erledigung der einzelnen Aufgaben. Dieses Mal liegen die Aufgabengebiete sogar noch mehr Wert auf Zusammenarbeit und Team-Kommunikation. Ein Misslingen führt oft und schnell zum Totalausfall der Aufgabenstellung des Raids, was aber dem wahnwitzigen Design zuzuschreiben ist. So stehen sich die sechs mutigen Hüter einem Labyrinth (ähnlich dem der „Gorgonen“ aus dem Erstling) ausgesetzt, in dem sie von zwei Spielern an wilden Hunden und leuchtenden Blumen vorbeigeleitet werden müssen. Ein weiterer Teil zeigt sich in Form eines Gaming-Show-Parkours der an Takeshis Castle erinnert. Diese einmalige Spielerfahrung zu umschreiben, fällt als fast unmöglich aus. Und wenn man die nötigen Techniken dahinter in Worte fassen muss, um diese auch noch zu meistern, dann hat man hier einen seitenlangen Guide. Kurzgesagt: Der neue Raid stellt erneut Bungies mutigen Irrsinn und unglaubliches Spieldesign zur Schau, der von jedem „Destiny 2“-Spieler unbedingt ausprobiert werden sollte. Sonst entgeht einem eine essenzielle und im Gaming wörtlich völlig einmalige Spielerfahrung.

Zum PvP-Modus „Schmelztiegel“ sei gesagt: Die Anzahl der Teilnehmer wurde verringert. Statt der bekannten 6-vs-6-Matches, tümmeln sich nun bloß acht Spieler auf jeder Map, was dem Spiel die Frenetik des Erstlings nimmt. Weiterhin gibt es zwar noch immer fünf Modi, die sich aber nur in zwei wählbaren Kategorien dem Zufallsprinzip nach spielen lassen. Somit wählt man den „kompetitiven“ oder den „schnelles Spiel“-Modus. Diese sind dann nach zufälligen Modi unterteilt. So kann es dann doch leider gerne passieren, dass man fünf Matches des eventuell ungewollten „Countdown“-Modus spielt (der stark an „Counter Strike“ erinnert), bevor ein anderer gespielt wird. Entscheidungsfreiheit fehlt hier somit fast gänzlich.

Was heißt das nun aber im Fazit? „Destiny 2“ lohnt sich vor allem für eine Kategorie von Spielern unbedingt: Den Neulingen! Egal, ob ihr nun zum ersten Mal als PCler ran dürft, oder einfach „Destiny“ damals umgangen habt: „Destiny 2“ bietet die beste Spielerfahrung des Franchises, dank konsequenter Fortentwicklung. Bungie hat die gebotenen Chancen effektiv genutzt und in Anbetracht, dass „Destiny 2“ kein monatliches Abonnement verlangt, sondern lediglich den Kaufpreis eines Spiels, kann man ihnen da keinen Vorwurf machen. Es stellt sich nach wie vor lediglich die Frage, ob da nicht ein weiteres, großes Add-On im Stile des „Erwachen der Eisernen Lords“ nicht aus ausgereicht hätte. Kurzum: Wer prinzipiell mit dem Vorgänger nichts anfangen konnte, wird sich mit „Destiny 2“ auch keinen großen Gefallen tun.

Aber wenn wir nun doch wirklich ehrlich sind, so macht „Destiny 2“ umso mehr Spaß und sollte allein auf Grund der beeindruckenden Multiplayer-Erfahrung dem geneigten Science-Fiction- und MMO-Fan nicht fehlen, gerade wenn man den Erstling noch umgangen hat.

„Destiny 2“ ist weltweit seit dem 4. September für XBox One und PS4 erhältlich. Die PC-Version folgt noch diesen Monat am 24. Oktober 2017.

Destiny 2 • Bungie • Action-RPG/MMO • PC, Xbox One, Playstation 4

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