22. Februar 2017 3 Likes 1

Das Verhältnis zum Universum imaginieren

Cixin Liu, der Autor des Bestsellers „Die drei Sonnen“, im Gespräch über China, Science-Fiction und seine Menschheitsvision

Lesezeit: 5 min.

Auf einmal ist chinesische Science-Fiction in aller Munde. Mit seinem Roman „Die drei Sonnen“ (im Shop) hat Cixin Liu nicht nur 2015 den begehrten Hugo Award gewonnen, sondern weltweit auch eine große Begeisterung für Genreliteratur aus Fernost losgetreten. Überall sind Kritiker wie Leser gleichermaßen des Lobes voll für die kühnen Metaphern und die kühle, aber dennoch „poetisch durchfunkelte“ (D. Dath) Sprache des Chinesen. Auf der Frankfurter Buchmesse 2016 hatte ich das Privileg, Cixin Liu zu treffen und mich mit ihm über sein Buch, über Science-Fiction in China und über seine Vision für das Genre insgesamt zu unterhalten.
 

Cixin Liu: Die drei Sonnendiezukunft: Herr Liu, ich freue mich sehr, dass Sie nach Deutschland gekommen sind und wir uns hier auf der Buchmesse in Frankfurt unterhalten können! Ich habe einmal ausgerechnet, dass die Strecke Peking–München, wo unser Verlag ja zuhause ist, ungefähr 0,0025 Lichtsekunden beträgt. Das ist eigentlich relativ nah, kosmisch gesehen „direkt um die Ecke“. Oder kommt es Ihnen jetzt, wo Sie hier in Europa sind, doch weiter entfernt vor?

Cixin Liu: Für einen Science-Fiction-Autor sind alle Entfernungen letztlich so klein wie ein mathematischer Punkt. Es gibt ein bedeutsames Foto, das vor einigen Jahren gemacht wurde. Darauf sieht man die ganze Erde als blau leuchtenden Himmelskörper – ein „blasser blauer Punkt“. So ist auch der Blick eines Science-Fiction-Autors: Für ihn gibt letztlich keine Distanzen auf der Erde.

Sie sind ja gerade auf Tour durch Europa, um „Die drei Sonnen“, den Auftaktroman ihrer Three-Body-Trilogie, vorzustellen. In den Bilden, die Sie darin entfalten, wie etwa der Schlachtreihen-Computer in dem gleichnaminge Spiel Three-Body, verbinden Sie chinesische Geschichte mit komplizierten technischen Zusammenhängen. Wie hat sich diese Art zu Schreiben bei Ihnen entwickelt?

Cixin Liu: Die drei Sonnen
Cixin Liu

Als ich jung war, mochte ich Computerspiele besonders gern. Die waren damals natürlich noch nicht mit dem Internet verbunden und auch nicht so spannend wie heutige Games. Heute habe ich leider nicht mehr die Zeit, um zu spielen, weil ich so viel zu tun habe. Es gibt einen wichtigen Aspekt  in „Die drei Sonnen“, den ich dort leider nicht genügend hervorheben konnte. Es ist nämlich so, dass die Welt der Außerirdischen, die im Spiel dargestellt wird, eigentlich gar nicht die „reale“ Welt der Trisolarier zeigt, sondern lediglich der menschlichen Vorstellungskraft entsprungen ist. Es ist schade, dass ich diese Unterscheidung im Roman nicht stärker betont habe, denn die Vorstellungen derjenigen, die „Three-Body“ erschaffen haben, waren natürlich geprägt von ihren kulturellen Rahmenbedingungen. Deshalb wird der erste Band meiner Trilogie von dieser fiktiven Computerspielwelt dominiert.

Nun, ich persönlich fand durchaus, dass dieses Spannungsverhältnis zwischen außerirdischen Gegebenheiten und ihrer Übersetzung in menschliche Bilder im Roman deutlich wird. Jetzt kommt aber noch hinzu, dass tatsächlich ein Exoplanet entdeckt wurde, der um drei Sonnen kreist. Das Gedankenspiel eines fiktiven Games rückt auf einmal ganz nah an uns heran. Was empfinden Sie bei solchen astronomischen Entdeckungen, und für wie realistisch halten Sie ihren eigenen Roman?

Die Wahrscheinlichkeit, dass auf solch einem Planeten Leben existiert, geht gegen Null. Außerdem liegt das Sternsystem meines Romans ja in der Nähe unseres Sonnensystems, und es kann ja gar nicht sein, dass wir das auf eine solche Entfernung nicht schon längst entdeckt hätten. Allerdings tut sich in der Astronomie gerade sehr viel. Im Juni 2016 hat ein amerikanischer Astronom im Centauri-Sternsystem einen Planeten entdeckt, der offenbar viele Ähnlichkeiten mit der Erde hat. Darin liegt auch die Besonderheit der Science-Fiction-Literatur. Die Autoren denken sich das Unmögliche aus, um ihre Geschichten spannend zu machen, aber gerade das anscheinend Unmögliche kann irgendwann dann eben doch noch Realität werden. Das macht ja den Reiz der Science-Fiction aus.

Da wir gerade davon sprechen – welche Science-Fiction-Autoren haben Sie eigentlich gelesen, und gibt es chinesische Genre-Autoren, die Sie geprägt haben?

Nun, ich habe schon eine ganze Menge Science-Fiction gelesen. Das fing an mit Heftromanen in den 1970ern. Leider gab es in China damals praktisch keinen Autor des Genres, sodass mich vor allem englischsprachige Autoren geprägt haben. Zum einen war das Arthur C. Clarke mit „2001 – Odyssee im Weltraum“ (im Shop), und zum anderen George Orwell mit „1984“.

Und seit wann schreiben Sie selbst nun schon Science-Fiction?

So gesehen begann ich „offiziell“ erst 1998, zu schreiben und meine Geschichten auch zu veröffentlichen. Davor war ich Ingenieur für Computertechnik in einem Kraftwerk.

Sie haben einmal gesagt, dass die Science-Fiction sich weniger um die menschlichen Probleme auf der Erde kümmert, sondern ihren Blick auf das wirft, was darüber hinausgeht.

Cixin Liu: Die drei SonnenDas wichtigste Thema der Science-Fiction ist das Verhältnis des Menschen zum Universum. Das meine ich aber gar nicht philosophisch, und es geht mir auch nicht um ein metaphysisches Verhältnis wie etwa die Empfindungen eines Menschen, wenn er zum Nachthimmel emporschaut. Nein, mir geht es dabei um die tatsächliche Beziehung zwischen dem Menschen und dem physikalischen Univerum. Die Veränderungen des Universums sind eng verknüpft mit dem Leben jedes einzelnen Menschen auf der Erde. Darin liegt auch die größte Herausforderung für den Autor von Science-Fiction-Literatur, denn diese Verknüpfung ist für die meisten von uns nicht real – ob das Universum nun expandiert oder schrumpft, oder ob irgendwo ein Stern explodiert, scheint uns Menschen zunächst einmal nicht weiter zu beeinflussen. Ich möchte mit meiner Science-Fiction das Verhältnis zwischen dem Universum und uns Menschen imaginieren und Bilder dafür finden. Denn dass sich dieses Verhältnis für uns hier und jetzt nicht real anfühlt, heißt ja nicht, dass es später keinen Einfluss auf uns haben wird. Meine Aufgabe als Autor ist es nun, so denke ich, mir alle möglichen Varianten dieser Beziehung auszudenken.

Was bedeutet das Universum dann für Sie ganz persönlich?

Für mich ist das Universum eng mit meinem Leben verknüpft, und vielleicht empfinde ich das noch deutlicher als andere Science-Fiction-Autoren. Es ist für mich eine Plattform, auf der ich mir neue Welten ausdenken kann.

Die drei Sonnen - FilmEine letzte Frage noch. Ich habe gehört, dass „Die drei Sonnen“ verfilmt werden soll. Wissen Sie, wie weit die Dreharbeiten schon sind?

Die Produktion hat im März 2016 begonnen. So weit ich weiß, sind die Dreharbeiten inzwischen abgeschlossen, und momentan arbeiten sie an der Post-Production. Im Sommer 2018 soll der Film dann fertig sein. Es wird der teuerste chinesische Science-Fiction-Film, so viel steht schon fest, und weil die Produktionsfirma nur wenig Erfahrung mit solchen Filmen hat, dauert es so lange. Ich glaube aber, es wird ein guter Film!

Das klingt spannend. Herr Liu, vielen Dank für dieses Gespräch!

Sehr gern. Und ich freue mich schon sehr auf die deutsche Ausgabe meines Romans!

 

Das Gespräch wurde von Frau Quing Wang übersetzt.

Kommentare

Bild des Benutzers Elisabeth Bösl

Also, ich finde auch, dass im Roman sehr deutlich wird, dass die fiktive Computerspielewelt "Trisolaris" tatsächlich für die Menschen zugeschnitten ist und nicht das "tatsächliche" Trisolaris abbildet. Oder geht das nur mir so?

Zum Verfassen von Kommentaren bitte Anmelden oder Registrieren.
Sie benötigen einen Webbrowser mit aktiviertem JavaScript um alle Features dieser Seite nutzen zu können.