19. November 2015 3 Likes

Gegen oder mit dem System?

Die brillante Hackerserie „Mr. Robot“

Lesezeit: 4 min.

Man kennt ja diese Bilder: Meist junge Männer, die manisch auf einen Bildschirm starren, auf dem möglichst wilde Datenkaskaden den Eindruck enormer Komplexität suggerieren, die dabei wie wahnsinnig in die Tasten hauen und am besten noch kaum verständliche, sich irgendwie technisch anhörende Phrasen von sich geben. Das Bild des Hackers in Spielfilmen und TV-Serien ist seit Jahren von diesem Klischee geprägt, das wie alle Klischees natürlich nicht ganz aus der Luft gegriffen ist. Gerade ein bisschen manisch und autistisch muss man vermutlich unbedingt sein, um stundenlang in die Tiefen von Programmcodes einzutauchen, um im besten Fall einen Weg in ein eigentlich geschlossenes System zu finden. Auch die neue Serie „Mr. Robot“, die ab Freitag auch in Deutschland (auf Amazon Prime) zu sehen ist, bedient sich dieses Musters und ist doch etwas ganz besonderes.

Als bislang realistischste Darstellung des Hackens haben Kenner der Szene die von Sam Esmail erdachte Serie bezeichnet, was man als Laie vermutlich einfach mal glauben muss. Denn ob das, was der Held Elliot Alderson (Rami Malek) da anstellt, sich wirklich substanziell von dem Unterscheidet, was etwa Sandra Bullock in „The Net“ oder zuletzt Tom Schilling in „Who am I“ trieben, ist kaum zu sagen – aber auch nicht entscheidend für die Qualität der Serie.

Der offensichtlichste Einfluss auf „Mr. Robot“ ist ohne Frage „Fight Club“, nicht nur, weil die Hauptfigur ein autistischer Einzelgänger ist, sondern vor allem der unverhohlenen Konsumkritik wegen. Wie einst der namenlose Erzähler in David Finchers Film ist auch Elliot zu Beginn Teil des Systems, arbeitet bei einer IT-Firma, die unter anderem die Sicherheit der megalomanischen E Corp verantwortet – deren aus einem gekippten E bestehenden Logo erinnert nicht zufällig an das Logo von Enron –, symbolisiert jedoch nicht ein spezielles Unternehmen, sondern ganz allgemein die Krake der globalisierten Wirtschaft, die längst jeden Lebensbereich erfasst hat. Für Elliot ist E Corp dementsprechend nichts anderes als Evil Corp und gehört mit allen Mitteln bekämpft. Diese zeigt ihm der geheimnisvolle Mr. Robot (Christian Slater) auf, der in einem verfallenen Vergnügungspark mit einigen Gleichgesinnten eine Hacker-Gruppe anführt, die im Stile von Anonymous gegen das System kämpft. Das hört sich nun auf den ersten Blick nicht furchtbar originell an, wird aber vor allem durch die bald immer wichtiger werdende psychologische Komponente zu einer der interessantesten Serien der letzten Jahre.

Zum einen ist da das Verhältnis zwischen Elliot und Mr. Robot, das zwar jeder „Fight Club“-Kenner bald durchschaut, aber ein treffender Kontrast zur dritten Hauptfigur Tyrell Wellick (Martin Wallström) ist. Der war einst selbst Hacker und ist inzwischen zum gelackten, anzugtragenden Teil der Führungsriege von E Corp aufgestiegen. Seine einstigen Träume vom Systemumsturz hat er längst aufgegeben und ist lieber selbst zum Teil des Systems geworden, das ihn reich gemacht hat. Und genau dieser Aspekt ist es, der „Mr. Robot“ in erstaunlichem Maße selbstreflexiv macht. Denn er stellt die entscheidende Frage: Wie subversiv kann eine anarchische Bewegung sein, deren Pamphlete, deren Thesen und Texte in einem Unternehmen veröffentlicht werden, das selbst Teil des Systems ist? Kann man wirklich ernsthaft von Subversion sprechen, wenn ein Unternehmen, das Teil der globalen Unterhaltungsindustrie ist, ein Buch, einen Film oder wie hier eine Serie veröffentlicht, die eben dieses System in Frage stellt? Es mag sich ja gut anfühlen, etwa ein Buch wie Naomi Kleins „Die Entscheidung“ zu lesen. Doch entgegen des marktschreierischen Slogans Dieses Buch verändert alles! ändert sich eben nichts, wenn man sich nicht der Ironie bewusst ist, so ein Buch zu lesen, während man bei Starbucks einen kalorienarmen Latte Frapuccino trinkt und nebenbei auf seinem garantiert nicht fair produzierten iPhone die neuseten facebook-Nachrichten checkt.

Der immanente Widerspruch, der entsteht, wenn man das System mit den Mitteln des Systems bekämpfen will, wird in „Mr. Robot“ offensiv thematisiert, nicht nur in der kaum noch latenten Schizophrenie seiner Hauptfigur, sondern auch in einer zynisch anmutenden, aber vermutlich realistischen Beschreibung der Strukturen: Da wird einer mit Elliot befreundeten Programmiererin etwa von genau dem Konzern ein Angebot unterbreitet, den sie kurz zuvor noch bekämpfte. Während sich die Hackerin darüber wundert, liegt der Sinn des Angebots für den Recruiter auf der Hand: Warum jemanden mit albernen juristischen Mitteln belangen, wenn man sich dessen Fähigkeiten auch selbst zu Nutze machen kann, schließlich hat (fast) jeder seinen Preis. Bei allem Unterhaltungsfaktor – und der ist enorm – weicht „Mr. Robot“ dieser bitteren Erkenntnis nicht aus: Die Strukturen des globalen Kapitalismus sind inzwischen so mächtig, die Verheißungen ein Teil des Systems zu sein so groß, dass selbst Versuche, das System zu verändern geradezu als Teil des System zu bezeichnen sind. Denn am Ende siegt meist das Geld, am Ende frisst die Revolution ihre Kinder, am Ende saugt das System seine Gegner einfach auf – und macht sie kurzerhand selbst zum Teil des Systems.

„Mr. Robot“ läuft ab dem November auf Amazon Prime.

Mr. Robot • USA 2015 • Creator: Sam Esmail • Darsteller: Rami Malek, Christian Slater, Martin Wallström, Portia Doubleday

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