3. April 2014

Zug nach Nirgendwo

Eisige Zukunftsvisionen im „Snowpiercer“

Lesezeit: 2 min.

Ab heute im Kino! Daher gibt’s die Review noch mal als Repost.

Nachdem er sich bereits mit „The Host“ der monströsen Folgen menschlicher Hybris angenommen hatte, entführt uns der südkoreanische Meisterregisseur Bong Joon-Ho mit seinem „Snowpiercer“ in eine Zukunft, in welcher der Mensch kaum mehr eine Rolle zu spielen scheint. Nach vermeintlich protektiven Eingriffen ins Klimagleichgewicht ist die Erde hier nämlich zu Eis erstarrt, der titelgebende „Schneekreuzer“ (so auch der Titel zur deutschen Ausgabe der französischen Graphic Novel) zur letzten Zuflucht für die verbliebene Menschheit geworden. Allerdings herrschen auf dieser modernen Arche Noah, die einmal im Jahr die Erde umkreist, die Gesetze einer auf den Mikrokosmos geschrumpften globalisierten Welt: In den hinteren Wägen wird der gesellschaftliche Abschaum gleichsam als menschlicher Rohstoff gehalten, während man sich bei den Eliten in der 1. Klasse einem Leben in Dekadenz hingibt.

So weit, so simpel gestrickte Parabel. Mit dem Ausbruch einer Revolution aber, die vom ungestümen Curtis Everett (Chris Evans) angeführt wird, verschieben sich bald die Perspektiven. Denn im brutalen Befreiungskampf, der brutalstes Actionkino auf kleinem Raum zelebriert, offenbart sich das Wesen des Menschen in seiner ganzen Gewalttätigkeit. Und wenn uns im Verlauf der zweiten Hälfte dann die letzten moralischen Bodendielen unter den Füßen weggezogen werden, dann wird deutlich, wie nihilistisch die Sicht des „Snowpiercer“ auf die Menschheit und ihren postapokalyptischen Überlebenskampf wirklich ist. Und wie groß dieser Film, der seiner Kompromisslosigkeit wegen sogar beim legendären US-Produzenten Harvey Weinstein angeeckt ist. Der hat den „Snowpiercer“ für zu intelligent für das Massenpublikum gehalten. Eine größere Empfehlung kann man wohl kaum aussprechen…

Chris Evans als Curtis: Überleben auf engstem Raum (Bilder: MFA Filmverleih)

Um die Welt mit dem „Snowpiercer“ (MFA Filmverleih)

„The Day After Tomorrow“, anyone? (MFA Filmverleih)

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