9. September 2016 1 Likes

Ein orwellscher Albtraum

Playdeads „Inside“ im Test

Lesezeit: 3 min.

Man könnte meinen, dass George Orwell eines Nachts von der Welt aus dem Spiel „Inside“ träumte, schweißgebadet aufwachte und dann auf den Gedanken kam, „1984“ zu schreiben. Düster, bedrückend, noch zynischer, ja gar schwarzhumorig wirkt zuweilen Playdeads neuestes Werk. Und ist mindestens genauso sozialkritisch. Nur mit einem besonderen Bezug zu unserer vernetzten Moderne.

Aber zunächst: Der geistige Nachfolger zu „Limbo“ befand sich gute fünf Jahre in Entwicklung und ist nach XBox One und PC seit kurzem auch für die Playstation 4 erhältlich. „Inside“ spielt in einer dystopischen nahen Zukunft, in der eine namenlose Organisation Menschen zu willenlosen Zombies ummodelliert und diese zu irgendeinem ominösen Zweck in einer großen Fabrik zusammenpfercht. Der Spieler übernimmt die Rolle eines kleinen Jungen, dessen einziges Merkmal ein rotes Shirt ist – in einer sonst sehr farblosen, fast monochromatischen Welt. Dieser Junge soll dann durch Wälder, Farmgebiete, Städte, Fabriken, unter und über Wasser zum Ziel geführt werden. Auf der Reise dahin stehen allerhand Hindernisse und äußerst clevere und ausgeklügelt designte Puzzles im Weg.

In seinem Kern ist „Inside“ ein „2.5-dimensionaler“ Puzzle-Plattformer. Sozusagen ein Sidescroller wie „Super Mario“ mit gelegentlichen Wechselebenen, die nur selten in die „Tiefe“ gehen. Fast alles spielt sich auf einer Ebene ab. Die Kamera bleibt stets im gleichen Winkel positioniert. Mit einem weiten Blick in die Welt schleicht man dann Wachen davon, rennt und springt in allerletzter Sekunde tollwütigen Jagdhunden aus den Fängen oder eilt über einstürzende Balken.

Gerade die rasanten Jagd- und Fluchtsequenzen (die manchmal wirklich aus dem Nichts zu kommen scheinen), lassen den Puls in ungeahnte Höhen steigen und wirken besonders toll inszeniert. Oft enden diese, durch ihr knapp bemessenes Erfolgsfenster jedoch beim ersten und zweiten Versuch noch im Tod, bis man dann letztlich austüftelt, wie man jenem Soldaten oder Hund entkommt. Schweißtreibend gut und durch äußerst fair gesetzte Speicherpunkte kommt niemals Frustgefühl auf.

Die ruhigen Momente „Insides“ stehen dem im Nichts nach. Während häufig nur das Atmen des Jungens zu hören ist, einzelne Lichtstrahlen ins Grau der Welt fallen und sich in weiter Ferne kleine Menschenketten zombieartig in Bewegung setzen, überkommt einen ein beklemmendes Gefühl der Einsamkeit. Ein Nagen im Hinterkopf, hier schnell fort zu wollen und weiter zu gehen – das nie aufhört, bis man das komplette Spiel in einer einzigen Sitzung durchspielt. Was übrigens zwischen drei bis sechs Stunden in Anspruch nimmt. Auch die spärliche Nutzung von Musik dient der Akzentuierung besonderer Momente. Wenn man zum ersten Mal einen Helm aufsetzt, um die willenlosen Menschen zu steuern (die häufig Teile der Rätsel sind), oder im späteren Verlauf mit Hilfe eines kleinen U-Boots die Unterwasserwelt besucht – der einsetzende Soundtrack unterstreicht diese Szenerien und sorgt häufig für daraus resultierende Gänsehautmomente.

Die Rätsel „Insides“ reichen von simplem „schiebe Kiste A auf Schalter B“ bis hin zu über mehrere Stockwerke spannende Räumlichkeiten, in denen allerhand Schalter gedrückt werden müssen, um mit kleinen physikalischen Spielchen eine Horde willenloser Menschen an einen bestimmten Ort zu bringen. Die Lösung jedes Rätsels liegt oft schnell auf der Hand und selbst, wenn man für einen Moment stecken bleibt, ist der erleuchtende „Aha!“-Moment nie fern. Von solchem Leveldesign und den daraus resultierenden Spielereien könnten sich viele Entwickler etwas abschneiden.

Gerade die stellenweise weitläufigen Abschnitte laden zum Suchen diverser versteckter Geheimnisse ein – die übrigens bei erfolgreicher Findung irgendwann auch zu einem geheimen, alternativen Ende führen. Und wenn wir schon mal beim Ende der Geschichte angelangt sind: Es ist etwas, das sicher die Gemüter spalten wird, aber auch einen äußerst sozialkritischen Ton mit sich trägt und eine gehörige Portion schwarzen Humors. Es regt zum Denken an und zaubert jedem für zumindest einen Moment gen Finale ein kurzes Grinsen ins Gesicht.

„Inside“ ist seit dem 29. Juni für XBox One erhältlich, auf dem PC seit dem 7. Juli und auf der Playstation 4 seit dem 23. August 2016. Interessenten kostet die dystopische Achterbahnfahrt auf allen digitalen Plattformen €19,99. Eine physische Veröffentlichung auf Disc wird es aller Voraussicht nach nicht geben.

Inside • Playdead • Puzzle/Plattformer/Survivaladventure • PC, Xbox One, Playstation 4

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