10. Juni 2014

Hack & Play

Ubisofts „Watch Dogs“ im Test

Lesezeit: 3 min.

Snowden, die NSA und die Folgen: Wäre Ubisofts Next- und New Gen-Spektakel erschienen wie geplant – nämlich im November letzten Jahres -, der Entwickler hätte die Überwachungsdebatte noch auf dem Höhepunkt der öffentlichen Erregung mitnehmen können. So kam es – angeblich aus entwicklungstechnischen Gründen – zu einer Verspätung von gut einem halben Jahr. Wir wollen ja nicht unken: Aber vielleicht hatten ja staatliche Überwachunsorgane ihre Finger im Spiel?

Das würde zumindest erklären, warum der allseits als Zukunft des Videospielens gerühmte Titel so wenig wirklich aufsehenerregende Überraschungen in petto hat. Und auch die Debatte über offensichtlich geschönte Trailervideos, deren In-Game-Material wenig bis nichts mit dem aktuellen Look zu tun hat, bekommt neue Nahrung. Sicher: Watch Dogs zelebriert den gläsernen Bürger. Allerdings mit einem Spielmechanismus, der eher wie ein Gimmick wirkt, anstatt tatsächlich immer spielentscheidend zu sein. In großen Teilen spielt sich der Rest nämlich wie ein zugegebenermaßen stark gemachter Klon aus GTA und Deus EX.

Aber worum geht’s? In nicht allzu ferner Zukunft wird Chicago vom sogenannten CtOS kontrolliert – einem Überwachungssystem, das den „Big Brother“ eines Orwell zum kleinen Bruder degradiert. Hier hat Technikrevoluzzer Aiden Pierce vor einiger Zeit einen Hackangriff gestartet, der nicht unbemerkt geblieben ist. Die Folge: Erzürnte schwer kriminelle Ziele, deren Zorn auf Aidens Nichte gelenkt wird: Sie stirbt bei einem Anschlag. Das lässt unser Held natürlich nicht auf sich sitzen. Getrieben von Rachegelüsten macht er sich auf die Jagd nach den Auftraggebern – und sich dabei genau jenes Kontrollsystem zu Nutze, das der Überwachung der Bürger dient.

In der riesigen frei erkundbaren Sandbox-Welt kommen wir so durch das Hacken von Passantenhandys an Bank- und Missionsdaten, schalten uns in Überwachungskameras ein und lenken den Verkehr um. Was bereits am Anfang zu leichter Überforderung führen kann. Man muss sich das nämlich vorstellen wie die Gabe des Gedankenlesens: Plötzlich hat man irrsinnig viele Informationen im und vor dem Kopf; und muss versuchen, jene zu filtern, während man eigentlich nur der Hauptmission folgen will (vorausgesetzt, man entschließt sich nicht dazu, lediglich die Metaebene zu spielen und als allwissendes Auge durch das Spiel zu wandeln).  Das Hauptspiel macht es einem mit ebenfalls über fortgeschrittene Überwachungstechnologie verfügenden Gegnern jedenfalls alles andere als leicht. Kaum hat man sich in bester GTA-Manier und unter Zuhilfenahme von Ampel- und Brückenhacks im Auto vor der Polizei gerettet, wird bereits wieder ein engmaschiges Netz ausgeworfen, das die ganze Hatz unnötig in die Länge zieht.

Hat man sich erst einmal an die Möglichkeiten gewöhnt, die Watch Dogs dem Spieler bietet, dann stellt sich endlich auch so etwas wie ein spielerischer Fluss ein, den allerdings nicht mehr wirklich allzu viel von GTA und Co. unterscheidet. Da können die schreibenden Kollegen noch so begeistert darüber berichten, dass man sich nach dem Informationsoverload reichlich paranoid zurück ins echte Leben begeben habe. Als starker Sandbox-Actioner mit strategischer Note degradiert das Spiel den gläsernen Bürger halt doch nur zur wandelnden Cash-Cow

Volle Kontrolle: Aiden Pierce als großer Bruder…
 

Aiden Pierce is watching you…

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