12. Mai 2014

Biopunk und Zombie-Baseball

Das hochkarätige Schaffen von Paolo Bacigalupi

Lesezeit: 4 min.

Mit seinen Kurzgeschichten und Romanen avancierte der 1972 geborene Paolo Bacigalupi zu einer der wichtigsten und interessantesten neuen Stimmen der zeitgenössischen Science-Fiction. Ab 1999 war er ein regelmäßiger Gast in den einschlägigen englischsprachigen SF-Magazinen, 2009 erschien mit „Biokrieg“ (im Shop) sein erster Roman, der vom „Time Magazine“ als eines der zehn wichtigsten Bücher des Jahres bezeichnet und sowohl mit dem Hugo als auch mit dem Nebula Award ausgezeichnet wurde.

Bacigalupi ist eine Art William Gibson (im Shop) seiner Generation, nur dass er statt Cyberpunk eben Biopunk schreibt und noch eine ordentliche Schippe der überwucherten Zukunftsvisionen von J. G. Ballard einbringt. Unabhängig vom Umfang seiner Bio-Dystopien, überträgt Bacigalupi, der heute mit seiner Frau und seinem Sohn in West Colardo lebt, die Ängste, Sorgen und Gefahren unserer Zeit auf seine gut durchdachten Szenarien, wobei er der Menschheit nicht gerade das beste Zeugnis ausstellt.

In seinem Roman-Erstling „Biokrieg“, aber auch in seinen beiden hervorragenden Young-Adult-Novels „Schiffsdiebe“ (im Shop) und „Versunkene Städte“ (im Shop), die seither erschienen, geht es um die Welt nach dem großen Knall. Um eine nicht allzu ferne Zukunft, in der Klimawandel und Krieg das digitale Zeitalter der Globalisierung vom Antlitz der Erde gefegt haben. Bacigalupi greift den Faden auf, nachdem die Dämme gebrochen und ein Großteil der alten Strukturen zerstört sind. Es gibt neue Werte, einen neuen technischen und zivilisatorischen Standard, und natürlich neue Konflikte. Nur weil den Menschen das Wasser mancherorts noch immer fast bis zum Hals steht, kämpfen sie schließlich nach wie vor verbissen um das, was ihnen geblieben ist – selbst wenn es sich nur um Trümmer und Schrott und falsche Loyalität handelt.

Bacigalupis All-Age-Bücher „Schiffsdiebe“ und „Versunkene Städte“ sind hierbei nicht bloß substanzvoll und packend, sondern auch erstaunlich hart und brutal. Besonders erfreulich: Zusammen gelesen machen sie zwar noch mehr Spaß, doch funktioniert auch jedes Buch für sich, während in beiden Werken – wie im äußerst gehaltvollen „Biokrieg“ – die Scherben einer alten Welt beim Umblättern der Seiten knirschen und sich mahnend und warnend in unsere Bewusstseinssohle bohren. In Bacigalupis Extrapolarisation der Probleme von Heute, die in einem grausamen Morgen nach der Katastrophe und dem Kollaps münden, liegt immerhin ein gewaltiger, glaubhafter Horror, den Zombies und andere Endzeit-Vertreter niemals erreichen können.

Dennoch wagte sich Bacigalupi in seinem jüngsten Roman „Zombie Baseball Beatdown“ an das Untoten-Thema. Ausgerechnet Zombies! Ausgerechnet Bacigalupi! Zombies passen auf den ersten Blick so gar nicht zu diesem Autor. Umso beeindruckender ist es, dass Mr. Bacigalupi nach der Shared-World-Fantasy-Novelle „The Alchemist“ seine schriftstellerische Komfortzone erneut verlassen hat – und was für ein toller „Jungs-Roman“ am Ende dabei herausgekommen ist, der gerade als Finalist für den Locus-Award bekanntgegeben wurde, wo „Zombie Baseball Beatdown“ um den Titel des besten Jugendbuches des Jahres 2013 antritt und mehr als gute Chancen hat!

Denn gehaltvoll bleibt Bacigalupi auch dann noch, wenn Zombies an Bord sind. In „Zombie Baseball Beatdown“ geht es ihm so etwa um Themen wie Freundschaft, Multikulti-Migration, illegale Einwanderer, Ausbeutung, Korruption, Massentierhaltung, Gammelfleisch, Baseball – und klar, logischerweise auch die titelgebenden Zombies, die in erster Linie mit Baseballschlägern niedergeknüppelt werden. Dabei versprüht der sympathisch geschriebene Roman herrlich viel Horror-B-Movie-Charme und splattert auch immer mal ein bisschen, wie nicht anders zu erwarten. Kinderbuch ist es definitiv keines, für Jugendliche und alle anderen aber absolut geeignet. Und keine Panik – es ist nicht der typische amerikanische Baseball-Roman, den der gemeine Nichtamerikaner nicht versteht, und die Handlung dreht sich eigentlich auch nur ein Kapitel lang so richtig um den US-Ballsport. Da gibt es letztlich fast mehr Anspielungen auf Spider Jerusalem, den Gonzo-Reporter aus Warren Ellis’ titanischer Vertigo-SF-Comicserie, als Baseball-Kauderwelsch.

Letzten Endes ist das freilich nicht der Bacigalupi, den man nach seinen famosen Romanen und Kurzgeschichten gewohnt ist oder erwartet hat, aber eben doch wieder ein sehr lesenswerter Bacigalupi. Und weil er das nicht allzu lange Buch diesmal für jüngere Leser geschrieben hat, ist seine Prosa auf Englisch auch weit weniger schwer zu lesen als z. B in „The Windup Girl“, wie „Biokrieg“ im arg anspruchsvollen Original heißt.

Exzellenter Biopunk, packende All-Age-SF, überragende Kurzgeschichten aus einer völlig anderen Endzeit, und jetzt auch noch spaßige, intelligente Zombie-Unterhaltung für alle Altersklassen – damit gibt es endgültig keine Ausreden mehr für jene, die noch immer nichts von Paolo Bacigalupi gelesen haben.

Als nächstes erscheinen aus seiner Feder übrigens der Jugendbuch-Thriller „The Doubt Factory“ und sein nächster SF-Roman für Erwachsene, „The Water Knife“.

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