21. März 2017

Der große Mondschwindel

Stichwort Lügenpresse: Ein kurioses Stück Mediengeschichte neu verpackt

Lesezeit: 2 min.

Im August 1835 erschienen in mehreren Beilagen der „New York Sun“ sechs Artikel von Richard Adams Locke (1800–1871), einem direkten Nachfahren des Aufklärers John Locke, der in seinen Schriften Erstaunliches zu berichten wusste. Kunstvoll beschrieb Richard Adams Locke die astronomischen Entdeckungen des angesehenen Forschers und Erfinders John Herschel (1792–1871), der mit einem Teleskop den Beweis für intelligentes Leben im All gefunden hatte – und gleich dazu für außerirdische, geflügelte Fledermausmenschen auf dem Mond!

Natürlich handelte es sich bei der Artikelserie um eine gewaltige, bewusst inszenierte Zeitungsente im großen Stil, vermutlich sogar die erste ihrer Art. Anno 1836 erschienen die mit viel Fantasie und Beflissenheit ersonnenen ‚wissenschaftlichen Berichte‘ erstmals auf Deutsch. Jetzt wurden sie im jungen Verlag Das Kulturelle Gedächtnis in einem hübsch aufgemachten Hardcover-Band mit dem Titel „Neueste Berichte vom Cap der guten Hoffnung über Sir John Herschel’s Höchst Merkwürdige Astronomische Entdeckungen, den Mond und seine Bewohner betreffend“ neu in Buchform aufgelegt. Mitverleger und Herausgeber Peter Graf stimmt in seinem Vorwort schön auf das damalige Prozedere und Phänomen ein, und im Anhang wartet noch ein eigens übersetzter Essay von Edgar Allan Poe (1809–1849), der den Great Moon Hoax im Jahre 1848 genüsslich sezierte.

Ein kuriose Geschichte im Mondlicht früherer Tage, ein erheiternder Einblick in das astronomische und wissenschaftliche Bewusstsein einer anderen Epoche, ein verblüffendes Stück Mediengeschichte, und ein wirklich charmantes kleines Büchlein im Programm des frisch an den Start gegangenen, von stillen Teilhabern unterstützen Spezialverlags aus Berlin.

Richard Adams Locke: Neueste Berichte vom Cap der guten Hoffnung über Sir John Herschel’s Höchst Merkwürdige Astronomische Entdeckungen, den Mond und seine Bewohner betreffend Verlag Das Kulturelle Gedächtnis, Berlin 2017 • 128 Seiten • Hardcover: 20,00 Euro

 

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