„ANNO: Mutationem“ – Cyberkickass
Cyberpunk-Indie mit dem Herz am rechten Actionfleck
So langsam dürfte selbst der härteste Fan ein wenig darüber staunen, wie häufig in den letzten Jahren gerade, aber nicht nur im Indie-Bereich Cyberpunk-Settings herhalten mussten, um ein Spiel mit typischer Action- oder Adventure-Mechanik vermeintlich interessanter zu gestalten. Um es daher gleich vorwegzunehmen: Natürlich erfindet auch ThinkingStar Cyberpunk nicht neu und verlässt sich auf wohlbekannte Bausteine wie eine düstere Zukunftsmetropole, viel Neonlicht und schummrige Charaktere, deren Inszenierung von einem stimmungsvoll knackigen Synthiesoundtrack untermalt wird. Allerdings ist ebenso wahr, dass ANNO: Mutationem eben trotzdem seine Stärken hat und alle Liebhaber klassischer Action-Adventures mit leichtem RPG-Touch einen Blick auf diesen Titel riskieren sollten, der seit Mitte März digital für PC und Sony-Konsolen zum Preis von rund 21 Euro erhältlich ist.
In Gestalt der äußerst wehrhaften Heldin Ann geht es in ANNO: Mutationem darum, Anns Vergangenheit ebenso aufzuarbeiten wie natürlich einer großen Sache auf der Spur zu sein, bei der Megakonzerne und geheime Gruppierungen ihre Finger im Spiel haben. Die Story wird hauptsächlich mit vielen Dialogen und einigen Cutscenes vorangetrieben, wobei neben den Textblöcken solide englische Sprecher zum Einsatz kommen. Dabei steuern wir Ann in einem unmittelbaren Wechsel zwischen 2- und 3D durch die Viertel der Stadt, wobei wir uns frei bewegen und zu bereits besuchten Orten immer wieder zurückkehren können.
Das Design der großen, aber dennoch übersichtlichen Spielwelt erweist sich als eine der größten Qualitäten des Gameplays. Überall begegnen wir interessanten Charakteren, die zur Unterhaltung einladen und Orte wie Nachtclubs, Hochhäuser oder unterirdische Kanäle verströmen gelungenes Genreflair. Ein kleiner Wermutstropfen: Die Dialoge hätten manchmal durchaus tiefsinniger ausfallen können und Anns dauerhafte KI-Begleiterin kann mit ihrer brutal überzeichneten, klischeehaft mädchenhaften Anime-)Art derart nerven, dass man sich wünschen könnte, sie einfach abzuschalten.
Erkunden und Dialoge führen ist jedoch nur ein Teil des Gameplays, das ohne Rätsel auskommt. Im Herzen ist ANNO: Mutationem nämlich vielmehr ein echtes Actionfest, bei dem wir mit der agilen Kämpferin Ann dank eines schnellen Wechsels aus verschiedenen Nah- und Fernattacken ein vielfältiges Repertoire auf unsere Gegner niederprasseln lassen. Die Gefechte gegen kleine und tatsächlich sehr zahlreiche Bossgegner sind geprägt von schnellen Reaktionen, einer Prise Taktik und eben einer stetig anwachsenden Aktionsvielfalt mit Schuss- und Schlagwaffen, wobei auch krachende Takedowns und Kombos zum Einsatz kommen.
Gerade durch die Geschwindigkeit (Stichwort Jumps) fühlt man sich ein wenig an Klassiker wie Mega Man oder Contra erinnert. Auch wenn die Steuerung (wir spielten auf PS4) vielleicht etwas zu hibbelig ausfällt und manchmal gerade bei den Endbossen zu viele Kleingegner als zusätzliche Erschwernis auftauchen, macht der Sidescrolling-Kampfmix richtig Spaß und bleibt stets machbar. Mehrere Fähigkeitenbäume motivieren außerdem dazu, unsere Heldin mit weiteren Attacken auszustatten.
Was allerdings richtig in die Hose ging, ist letztlich das Storytelling. Die Macher werfen uns im Verlauf der gut 18 bis 20 Stunden zu viele Charaktere und Handlungsfetzen einfach so vor die Füße, ohne deutlicher deren Sinn zu erklären oder genug Raum zu geben, um die Elemente wirken zu lassen. So ist uns vieles, was sich am Ende als eigentlich gar nicht so schlechte Idee entpuppt, zunächst eher egal und unnötig verwirrend. Weniger Inhalt und etwas mehr Fokus auf Ann hätten der Handlung und damit auch der sprunghaften Inszenierung sicher gutgetan.
Technisch überzeugt ANNO dafür fast vollständig, da der pixelige, dennoch ausdrucksstarke Retrostil die Plattformen nicht vor Herausforderungen stellt. Weil dazu die Balance zwischen Erkundung, Dialogen und Action gut passt und die Macher für den moderaten Preis relativ viel Spielzeit spendieren, können nimmermüde Cyberpunk- und Actionfans daher mit Ann unbedingt auf Tour gehen.
Fazit
Gut spielbarer Genremix vor atmosphärischer Cyberpunk-Kulisse, dem es aber bei Story und Charakteren an Fokus und Feintuning fehlt.
ANNO: Mutationem • ThinkingStars • Action-Adventure/RPG • PC/PS4/PS5
Abb. © Lightning Games
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