21. August 2023

„Der Auserwählte“ – Wunder in Mexiko

Eine neue Serie nach Mark Millers Graphic Novels

Lesezeit: 3 min.

Seit einigen Wochen streiken in Hollywood die Schauspieler, noch länger haben die Drehbuchautoren die Arbeit niedergelegt. Es geht natürlich um bessere Bezahlung, aber auch um die drohende Gefahr durch Künstliche Intelligenzen ersetzt zu werden. Schaut man sich manche aktuelle Netflix-Produktion an, könnte man allerdings den Eindruck gewinnen, dass dieser Schritt schon vollzogen wurde und man Filme oder Serien sieht, die nicht von Menschen, sondern von Algorithmen produziert wurden.

Der jüngste Gal Gadot Action-Spionage-Thriller „Heart of Stone“ ist ein gutes – also schlechtes – Beispiel für einen Film, der so austauschbar wirkt, dass man ihn schon während des Sehens mit anderen Filmen verwechselt, und auch die neue amerikanisch-mexikanische Serie „Der Auserwählte“ („The Chosen One“) hakt in den sechs Folgen der ersten Staffel viele der Tropen ab, die bei Netflix offenbar laufen, also für Klicks bzw. das nicht Wegklicken sorgen.

Dabei ist der Ansatz gar nicht schlecht: In der Vorlage „American Jesus“ hatte Mark Millar das Neue Testament als moderne Coming of Age-Story im evangelikalen Süden der Vereinigten Staaten imaginiert und dabei nicht mit den Gewaltspitzen gespart, die ihn in den letzten Jahren zu einem der gefragtesten Vorlagen Lieferanten des Kinos gemacht haben. Besonders Matthew Vaughn tat sich mit der Verfilmung von „Kick-Ass“ und „Kingsman“ hervor, und auch „American Jesus“ wollte er ursprünglich fürs Kino adaptieren.

Als zwei Stunden-Film hätte das vielleicht auch besser funktioniert denn als Sechsteiler, der trotz der wenigen Folgen schnell auf der Stelle tritt und am Ende kaum mehr ist als der Teaser für folgende Staffeln. In denen könnte es spannender werden, wenn dann die Hauptfigur Jodie (Bobby Luhnow) endlich akzeptiert hat, was sie ist – und Spaß damit hat.

In dieser ersten, vom Mexikaner Everado Gout inszenierten Staffel, lernt der zwölfjährige Josie, das er besonders ist. Und zwar nicht nur in der Art die jedes Kind in den Augen seiner Eltern zu etwas besonderem macht, sondern richtig besonders: Wasser in Wein verwandeln oder Lahme wieder gehen lassen, die volle Messias-Nummer also. Dass er damit gerade im streng religiösen Mexiko viel Aufmerksamkeit erlangt, liegt auf der Hand, vielleicht wurde die Serie deswegen von den USA nach Süden verlegt, vielleicht liegt es aber auch daran, dass spanischsprachige Serien bei Netflix besonders gut laufen und die staubige, karge Landschaft zudem gut aussieht.

Gleich in der ersten Folge jedenfalls streift Jodie mit seinen Freunden durch die Wüste, nicht 40 Tage, aber lange genug, um die Gruppe als Wiedergänger all jener Gruppen von jungen Freunden zu etablieren, von den „Goonies“ über „Stand by Me“ bis hin zu „Stranger Things“, auch so eine zu Beginn tolle, ungewöhnliche Serie, aus der Netflix längst alles Leben herausgepresst hat.

Vielleicht läuft es bei „The Chosen One“ andersherum und die Serie gewinnt in späteren Staffeln – so es dazu kommen sollte – an Eigenständigkeit und Originalität. Interessante Ansätze gäbe es manche besonders der sich anbahnende Konflikt zwischen Christ und Anti-Christ, doch zumindest in der ersten Staffel verschwinden diese Momente hinter allzu Generischem, Bekanntem, typisch Netflixhaften. Ein Algorithmus hätte es kaum besser machen können.

Der Auserwählte • The Chosen One, USA/Mexiko 2023 • Creator: Everardo Gout, Leopoldo Gout Darsteller: Bobby Luhnow, Lilith Amelie Siordia Mejia, Juanito Anguamea, Dianna Agron, Lilith Curiel • sechs Folgen • jetzt bei Netflix

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