1. Januar 2016 1 Likes

Wie die Welt endet

In „Es gibt keinen vierten Morgen“ zeigt uns Arthur C. Clarke die Apokalypse einmal anders

Lesezeit: 3 min.

Es gibt unzählige Stories über den Untergang der Welt. Zombies, Viren, Vampire, künstliche Intelligenz – suchen Sie sich ihre Lieblingsapokalypse aus. Sicher ist allerdings: irgendwann wird unsere Sonne zur Nova. Sie wird sich ausdehnen und die inneren Planeten vernichten. In „Es gibt keinen vierten Morgen“ dreht Arthur C. Clarke etwas an der Uhr und verlegt das Ende der Welt auf überübermorgen.

Unsere Retter liefert Clarke in seiner Story gleich mit. Allerdings kommt es zu einem fatalen Missverständnis zwischen ihnen und dem Menschen, mit dem sie Kontakt aufnehmen, dem Raketenwissenschaftler Bill Cross. Dabei kann man Cross nicht einmal einen Vorwurf machen: Er ist reichlich gefrustet in seinem Job, weil seine Arbeitgeber ihm verbieten, seine Energie auf den Bau von Raketen zu verwenden. Stattdessen soll er, wie gefordert, weiter Bomben entwickeln. Als ihn dann zu allem Überfluss auch noch seine Frau verlässt, sucht Bill sein Heil in der Flucht vor der Realität und greift zum Hochprozentigen. Kurz vor dem Verlust der Muttersprache sind jedoch die geistigen Barrieren in seinem Gehirn soweit heruntergefahren, dass die Alien-Telepathen vom Planeten Thaar Kontakt zu ihm herstellen können. Dem volltrunkenen Bill überbringt nun eine Stimme in seinem Gehirn die letzte schlechte Nachricht in einer ganzen Reihe schlechter Nachrichten: In 74 Stunden wird die Sonne explodieren. Die Thaar könnten die Erde evakuieren, indem sie Korridore durch den Raum erschaffen, die zu einem erdähnlichen Planeten führen.

Doch Bill, seines Zeichens Wissenschaftler und damit Zweifler von Berufs wegen, glaubt den Aliens nicht. Stattdessen hält er alles für eine alkoholinduzierte Halluzination und weigert sich rundheraus, die Aliens mit den Anführern der Menschheit in Kontakt zu bringen. Schließlich fragen die Thaar: „Sind denn alle Menschen so wie du?“ Und Bill antwortet nach reiflicher Überlegung: „Nein, das sind sie nicht“, ehe er zu seinem Spind wankt und sich eine zweite Flasche Whisky aufmacht.

Das kann man nun auf verschiedene Weisen deuten. Zum einen sind natürlich nicht alle Menschen so betrunken wie Bill (der freimütig zugibt, dass er mit den Aliens nicht mehr hätte sprechen können – denken funktioniert aber noch einigermaßen). Zum anderen sind auch nicht alle Menschen an der friedlichen Erforschung des Weltalls interessiert wie Bill, sondern wollen lieber stärkere Bomben, wie Bills Vorgesetzter Colonel Potter. Andererseits würden auch nicht alle Menschen eine intergalaktische Warnung so schnell als Halluzination abtun wie der skeptische Mathematiker, der bei der Eröffnung der Thaar, sie hätten eine wichtige Botschaft, beschließt, dass es für ihn jetzt nichts unwichtigeres mehr geben könne. Ob Bill, nachdem er seinen galaktischen Rausch ausgeschlafen hat, doch noch zur Besinnung kommt und die Erde gerettet wird, möge jeder für sich selbst herausfinden. Das Bezeichnende für mich an dieser Geschichte ist ihre „Glaubwürdigkeit“. Ich war erst letzten Montag wieder in dieser ganz speziellen Stimmung, in der ich locker-flockig jedem Alien erklärt hätte, dass das Universum ohne die Erde und die Menschheit besser dran ist (und das in vollkommen nüchternem Zustand). Wenn unsere Welt eines Tages so endet, ist das sicherlich eine der plausibleren Vorgeschichten dazu.

Arthur C. Clarke: Es gibt keinen vierten Morgen ∙ Erzählung ∙ Aus dem Englischen von Rolf Bingenheimer und Tony Westermayr ∙ Enthalten in dem SammelbandDie andere Seite des Himmels“ ∙ Wilhelm Heyne Verlag, München 2014 ∙ E-Book: € 3,99 (im Shop)

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