29. Juli 2014 1 Likes

Nacht der Gewalt

James DeMonacos „The Purge: Anarchy“

Lesezeit: 3 min.

Eine Nacht der Gesetzlosigkeit. In einem dystopischen Amerika der nahen Zukunft, in dem Gewalt, Raub, Mord und alle anderen Verbrechen nicht mehr existieren, findet alljährlich die Nacht des Purge statt, eine Nacht der Säuberung, in der für zwölf Stunden Rechtlosigkeit herrscht. Das war das ebenso einfache wie brillante Konzept von James DeMonacos „The Purge“, der im Juni 2013 in die Kinos kam. Kaum ein Jahr nach dem Überraschungserfolg kommt nun schon die Fortsetzung ins Kino, die aus vielen Gründen bemerkenswert ist, nicht zuletzt deswegen, weil sie besser ist als das Original.

Die größte Schwäche des ersten Teils war es, dass er auf Grund seines winzigen Budgets komplett innerhalb eines Hauses spielte, in dem eine Familie sich in der Nacht der Säuberung verbarrikadiert hatte, angegriffen wurde und mit den vielfältigen moralischen Fragen von Gewaltanwendungen konfrontiert wurde. So spannend „The Purge“ im Ansatz auch war, die weitreichenden Fragen des Konzepts blieben völlig außen vor, das gesamtgesellschaftliche Bild wurde ignoriert.

Groß ist das Budget der Fortsetzung immer noch nicht, aber es reichte offensichtlich, um den Blick zu erweitern und die Handlung auf die Straßen von LA zu verlegen. Dass dabei keine Stars oder wirklich bekannten Darsteller zu sehen sind, sorgt zwar für manch hölzernes Schauspiel, führt andererseits aber auch zum erfreulichen Fehlen eines allzu offensichtlichen Sympathieträgers. Am deutlichsten sind dies noch die allein erziehende Latina Eva und ihre Tochter Cali, die sich ebenso auf den Straßen des besonders gefährlichen Downtowns wieder finden, wie das weiße Pärchen Shane und Tanya. Vorerst gerettet werden sie von Leo, der als einziger freiwillig auf der Straße ist. Zusammen bildet das Quintett eine Notgemeinschaft, die sich nicht nur den üblichen Horden blutgieriger Banden erwehren muss, sondern auch offiziellen Kräften.

Und hier wird „Purge 2“ wirklich interessant, hier trifft der Untertitel „Anarchy“ ins Schwarze. Schon ganz zu Beginn hatte die widerborstige Cali an ihrem Computer Videos einer Rebellenorganisation angeschaut, in denen ein Barett und finstere Miene tragender Schwarzer Namens Carmelo zur Revolte gegen das System aufrief, gegen ein System, das den Reichen nutzt und die herrschenden Strukturen des Kapitals stützt. Denn im Gegensatz zum breiten Mob, der auf den Straßen nach Opfern sucht, kaufen sich die Reichen teils willige Opfer, die schwerkrank sind und sich gegen Geld töten lassen, oder lassen unglückliche entführen, um sie quasi als Sport zu jagen.

Nicht umsonst erinnert vieles an „Purge 2“ an die immer weitere Kreise ziehenden Proteste gegen das so genannte eine Prozent, wie er in den letzten Jahren in den meisten westlichen Industriestaaten zugenommen hat. Immer größer wird die Kritik am Kapitalismus, an Ungleichheit, an Ungerechtigkeit, am extremen Einkommensgefälle und der kleinen Klasse der Superreichen, die die Welt, ihre Ressourcen und die Menschen, die sich nicht wehren können, ausbeuten. Mit Brot und Spielen wird diese Masse bei Laune gehalten, wobei natürlich auch das Hollywood-Kino eine Rolle spielt.

Dass Kritik an diesen Zuständen inzwischen immer häufiger auch in Hollywood-Filmen selbst zu finden ist, ist einerseits ironisch, zeigt aber vor allem, wie sehr Kritik an den herrschenden Verhältnissen inzwischen schon im Mainstream angekommen ist. Dieses Reservoir der Unzufriedenheit zapft „The Purge: Anarchy“ an und schafft es dadurch den zwar spannenden, aber letztendlich unterkomplexen ersten Teil auf eine größere Ebene zu heben, nicht zuletzt aber ihn zu einem richtig guten Film zu machen.

The Purge: Anarchy startet am 31. Juli in den deutschen Kinos.

The Purge: Anarchy • USA 2014 • Regie: James DeMonaco • Darsteller: Frank Grillo, Carmen Ejogo, Zach Gifford, Kiele Sanchez, Michael K. Williams

Bilder: Universal

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