15. Dezember 2014 3 Likes 1

Super-Treibhaus Venus

Wie Vulkane das Klima auf einem Planeten so richtig spannend machen können – Eine Kolumne von Judith Homann

Lesezeit: 5 min.

Das Klima des zweiten Planeten in unserem Sonnensystem, so wie wir es heute vorfinden, wird durch einen höchst effektiven Treibhauseffekt und die Eigenschaften einer global umspannenden Wolkendecke dominiert. Mit etwa 460 Grad Celsius herrschen auf der Oberfläche Temperaturen, die jeden Backofen alt aussehen lassen, und der durchschnittliche Atmosphärendruck ist nahezu hundertmal größer als auf der Erde. Die Atmosphäre besteht aus einer unangenehmen Kohlendioxid-Stickstoff-Mischung. In vielerlei Hinsicht entsprechen die oberflächennahen Luftschichten eher einem Ozean als einer Atmosphäre – flüssiges Wasser existiert allerdings nicht. Ein Urlaub auf unserem sonnennäheren Nachbarplaneten wäre also nicht anzuraten.

Erosion durch Wind oder durch flüssiges Wasser, wie auf der Erde, findet nicht statt. Der treibende geologische Prozess auf dieser Welt ist ein steter Vulkanismus, bei dem große Mengen an Kohlenstoffdioxid, Schwefelverbindungen und sogar ein wenig Wasserdampf in die Atmosphäre frei gegeben werden. Während das CO2 in der Atmosphäre verbleibt und sich dort stetig anreichert, reagiert ein großer Teil der Schwefelverbindungen mit Wasser zu Schwefelsäure, die sich an kleinen Partikeln zu Tröpfchen sammelt und so dichte Wolken bildet.

Der restliche Anteil an Schwefelverbindungen und Wasserdampf wird der Atmosphäre durch verschiedene chemische Prozesse wieder entzogen: An der Grenze zum Weltraum spaltet solare ultraviolette Strahlung Wasserstoff aus dem Wasserdampf, sodass die frei werdenden H-Atome ins All entweichen. Am unteren Ende der Luftsäule reagieren die Schwefelverbindungen mit karbonatmineralhaltigen Gesteinen (Calcit-Minerale) an der Oberfläche und bilden neue Minerale mit Karbonat-Schwefelverbindungen, sogenannte Anhydrit-Minerale.

Auf der Erde ist das Klima, selbst nach größeren Vulkanausbrüchen, langfristig sehr stabil. Das liegt daran, dass es Mechanismen gibt, die Stoffe aus der Atmosphäre wieder herausholen. Den prominentesten Einfluss haben hierbei unsere Ozeane: In ihnen wird durch verschiedene Prozesse überschüssiges CO2 angereichert und langfristig gespeichert („Kohlenstoffpumpen“). Auch die Regenwälder binden große Mengen an Kohlenstoff in ihrer Biomasse. Dadurch ist die Zunahme der CO2-Konzentration in unserer Atmosphäre längst nicht so stark, wie unsere Emissionen es vermuten lassen würden. Solche stabilisierende Klima-Einflüsse sind auf der Venus nicht vorhanden. Dort handelt es sich um „One way“-Prozesse: Was einmal passiert ist, kann nicht durch rückstellende Prozesse wieder ausgeglichen werden.

Auch auf der Erde beeinflusst Vulkanismus das Klima, zum Teil sogar ganz beträchtlich. Das Jahr 1816 etwa ging nach dem massiven Ausbruch des Vulkans Tambora in Indonesien als „Jahr ohne Sommer“ in die Geschichtsbücher ein. Es waren so viele Asche- und Staubpartikel in die Atmosphäre gelangt, dass sich die Erde spürbar „verdunkelte“ und weniger Sonnenstrahlung zur Oberfläche durchdringen konnte. Auf der Venus kann man über solche Kleinigkeiten nur müde lächeln. Ihr Vulkanismus ist so stark und permanent anhaltend, dass er das Klima maßgeblich antreibt. Die ultimative Ehe aus Geologie und Meteorologie, wenn man so will.

Das durch unseren eigenen aktuellen Klimawandel bestens bekannte Treibhausgas CO2 absorbiert von der Oberfläche der Venus emittierte Infrarotstrahlung nur für bestimmte Wellenlängen, für andere jedoch nicht. Diese Wellenlängen, in denen ein Stoff nichts absorbiert, werden „Fenster“ genannt. SO2 und andere Schwefelgase absorbieren ausgerechnet in den CO2-Fenstern sehr stark, sodass für nahezu alle Wellenlängen ein absorbierendes Gas in der Venusatmosphäre vorkommt. Dadurch kann einfallende solare Strahlung zwar in die Atmosphäre eindringen, doch die vom Planeten aufgrund seiner Temperatur emittierte Strahlung kommt nicht mehr hinaus. Die Konsequenz ist eine Oberflächentemperatur, die dreimal so hoch ist wie für eine Venus ohne Atmosphäre.

Ähnlich dem Klima der Erde unterlagen die atmosphärischen Gegebenheiten der Venus im Verlauf ihrer Evolution dramatischen Veränderungen. So lässt das Fehlen von Impact-Kratern auf der Oberfläche, die älter als 1,1 Milliarden Jahre alt sind, auf ein massives, etwa zwischen 1100 bis 600 Millionen Jahre vor heute stattfindendes, eruptives Ereignis – in den Worten von Bruce Willis: „Mächtiger BADABOOM!“ – schließen. Hierbei entstand eine zwischen einem und zehn Kilometer mächtige, global umspannende Decke aus erstarrter Lava. Die Hochphase dieses Ereignisses, während der große Mengen an SO2 und Wasserdampf in die Atmosphäre gelangten, dauerte 10 bis 100 Millionen Jahre an. In der Folge kam es zur Bildung von massiven Schwefelsäure-Wolken. In den folgenden 300 Millionen Jahren, nachdem die extreme vulkanische Aktivität überwiegend zum Erliegen gekommen war, kam es zu einer Abkühlung der Atmosphäre um ca. 130 bis 240 Grad Celsius. Verantwortlich hierfür war ein durch die dichte Wolkendecke verursachter verstärkter Albedo-Effekt – die  Reflektion solarer Strahlung nahm zu, weniger Sonnenlicht erreichte die Oberfläche. Diese Bedingungen waren für 200 bis 500 Millionen Jahre stabil, wie Modellrechnungen nahelegen. Mit der Zeit dünnte die schwere Wolkendecke jedoch immer mehr aus, da die freien Schwefelverbindungen in der Atmosphäre mit den bereits erwähnten karbonathaltigen Oberfächengesteinen reagierten und ein Nachschub durch vulkanische Aktivität fehlte. Der Verlust von Wasserstoff an der Grenze zum Weltraum lief hingegen im Vergleich zu den Oberflächenreaktionen langsamer ab, sodass sich das H2O/SO2-Verhältnis zu Gunsten des Wasserdampfs verschob. Es entstanden hohe Wasserdampfwolken, die solare Strahlung leichter durchdringen kann und so den Planeten erwärmte. Damit erhöhte sich die Wärmestrahlung der Venus, die die Wolken von unten verdunsten ließ. Dieser sich immer weiter verstärkende Prozess wird auch als „runaway greenhouse“ bezeichnet. Für ca. 400 Millionen Jahre waren lediglich hohe, dünne Wolkenbänder vorhanden und die Oberflächentemperatur lag etwa 100 Grad Celsius über den heutigen Werten. Nach weiteren 200 Millionen Jahren sind die letzten Wolkenfetzen nun vollständig verschwunden. Vor 20 bis 30 Millionen Jahren setzte allerdings erneut eine bis heute andauernde vulkanische Aktivität ein, die für die heutigen klimatischen Gegebenheiten verantwortlich ist. Durch den konstanten Nachschub an Treibhausgasen werden sie in dieser Form bis heute aufrechterhalten.

Wenn man das alles so betrachtet, wird schnell klar, dass unser sonnennäherer Nachbarplanet noch wesentlich ungemütlicher ist als der ohnehin schon nicht einladende Mars. Jede lächerliche vulkanische Aktivität kann einem den Sommerurlaub verderben, die hohen Temperaturen sind nicht gut für die Haut, und der viele Schwefel bringt die Frisur schrecklich durcheinander – womit die Theorie, Frauen kämen von der Venus, hinlänglich widerlegt sein dürfte.

 

Judith Homann macht gerade ihren Master in Meteorologie und interessiert sich stark für extraterrestrische Wetteraktivitäten. Vielen Dank an Benjamin Läuchli für die Mitarbeit an diesem Text.

Mit Christian Cantrells „Der zweite Planet“ (im Shop) ist gerade ein Science-Fiction-Roman erschienen, der auf ebendiesem ungemütlichen Planeten Venus spielt.

Komposit-Aufnahme mit nahe-Ultraviolett- (grün) und nahe-Infrarotfiltern (rot, grün, blau) von der Erde aus fotografiert

Kreisläufe in der Venus Atmosphäre: Temperaturen wie einem Backofen, ozeanähnliche Druckverhältnisse und Schwefelsäure-Wolken

Absorptionsverhalten verschiedener Gase in der Erdatmosphäre. Nahe null Prozent Absorption entspricht einem „Fenster“, nahe hundert Prozent einer Absorptionsbande

UV-Bild der Wolkendecke der Venus aufgenommen mit der Weltraumkamera VMC der ESA-Sonde Venus Express aus einer Entfernung von 30.000 Kilometern

Kommentare

Bild des Benutzers Shrike

Wenn ich die 200 Millionen oder 300 Milliarden-Perioden so lese, denke ich: irgendwann war vielleicht für 500.000 Jährchen auch mal eine Art von Leben da. Aber das war so ein Wimpernschlag, dass wir es nicht finden werden.
So ist es halt, wenn man zur falschen Zeit am richtigen Ort ist oder umgekehrt.
Spannend wärs ja schon, das zu wissen oder?

Zum Verfassen von Kommentaren bitte Anmelden oder Registrieren.
Sie benötigen einen Webbrowser mit aktiviertem JavaScript um alle Features dieser Seite nutzen zu können.