Schmerzhaft

„Ingrid Goes West“ ist keine Komödie, auch keine schwarze (wie der Rolling Stone schrieb). Und ganz bestimmt kein „Vergnügen“, wie Elle befand. Von der ersten Sekunde an macht Regisseur Matt Spicer klar, dass das hier unangenehm wird. Denn Ingrid (absolut umwerfend: Aubrey Plaza) sprengt eine Hochzeit, und das nicht auf die nette Art. Dafür landet sie in der Psychiatrie, möglicherweise übertrieben, denkt man an dieser Stelle.

Ingrid ist eine arme Sau. Ihre Mutter ist gestorben. Sie ist einsam. Sie fühlt sich von allen verlassen und verraten. Also sucht sie sich eine Freundin im Netz, auf Instagram, wo Influencerin Taylor (Elisabeth Olsen) ihre Fangemeinde umarmt und alle und alles ganz toll findet. Sie sucht den Kontakt, erst als Tropfen im Ozean (also via Posting), dann packt sie das kleine Erbe in die Einkaufstüte und zieht nach Kalifornien, wo Taylor wohnt. Sie stalkt die junge Schöne und ihre Entourage, schleicht sich in ihr Leben und sucht ihre Nähe.

Dass das schiefgehen muss, ist völlig klar. Aber wie das schiefgeht, ist ungewöhnlich schmerzhaft und fast unerträglich. Doch „Ingrid“ ist auch kein Psycho-Thriller, selbst wenn der Film Spuren in diese Richtung legt. Spicer treibt die Dinge auch durchaus Richtung Eskalation, erspart uns aber den Schritt ins blutig Grelle. Denn Ingrid wird nicht zur irren Furie, die zur Axt greift und die miese Bitch zerlegt. Tatsächlich wählt Spicer einen deutlich subtileren, fast schon perfiden Weg. Die letzte Szene des Films ist so „bittersweet“, dass man nicht weiß, ob man lachen, heulen oder kotzen möchte.

In mancher Hinsicht ist „Ingrid Goes West“ eine Art Real-Dystopie, die ohne Übertreibung die schöne alte Welt der digitalen Gegenwart zeigt. Und damit mehr über die Zukunft sagt, als manches Science-Fiction-Werk. Herausragend.

„Ingrid Goes West“ ist gerade als DVD, Blu-ray und VOD bei Universum Film erschienen. Abb. © Universum Film GmbH

Ingrid Goes West • USA 2017 • Regie: Matt Spicer • Darsteller: Aubrey Plaza, Elizabeth Olsen, O’Shea Jackson Jr.