Den Nagel auf den Kopf getroffen
Remedy erweitert mit „The Foundation“ auf grandiose Art seinen Mystery-Hit „Control“
Das muss man erstmal schaffen: Beklagen wir oft genug den Mangel an Feingefühl mancher Programmierer, aus nachgeschobenen DLC-Häppchen mehr zu machen als eine nette Dreingabe, straft Remedy mit dem ersten von zwei geplanten Erweiterungen zum letztjährigen Mystery-Action-Adventure Control (hier unser damaliger Test) all diejenigen Lügen, die genau das auch von The Foundation möglicherweise erwartet hatten. Immerhin gab es vor dem Release des seit Ende März für rund 15 Euro auf PS4, Xbox One und PC erhältlichen DLCs keine wirklich großen Ankündigungen und so hielten sich die Erwartungen sichtlich in Grenzen.
Die schien man sich bisher eher für den zweiten DLC aufzuheben, der angeblich eine Verbindung zwischen der Welt von Control und dem Remedy-Klassiker Alan Wake herstellt, der trotz bisher nur einmaligem Auftritt eine beharrliche Fangemeinde hinter sich weiß. Doch schon The Foundation überzeugt, ja begeistert sogar über weite Strecken seiner mit 4-5 Stunden recht üppig ausgelegten Spielzeit und nimmt sich dabei trotz Beibehaltung aller Stärken des Hauptspiels einiger Kritikpunkte beherzt an.
Hat man das dieses abgeschlossen und den umständlich markierten Eingang zum neuen Kapitel über die Seilbahn im Wartungssektor erreicht, betreten wir mit Protagonistin Jesse eine Levelmischung aus komplexem Höhlensystem und surrealen Astralebenen. Zur Erinnerung: In ihrer sehr kuriosen Funktion als Direktorin einer paranormalen Behörde mitten in den USA, ist es Jesses Aufgabe, einer fremden Macht (das Zischen) entgegenzutreten, die versucht über die Behörde in unsere mehr oder weniger reale Welt einzudringen.
In The Foundation kommt es nun zu einer Kollision mit der Astralebene und nur wenn es Jesse gelingt, ein Artefakt (der Nagel genannt) zu reparieren und den Motiven des mal wieder völlig undurchsichtigen Rates auf die Schliche zu kommen, kann eine paranormale Katastrophe verhindert werden. Klingt das abgedreht? Na klar. Aber genau so muss Control einfach sein. Deshalb setzt auch der DLC voll und ganz auf das intensive Mysteryflair in bester David Lynch-Tradition, das neben dem Action-Gameplay die größte Stärke des Titels markiert.
Eine Qualität wird sofort offensichtlich: Das Höhlensystem gestaltet sich bei angenehmerweise weniger verwirrend als der Gebäudekomplex der Hauptkampagne und bietet dennoch mit seinem roten Sand, viel weißem Stein und Hochebenen, die wir erst nach und nach erreichen können, genug Abwechslung. Selbiges gilt für die Abschnitte in der Astralebene, in der sich riesige Konstruktionen im Raum bewegen und manchmal manipulieren lassen. Zur stimmigen Designbalance gehören zwei brandneue Fähigkeiten, die wir im Verlauf der Story erwerben und sich variantenreich einsetzen lassen. So können wir auf Knopfdruck Felsvorsprünge aus der Wand oder dem Boden sprießen lassen, um höhere Etagen zu erreichen oder wir setzen sie am Boden ein, um Feinde zu attackieren. Zum anderen ist es aber ebenso hilfreich, Feldbrocken einfach nur zu zerstören, um Wege und Extras freizulegen.
Wie angedeutet, verzichtet Remedy bei der Wegfindung trotz eines leichten Metroidvania-Ansatzes auf zu viel Freiheit und verkneift sich bis auf eine Ausnahme nervige Umgebungsrätsel, die den Spielfluss wie an einigen Stellen des Hauptspiels unnötig ausbremsen. Ohnehin macht es viel mehr Spaß, die dunklen Gänge nach weiteren Itemkisten zu durchsuchen, die Reihenfolge mancher Missionen selbst zu bestimmen oder einfach nur das zwar technisch nicht spektakuläre, aber ungemein effektiv präsentierte Geschehen auf sich wirken zu lassen. Da stören selbst die bekanntermaßen leblosen Gesichtsanimationen und die seltsam betone (dt.) Synchro kaum.
Ein weiterer nicht zu unterschätzender Vorteil der kompakteren Spielwelt geht einher mit der nun wesentlich griffigeren Narration rund um das Artefakt und dessen Auswirkungen auf die Behörde. Waren wir im Hauptspiel oft unschlüssig bis gleichgültig, worum es bei so manchem Dialog, Audiofile oder Textdokument genau geht, gelingt es den Machern jetzt besser, Handlung und Nebenbei-Infos griffiger an uns heranzutragen und so das herrlich verschrobene Potenzial des Control-Universums nicht mehr ein Stück weit zu verschenken. Was leider immer noch fehlt, sind richtig packende Figuren, die uns neben Jesse ans Herz wachsen könnten. Ein klarer Arbeitsauftrag an die Zukunft des Titels (oder der Reihe?).
Das Zusammenspiel mit Jesses bereits vorhandenen Kräften wie Schweben oder Telekinese funktioniert hingegen dank guter Steuerung und sinnvoll in die Spielwelt integrierten Actionpoints sehr flüssig und beweist erneut, wie viel Wert Remedy auf das dynamische Actionkorsett beim fließenden Wechsel aus Schusswaffen und Skills gelegt hat. Schnelle Reaktionen und bestenfalls permanente Bewegung sind auch in The Foundation gegen die Gegner absolut Pflicht; zumal die Macher frische Gegner wie besonders flinke Axtkrieger gegen uns antreten lassen, die ihre Waffen sogar geschickt zu schleudern verstehen, sollten wir uns in der Luft befinden.
Dieser Mix macht The Foundation gewohnt anspruchsvoll und offensiv, nur beim etwas einfallslosen Endkampf hätten wir uns etwas weniger Frust und mehr Esprit sowohl bei der Inszenierung wie der Ausrichtung weg von einer zuvor bereits oft genug erlebten Massenschlacht gewünscht. Aber selbst an dem Punkt wartet das Spiel mit einer Verbesserung auf, denn vor besonders kniffligen Gefechten können wir einen KI-Ranger zu Hilfe rufen, der Jesse aktiv mit Feuerkraft unterstützt und das Geschehen sichtlich entschärft. Eine kleine, aber feine Idee, wie so einiges, was diesen DLC zum echten Mehrwert im Verbund mit dem bereits spannenden Hauptspiel macht und die Latte für die zweite Erweiterung definitiv hochlegt.
Ach ja, um dieses für Insider nicht unwichtige Detail nicht zu vergessen: Als Sahnehäubchen wartet ein besonders abgefahrenes Erlebnis mit einem Objekt der Macht und liebevoll verschrobene Details wie winkende Glückskatzen gibt es natürlich auch wieder zu bestaunen.
Fazit
Sehr guter DLC, der mit klarem Fokus bei den Stärken des Hauptspiels ansetzt und somit bis auf wenige bereits aus dem Hauptspiel bekannte Schwächen absolut überzeugt.
Control: The Foundation (DLC) • Remedy Entertainment • Mystery-Shooter/Action-Adventure • PS4/Xbox One/PC
Abb. © 505 Games
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