21. Februar 2012

Schmerz lass nach

„World Invasion: Battle Los Angeles“ – Nomen est omen

Lesezeit: 4 min.

Der Alien-Invasionsfilm hat im Rahmen des Science-Fiction-Genres eine lange Tradition. Vor allem während des Kalten Krieges dienten apokalyptische Eroberungsfantasien oft als Katalysator der kollektiven Angst, Opfer fremder Mächte zu werden und dabei einem Feind ohne Gewissen und ohne Gnade ausgeliefert zu sein, der nichts anderes im Sinn hat, als die menschliche Rasse zu vernichten oder sich vollkommen untertan zu machen. Wie Susan Sontag in ihrem Essay »Die Katastrophenfantasie« bereits 1965 analysierte, waren diese Stoffe nicht nur durch ihren allegorischen Gehalt und ihren realweltlichen Bezug signifikant für die jeweilige Zeit ihrer Entstehung, sondern vor allem durch die neuartigen technologischen Möglichen ihrer filmischen Repräsentation im Rahmen Special-Effects-getriebener Leinwandspektakel in Techni­color.

Diese beiden konstituierenden Elemente – inhaltlich-allegorisch und formal-technisiert – sind seit der Hochphase dieses Subgenres erstaunlich konsistent geblieben. Nicht erst seit dem großen Revival der Hollywood-Alien-Katastrophenfantasien durch Roland Emmerichs Independence Day im Jahr 1996 wird unsere Erde in schöner Regelmäßigkeit von außerirdischen Invasoren heimgesucht, die meistens nichts Gutes im Sinn haben. Dabei wurden diese Kino-Spektakel mit den verschiedensten inhaltlichen Bezügen aufgeladen – so löste zuletzt islamistischer Terrorismus die Fünfzigerjahre-Angst vor kommunistischer Infiltration als GAU der kollektiven Vereinnahmung ab –, die technische Umsetzung wurde immer perfekter, sodass mittlerweile auch TV-Serien wie Falling Skies durch wirklich filmreife Umsetzung überzeugen. Und ein Element hat sich seit den großen Tagen von Godzilla & Co. nicht geändert – die letzte Verteidigungslinie gegen malevolente Monster bildet immer noch das Militär. Mit vereinter Feuerkraft gegen fremde Invasoren – das hatte vor allem in Zeiten ideologischer Blockbildung eine fast utopische Komponente und machte sich außerdem schon immer gut in der ohrenbetäubenden Lautstärke des Kinosaals.

Jedoch standen taktische Bemühungen und konkrete Kampfhandlungen der Streitkräfte selten so sehr im Vordergrund des Geschehens wie in World Invasion: Battle Los Angeles. Eine Fokusverschiebung, die den Film eher im Genre des Kriegsfilms verortet als in der Science Fiction – was laut Regisseur Jonathan Liebesman auch die ganz klare Intention der Macher war. Die globale außerirdische Attacke dient lediglich als Startschuss für eine Reihe von Gefechtsszenen, in denen sich eine Gruppe US-Marines einem weitgehend gesichtslosen Feind gegenübersieht und sich im scheinbar aussichtslosen Häuserkampf einer hochtechnisierten Übermacht erwehren muss. Dagegen ist auch überhaupt nichts ein­zuwenden; im Gegenteil ist dies ein höchst vielversprechender Ansatz, waren doch schon die wenigen Kampfszenen in Spielbergs Krieg der Welten geprägt von enormer Dynamik und purer kine­tischer Energie. Warum also nicht einfach mal eine Gruppe von Soldaten durch einen solchen Einsatz begleiten? In den richtigen Händen könnte das eine höchste fruchtbare Vereinigung der Greatest Hits aus Kriegsfilm und Invasions-SF bedeuten – und damit jede Menge guter Laune.

In den falschen Händen bedeutet das World Invasion: Battle Los Angeles. Mit expliziter Unterstützung der US-Armee entstand hier ein zweistündiger Rekrutierungsclip, der das Pendel zwischen Militär-Glorifizierung und SF-Spaß auf übelste Art und Weise in die falsche Richtung kippen lässt. Das beginnt schon mit den expositorischen Szenen, die die bunte Truppe von Marines einführen – leider teilt Michael-Bay-Protegé Liebesman den Armee-Fetisch seines Testosteron-getunten Mentors und lässt erst mal eine Reihe von Hubschraubern zu den Sounds von California Love über die kalifornischen Wellen surfen. Die einzelnen Charaktere entsprechen dermaßen dem Klischee vom guten Soldaten, vom Staatsbürger in Uniform, der eigentlich nur für seine Familie kämpft und in der glorreichen Gemeinschaft des Corps aufgeht, dass man sich übergeben möchte. Die Kampfszenen, die den Hauptteil des Films ausmachen, sind dann durchaus kompetent inszeniert, können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier unter dem Deckmantel eines SF-Sommer-Blockbusters eine Militärideologie als elitäre Lebensstrategie propagiert wird, die wirklich nur ganz schwer zu schlucken ist. Als Höhepunkt dieser beinahe religiösen Verbeugung vor Opferbereitschaft und Corpsgeist prügelt Staff Seargant Aaron Eckhardt einem Zwölfjährigen, der gerade seinen Vater verloren hat, die Tugenden der Marines ins traumatisierte Kinderhirn und befördert ihn kurzerhand zum Kindersoldaten. Die anschwellenden Pathosgeigen machen deutlich, dass das total ernst gemeint ist.

Und so geht’s weiter – die Jungs machen zwischen den Feuersalven kernige Späßchen, gerne auch auf Kosten des einzigen weiblichen Soldaten (Misogynie zeigt sich in vielen Formen), ein Offizier sprengt sich für seine Männer in die Luft, aber nicht, ohne vorher noch kurz an Frau und Kinder gedacht zu haben, Durchhalteparolen und raubeiniges Geplänkel übertönen sogar noch den Einsturz ganzer Gebäudekomplexe, und wenn am Ende die vom zweitägigen Dauereinsatz völlig fertigen US-Boys sofort neue Munition um ihre gestählten Leiber schnallen, um gleich wieder loszulegen, ist das Maß voll.

Das wirklich Schlimme dabei ist, dass diese Fokussierung auf eine soldatische Ideologie des Schmerzes nicht mal ansatzweise ironisch gebrochen oder sonstwie hinterfragt wird. Dass das auch anders geht, hat unter anderem Michael Verhoeven mit seinen Starship Troopers ja eindrucksvoll bewiesen. Wahrscheinlich ist World Invasion aber gerade deswegen eher als Produkt seiner Zeit im Sonntag’schen Sinne zu sehen als Verhoevens herausragende Heinlein-Verfilmung. Vor dem Hintergrund der aktuellen militärischen US-Debakel in Irak und Afghanistan postuliert dieser Actioner ganz konkret und unallegorisch eine Maxime der Durchhaltebereitschaft. Die traurige Tatsache, dass das alles nicht nur absolut humorlos und bierernst in Szene gesetzt ist, sondern auch noch ein ums andere Mal eine widerliche Machoattitüde schlimmster Bay’scher Machart an den Tag legt, macht alles nur noch viel schlimmer.

Irgendein Rock-Kritiker schrieb einmal: »Wer Van Halen hört, schlägt auch Frauen.« Das ist natürlich Quatsch. Aber wer World Invasion gut findet, dem möchte ich nicht im Dunklen begegnen.

World Invasion: Battle Los Angeles • USA 2011 · Regie: Jonathan Liebesman · Darsteller: Aaron Eckhart, Ramon Rodriguez, Ne-Yo, Michelle Rodriguez, Will Rothhaar

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