15. Januar 2023

„The Rig“ - Gruselig miese Grusel-Serie

Schon jetzt die schlechteste Serie des Jahres 2023?

Lesezeit: 3 min.

Die viel beschworene künstlerische Freiheit der Streaming-Plattformen ist für hochtalentierte Filmemacher wie Nicolas Winding Refn, dessen „Copenhagen Cowboy“ ein Tag vor „The Rig“ auf Netflix veröffentlicht wurde, sicherlich toll, bringt aber einen gigantischen Haufen absoluten Müll mit sich, der anderswo peinlich berührt im Hinterhof begraben worden wäre. Aber via Streaming lässt sich halt die größte Scheiße noch vergolden, und so überrascht es nicht, dass „The Rig“ bei Amazon Prime Deutschland momentan auf Platz eins steht.

Erzählt wird von der Besatzung der Ölbohrinsel Kinloch Bravo, die durch einen mysteriösen Nebel von sämtlicher Kommunikation abgeschnitten wird. Als ein Mitglied der Besetzung fast tödlich verunglückt, sich aber auf wundersame Weise wieder erholt, muss die Crew fortan nicht nur mit Unwetterkatastrophen und Streitereien untereinander, sondern auch mit der Erkenntnis zurechtkommen, dass auf dem Grund des Meeres etwas lauert, was dem Menschen nicht gerade wohl gesonnen ist …

„The Rig“ wird als das erste komplett in Schottland gedrehte Big-Budget-Projekt von Amazon angepriesen. Als Showrunner zeichnet sich David Macpherson aus, Sohn eines Erdölarbeiters und studierter Umweltwissenschaftler, der einen lokalen Schreibwettbewerb gewonnen hatte und dadurch zum Konzern kam. Das Macpherson studierter Umweltwissenschaftler ist, merkt man, denn seine Figuren sagen immer wieder Sachen, die ihnen ganz offenbar von einem studierten Umweltwissenschaftler in den Mund gelegt wurden: Da klärt der Boss der Truppe, Magnus, nachdem klar ist, dass die Firma die Insel schließen will, dutzende Arbeitsplätze wegfallen, auf: „Erneuerbare Energien kosten immer weniger, Öl immer mehr – vielleicht ist das ja gar nicht mal so schlecht oder soll das so weitergehen bis du in Rente bist und die Erde am verglühen ist?“. Da wird sich mit dem Schiffskoch über die langen Transportwege von Nahrung ausgetauscht oder es erläutert ein junges Mitglied einem älteren anklagend, wieso die Alten den Jungen die Welt in einem bedauernswerten Zustand überlassen haben.

Es wird gerne erklärt, sehr viel erklärt. Und überhaupt wird sehr viel geredet. Was machen wir, machen wir dies oder das, wir machen das, nein dies. Zwischendrin werden immer wieder kurz Privatprobleme gewälzt, die aber nur gewälzt werden, da Macpherson offenbar denkt, dass Privatprobleme gewälzt werden müssen, aber eigentlich gar kein Interesse dran hat, Privatprobleme zu wälzen und seine Figuren lieber etwas erklären oder darüber nachdenken lässt, was sie als Nächstes tun sollen. Vor lauter Geschwätz vergisst die Show dann auch das ein oder andere Mal, was zuvor gesagt wurde: Da ordnet Magnus zum Beispiel an, dass die Leute sich noch mal satt essen sollen, der Küchenchef dann aber die Vorräte rationieren muss, da nicht mehr viel übrig ist. Dennoch gibt’s in allen weiteren Kantinenszenen reichlich zu essen, von Nahrungsknappheit keine Spur.

Man könnte „The Rig“ theoretisch als Hörspiel durchlaufen lassen, es wird geschwafelt, aber zu sehen gibt’s nichts. Dank schlechten Effekten und noch schlechterem Rendering kommt zu keiner Zeit der Eindruck auf, dass die Serie auf einer Ölbohrinsel spielt. Die Darsteller stehen jederzeit auf der Soundstage eines Studios und versuchen mit aller Kraft aus dem grottigen Material noch was rauszupressen, was aber trotz der an sich guter Besetzung (unter anderem Iain Glen, Owen Teale und Mark Addy aus „Game of Thrones“) natürlich nicht gelingt und Mitleid aufkommen lässt.

Und um das Bild rund zu machen, setzt sich wirklich die komplette Handlung durchweg aus Elementen von anderen Serien und Filmen zusammen, es findet sich nicht eine originelle Idee, weswegen ich mit einem Tipp schließen will: Es gibt zu vielen Serien enorm zeitsparende Alternativen. In dem Fall wäre das ein Film von 2010, der ebenfalls „The Rig“ heißt, ebenfalls durchweg auf einer Ölbohrplattform spielt, eine sehr ähnliche Handlung hat und ebenso nichts taugt, aber nach 90 Minuten zu Ende ist. Scheiße kann man auch kompakter haben.

The Rig (Schottland 2022) • Regie: John Strickland, Alex Holmes • Darsteller: Emily Hamphsire, Iain Glen, Martin Compstone, Mark Bonnar, Molly Vevers, Calvin Demba • Amazon Prime

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