1. April 2014 1 Likes 2

Mit dem SUV zum Biomarkt

Zuviel Zukunft tut nicht gut – Eine Kolumne von Sascha Mamczak

Lesezeit: 3 min.

Elias Canetti hat einmal den Vorschlag gemacht, Akademien zu gründen, die von Zeit zu Zeit bestimmte Wörter abschaffen. Eine so absurde wie naheliegende Idee, naheliegend jedenfalls für jene Wörter, die durch ihren inflationären Gebrauch im öffentlichen Diskurs so sinnentleert sind, dass man ihnen – man muss sie ja nicht gleich ganz abschaffen – zumindest eine längere Pause verordnen möchte. Wörter wie „Verantwortung“ und „Krise“ stünden da ganz oben auf meiner Liste. Und: „Zukunft“.

Das Wort „Zukunft“ ist überall. In Buchtiteln („Mut zur Zukunft“, „Herausforderung Zukunft“, „Zukunft wagen“), in Werbeslogans („Stark machen für die Zukunft“, „Freuen Sie sich auf die Zukunft“, „Karriere mit Zukunft“), auf Wahlplakaten („Politik mit Zukunft“, „Zukunft aus Tradition“, „C wie Zukunft“). Gar nicht zu reden von all den „Zukunftsstandorten“, „Zukunftsthemen“, „Zukunftsministerien“, „Zukunftsdialogen“ und „Zukunftspreisen“, die wie Pilze aus dem Boden schießen (übrigens Pilze: Kürzlich hat eine Fernsehköchin ein „Zukunftsmenü“ serviert, aber lassen wir das). Völlig egal ist dabei, wer welche Buchtitel, Werbeslogans oder Wahlplakate verwendet: Zukunft geht immer. Jeder kann sie in Anspruch nehmen. Jeder hat Anteil an ihr.

Aber ist das wirklich so? Wenn sowohl Greenpeace („Das Stromnetz der Zukunft“) als auch die Atomindustrie („Kernig in die Zukunft“ – kein Witz) mit der Zukunft hausieren gehen, dann kann irgendetwas nicht stimmen – dann meinen sie ganz sicher nicht dieselbe Zukunft. „Die Zukunft“ nämlich gibt es gar nicht, sie ist von dem Punkt aus, an dem wir uns befinden, zunächst einmal nur ein Gedanke, eine Idee, eine Gesprächsgrundlage. Das ist eine Binsenweisheit, zugegeben, aber man sollte es sich doch immer wieder in Erinnerung rufen. Denn es wäre ja durchaus schön, wenn wir uns gemeinsam Gedanken über die Zukunft machen, Ideen über die Zukunft austauschen oder Gespräche über die Zukunft führen würden, aber in der Zukunftsflut, die über uns hereinbricht, scheint die Zukunft selbst verloren zu gehen. Anders kann man es sich nicht erklären, dass in ein und derselben Nachrichtensendung erst vom „Markt der Zukunft“ für die Autoindustrie geschwärmt und dann – die Meldungen kamen tatsächlich direkt hintereinander – vor der „Gefahr für die Zukunft“ durch den globalen Kohlendioxidausstoß gewarnt wird.

Man fragt sich wirklich, zu welcher Diagnose die künftigen Psychohistoriker kommen werden, wenn sie den Beginn des 21. Jahrhunderts unter die Lupe nehmen. Ist das die berühmte kognitive Dissonanz? Oder ist es einfach das schizophrene Zukunftsbild einer bis in die Köpfe hinein arbeitsteiligen Gesellschaft: Da kümmern sich die einen darum, dass endlich alle Menschen Autos mit Verbrennungsmotoren fahren, und die anderen handeln nächtelang irgendwelche Klimaverträge aus – solange von „Zukunft“ die Rede ist, kann das alles ja gar nicht verkehrt sein. Und dann setzen wir uns in unsere SUVs und fahren zum Biomarkt. Hinter tausend Zukünften – keine Welt.

Nein, wir werden das Wort „Zukunft“ leider nicht abschaffen und auch nicht in den Zwangsurlaub schicken können, aber wir sollten ab und an darauf achten, wovon wir eigentlich reden, wenn wir von „Zukunft“ reden. Wer spricht zu wem? Wer macht, wer definiert, wer verhindert wessen Zukunft? Denn all die Bücher, Werbeslogans und Wahlplakate erwecken nur den Eindruck, als würde die Zukunft uns allen gehören – in Wahrheit arbeiten sie daran, dass die Zukunft jemand ganz Bestimmtem gehört.

Und dieser Jemand sind womöglich nicht Sie.

Das Buch „Die Zukunft – Eine Einführung“ von Sascha Mamczak (im Shop) erscheint im Juni.

Kommentare

Bild des Benutzers Markus Mäurer

Die Zukunft ist was Schönes, sie ist immer weit weg. (Wahl-) Versprechen für die Zukunft müssen nie eingelöst werden, weil die Zukunft niemals kommt, sondern immer vor uns bleibt. Aber auf Wahlplakaten macht sie sich schön neben Schlagworten wie Kinder, Bilder, Umwelt usw.

Die Zukunft - dieses ominöse wabernde Etwas, dass als dunkle Wolke bedrohlich über unseren Köpfen schwebt oder als Topf voller Gold am Ende des Regenbogens liegt. :)

Bild des Benutzers Shrike

Muss ich jetzt Angst haben, dass diese Seite (die inzwischen zu meiner täglichen Lektüre gehört) in www.eingedankeeineideeeinegespaechsgrundlage.de umbenannt wird? Lieber Sascha Mamczak und alle die Macher, tut mir das nicht an. Ich verspreche, ein treuer Fan zu bleiben.
Euer liebes Shrike

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