15. August 2023

Held:innen fernab von Zeit und Raum

Ferienlektüre: Neue Comics von Patrick Wirbeleit, Kim, Beka, Jose Luis Munuera und Stephan Lomp

Lesezeit: 5 min.

Sommer, Sonne, Strand: Der Urlaub kann so schön sein. Wenn die Fahrt in die Ferien mal wieder länger dauert oder es doch regnet, lohnt es sich immer, etwas Lesestoff dabei zu haben. In der heutigen Folge (nach „Z-z-z-z-zombies?!“ und „Let It »Burn«“) geht es um einen immer hungrigen Wikingerjungen, eine verschwundene Roboternanny und eine rüstige Rentnerin, die mit Stricknadeln einen Tyrannen stürzt.

 

Gorm hunger“

Nicht nur Eltern wissen, dass Kinder manchmal ganz schön anstrengend sein können. Erst recht, wenn es sich um so stattliche Exemplare wie das aus dem Zeitreise-Abenteuer von Patrick Wirbeleit („Kiste“, Reprodukt/Kibitz) und Kim („Kleiner Thor“, Tokyopop) handelt. Der Sohn der beeindruckenden Wikingerin Hilde Balkenbrech und ihres weniger eindrucksvollen Gatten Nulpe Grimm könnte der Traum eines jeden Dorfes sein: Gorm ist für sein junges Alter groß und stark. Leider ist er aber auch ebenso verfressen. Als seine Mutter mal wieder ohne ihren Sprössling auf Brandschatz-Tour geht, fassen Nulpe und der Ortsschamane einen Entschluss: Mithilfe von Magie soll Gorm ein paar Monde altern in der Hoffnung, dass aus der nicht hellsten Kerze am Leuchter ein intelligenter junger Mann wird, der seinem Dorf nicht mehr die Nahrungsvorräte streitig macht. Doch natürlich geht der Plan schief und aus „ein paar Monden“ werden ein paar Jahrhunderte. Gorm landet in unserer Zeit und beim gleichaltrigen Julius. Wie hilft man einem Wikingerjungen zurück nach Hause? In ihrer irrwitzig lustigen Comictrilogie „Gorm Grimm“ springt das Kreativduo genüsslich zwischen den Zeiten hin und her. Während der Schamane und Nulpe alsbald Hildes Zorn ausgesetzt sind, muss Julius Gorm davon abhalten, die Hühner seiner Mutter zu verspeisen und alles scheinbar gefährliche in Kleinholz zu verwandeln. Beides bleibt ein eher aussichtsloses Unterfangen. Bis der junge Wikinger wieder daheim ist, vergeht etwas Zeit. Für junge wie auch ältere Leser:innen ist die gespickt mit jeder Menge Situationskomik, durch die Gorm und Julius einem sehr schnell ans Herz wachsen. Und am Ende lernen Julius, sein Schulfreund Emre und Gorm natürlich das Wichtigste auf der Welt: Wahre Freundschaft überwindet alle Grenzen sogar die von Zeit und Raum.

Patrick Wirbeleit, Kim: Gorm Grimm, Band 1 bis 3 • Kibitz, Hamburg 2021-2023 • je 96 Seiten • je € 15,00 • Empfohlen ab 6 Jahren.

 

Wenn man traurig ist, muss man die Schönheit der Welt betrachten“

Aliens, Raumschiffe, Zeitreisen: Unser Lieblingsgenre kennt keine Grenzen. Eine seiner vielen Spielarten sind „Was wäre wenn“-Geschichten. Diesem Subgenre widmet sich das Autor:innenduo Bertrand Escaich und Caroline Roque alias Beka („Spirou präsentiert: Rummelsdorf“, Carlsen Comics) gemeinsam mit dem Illustrator Jose Luis Munuera („Die Campbells“, Carlsen Comics). Im Mittelpunkt hierbei: eine der grauenvollsten Zeiten der US-Geschichte. Der Auftaktband zur retrofuturistischen Reihe „Rostige Herzen“ beginnt überraschend sehr altmodisch: mit einer Filmszene aus „Cyrano de Bergerac“. Zu sehen ist sie jedoch nicht im Kino oder im Fernsehen, sondern auf einem kleinen Handbeamer. Isea ist ganz vernarrt in die Geschichte, die bei ihr zu Hause als Science Fiction gilt. Denn in ihrer Umgebung gibt es nicht nur Menschen, sondern auch Roboter. Sie erledigen in einer an die USA der 1880er bis 1920er angelehnten Welt die Drecksarbeit. Ob Feld, Laden oder Haushalt, die Rollen sind klar verteilt: der Mensch herrscht, der Roboter dient ‒ mit all seinen grauenvollen Konsequenzen. Beleidigungen, Demütigungen und Massaker an der Roboterbevölkerung? Keine Seltenheit. Welche Grausamkeiten auf die intelligenten Zweibeiner warten, lernen Isea und ihr Schulfreund, der afroamerikanische Tilio, alsbald kennen. Als Iseas Mutter das Roboterkindermädchen Debry entlässt, macht sich das willensstarke Kind auf, nach ihr zu suchen. Doch die Polizei nimmt bald die Verfolgung nach ihr und Tilio auf, sucht nach ihnen sogar mit einem Spürhund, einem skrupellosen Roboter ohne Mitgefühl für Menschen oder Seinesgleichen. Ob Isea und Tilio Debry rechtzeitig finden können? „Rostige Herzen 1. Debry, Cyrano und ich“ ist ein fantastischer, aber auch beklemmender Comic. Beka und Munuera erschaffen eine faszinierende Alternativwelt, in der tagtäglich für eine friedliche Koexistenz zwischen Menschen und Maschinen gekämpft wird. Ein fantastisch inszenierter Auftakt über monströse Menschen und künstliche Intelligenz mit Gefühlen.

Beka, Jose Luis Munuera: Rostige Herzen 1. Debry, Cyrano und ich Carlsen Comics, Hamburg 202372 Seiten • € 18,00 Empfohlen ab 10 Jahren.

 

Stricken ist verboten“

Es gibt Situationen, die kennt wohl jede:r von uns. Und Kinder ganz besonders: Wenn es mal wieder sterbenslangweilig ist, sehnt man sich nach Abwechslung. Doch wie so vieles im Leben haben auch Wünsche ihren Preis. „Be careful what you wish for“, sei vorsichtig, was du dir wünschst ‒ sonst geht es vielleicht ins All! Das passiert zumindest der ungewöhnlichen wie sympathischen Heldin aus dem großem Weltraumspaß „Weltraumpolizistin Oma Gurke“. Eben noch hat sich die namensgebende rüstige Rentnerin in ihrem Seniorenheim gelangweilt und etwas Action gewünscht. Nun ist sie plötzlich auf dem intergalaktischen Handelsposten Helga Centauri, wo sie mit dem Weltraumpolizist BotBot den Platz getauscht hat. Während sich der nicht mehr ganz taufrische Androide auf der Erde wiederfindet ‒ und vor den Pfleger:innen des Heims in Deckung gehen muss ‒ trägt Oma Gurke plötzlich eine technisch hochgerüstete Uniform. Doch ausruhen ist nicht: Wer einen Botanzug trägt, kann auch arbeiten! Nun muss Oma Gurke also BotBots letzten Fall lösen, um wieder nach Hause zu kommen. Doch zunächst muss sie eine Verschwörung aufdecken ‒ und sich dem größten Verbrechen vor Ort stellen: dem Stricken. Großmutter im All? Android auf der Erde? Und ein Handelsposten, auf dem ausgerechnet Stricken verboten ist? Dieses Weltraumabenteuer ist wahrlich skurril ‒ und gerade deshalb ein Heidenspaß. Nicht nur, dass Patrick Wirbeleit („Kiste“) und Stephan Lomp („Kaya & Flo“, Kibitz) mit einer in die Jahre gekommenen Rentnerin eine der sympathischsten Heldinnen der Science-Fiction geschaffen haben. Nein! In diesem nicht einmal hundert Seiten starkem Comic geht es auch noch um eines der wichtigsten Themen überhaupt: den freien Willen. Ein großer Spaß für die ganze Familie.

Patrick Wirbeleit, Stephan Lomp: Weltraumpolizistin Oma Gurke Kibitz, Hamburg 202396 Seiten • € 15,00 Empfohlen ab 8 Jahren.

Abb. ganz oben aus „Rostige Herzen“, Carlsen.

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